Die Troika erwartet zusätzlich benötigte Milliardenhilfe. Athen wehrt sich gegen eine partielle Abgabe der Haushaltskontrolle.

Berlin. Die finanziellen Probleme Griechenlands bleiben weiter Topthema der europäischen Regierungen. Unmittelbar vor dem EU-Gipfel am Montag in Brüssel kamen Berichte auf, nach denen das Land weitere Milliardenhilfen benötigt, um zahlungsfähig zu bleiben. Deutschlands Vorschlag eines EU-Kommissars, dem ein Teil der Haushaltskontrolle Athens übertragen werden soll, wurde von den Griechen abgelehnt. Ergänzt wurde die ohnehin brisante Situation von der Diskussion über eine Aufstockung des permanenten Euro-Rettungsschirms ESM.

Das Thema Griechenland steht beim Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs offiziell nicht auf der Tagesordnung. Auch sind für die Zusammenkunft eigentlich nur vier Stunden angesetzt. All das aber dürfte nur ein weit gesteckter Rahmen sein. Soll es doch eigentlich um die Förderung von Wachstum und Beschäftigung gehen, wird die griechische Tragödie die Verhandlungen doch (wieder einmal) mitbestimmen.

Der „Spiegel“ berichtete am Wochenende mit Verweis auf die Arbeit der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF), dass Griechenland noch einmal zusätzlich rund 15 Milliarden Euro benötigen wird . Statt der Ende Oktober beschlossenen 130 Milliarden Euro würden etwa 145 Milliarden Euro an staatlichen Mitteln fällig. Grund für die Lücke sei eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in Griechenland.

Regierungskreise bestätigten in dem Zusammenhang einen Bericht der „Financial Times“, wonach Deutschland sich angesichts der desolaten Lage in Griechenland dafür stark mache, dass ein „Haushalts-Beauftragter“ der EU in Athen eingesetzt wird. Dieser solle die großen Ausgaben kontrollieren. Ein Sprecher der griechischen Regierung wies den Vorstoß jedoch zurück, auch EU-Vertreter reagierten skeptisch.

Vereinbarung zu Schuldenschnitt kommende Woche möglich

Die Gespräche zwischen griechischer Regierung und ihren privaten Gläubigern wurden am Samstagabend unterbrochen. Die Verhandler der Investoren kündigten an, dass ein vorläufiges Abkommen über einen Schuldenschnitt kommende Woche offiziell abgeschlossen werden könnte. Unter der Einigung würden die griechischen Staatsanleihen im Wert von 206 Milliarden Euro, die die Investoren besitzen, gegen neue Bonds eingetauscht, die 60 Prozent weniger wert sind.

Bundeskanzlerin Angela Merkel bekannte sich vor dem Gipfel erneut klar zum Euro. Dieser sei ein „entscheidender Schritt zu einer tieferen europäischen Integration, den man nicht ohne schwerwiegende Folgen und große Risiken rückgängig machen könnte“, sagte die CDU-Vorsitzende Kanzlerin der „Bild am Sonntag“. Gerade die Deutschen hätten vom Euro sehr profitiert. Mit Blick auf die Diskussion um einen Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone sagte Merkel: „Wir haben derzeit 17 Euro-Staaten, und ich rechne damit, dass es mehr werden.“

Widerstand von CSU und FDP

In der Berliner Koalition formiert sich dagegen Widerstand gegen mögliche weitere Hilfen für Griechenland. „Für Reformstillstand gibt es kein Geld“, sagte CSU-Chef Horst Seehofer dem „Spiegel“. Die CSU lehne neue Hilfen für Griechenland über die beschlossenen Programme hinaus ab. Der bayerische Ministerpräsident hält außerdem die Folgen eines Austritts Griechenlands aus der Euro-Zone für beherrschbar und verkraftbar.

+++ Euro-Zone ringt um Schulden-Schnitt für Griechenland +++

Der FDP-Chef und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler sagte der „Bild“-Zeitung: (Montagausgabe): „Wir brauchen bei der Umsetzung des Reformkurses mehr Führung und Überwachung. Wenn dies den Griechen nicht selbst gelingt, müssen Führung und Überwachung stärker von außen kommen, zum Beispiel durch die EU.“ Rösler zeigte sich äußerst unzufrieden mit dem Stand der Reformen in Griechenland.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe drohte Athen mit einem Zahlungsstopp. „Weitere Hilfen für Griechenland machen nur bei ausreichenden Eigenanstrengungen Sinn“, sagte Gröhe „Spiegel online“.

Streit um neuen Rettungsschirm ESM

Unterdessen verhinderte die Unionsfraktion unter Führung ihres Vorsitzenden Volker Kauder (CDU) nach Informationen der „Bild am Sonntag“ einen Plan der Kanzlerin zur Aufstockung des ESM. Demnach wollte Merkel Geld aus dem auslaufenden Euro-Rettungsschirm EFSF in den künftigen Rettungsschirm ESM verschieben. Die Überführung der Restgelder hätte jedoch den deutschen Haftungsrahmen über die festgeschriebene Grenze von 211 Milliarden Euro ausgedehnt. Das lehnten Kauder und die Fraktion offenbar ab. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion, Peter Altmaier, sagte dem Hessischen Rundfunk am Sonntag, er sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht überzeugt, „dass eine Erhöhung des ESM Sinn macht“.

Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann forderte dagegen eine bessere Ausstattung des ESM. „Ich würde meinem Parlament jedenfalls nicht versprechen, dass wir mit 500 Milliarden Euro auskommen“, sagte er dem „Spiegel“. „Die Finanzmärkte beobachten uns ganz genau und machen an der Höhe der Brandmauer fest, wie stark wir sind.“

Auch IWF-Chefin Christine Lagarde verlangte beim Weltwirtschaftsforum mehr Anstrengungen der Euro-Länder. Sie rief die 17 Euro-Staaten auf, eine klare Schutzmauer aufzubauen, um die derzeitige Schuldenkrise zu begrenzen und das Vertrauen wiederherzustellen. Auch warb sie für eine bessere finanzielle Ausstattung des IWF.

Der Finanzexperte Guntram Wolff vom Brüsseler Thinktank Bruegel forderte im dapd-Interview, dass Deutschland zur Rettung Griechenlands rund 27 Milliarden Euro abschreiben müsse. „Anders geht es nicht, denn die Wirtschaft wird stranguliert, da können sich die Griechen noch so sehr auf die Hinterbeine stellen.“

Wenn sich die EZB und die Euroländer nicht am Schuldenerlass des Privatsektors beteiligten, „dann provoziert man eine menschliche, eine wirtschaftliche und letztlich eine politische Katastrophe“, sagte Wolff. „Und es ist nicht in unserem Interesse, dass Griechenland im Chaos versinkt.“

Europaparlamentarier üben scharfe Kritik an Bundesregierung

Führende deutsche EU-Abgeordnete haben dem Verstoß der Bundesregierung, Griechenland unter Aufsicht eines Sparkommissars zu stellen, eine Absage erteilt. „Berlin sollte mit seinen Vorschlägen vorsichtig sein“, sagte der Chef der CSU-Gruppe im Europaparlament, Markus Ferber, der Tageszeitung „Die Welt“ (Montag). Man sollte nichts verlangen, was man selber nicht zu akzeptieren bereit wäre. Das Bundesverfassungsgericht habe seinerzeit beim Urteil zum Vertrag von Lissabon festgestellt, dass das Budgetrecht ein Kernelement staatlicher Souveränität sei und nicht angetastet werden dürfe.

Zudem habe die Beobachtermission aus Internationalem Währungsfonds (IWF), EU-Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB) bereits eine Aufsichtsfunktion, fügte der CSU-Mann hinzu. Die Europäer sollten lieber diese sogenannte Troika stärken und das bessere Funktionieren der Verwaltung anschieben, als das Haushaltsrecht zu kassieren.

Harte Kritik kam auch vom deutschen Europaparlamentarier Jorgo Chatzimarkakis: „Mit dem Vorschlag eines Sparkommissars, der allein auf Schuldentilgung achten soll anstatt auf Investitionen für den Wirtschaftsaufschwung, setzt die wirtschaftspolitische Vernunft vollends aus“, sagte der FDP-Abgeordnete. Denkbar wäre aber ein Sparkommissar für die gesamte Euro-Zone im Rahmen der Fiskalunion. Mit Material von dpa und dapd