Der Chef der Grünen-Fraktion im Bundestag hat zudem Vorbehalte gegen Schwarz-Grün und legt der GAL den Wechsel des Koalitionspartners nahe.
Hamburg. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Jürgen Trittin, hat die Regierungsfähigkeit der Linkspartei in Nordrhein-Westfalen in Zweifel gezogen. „Anders als Herr Lafontaine möchte, erweckt die Linke in NRW nicht den Eindruck, dass sie regieren kann und will“, sagte Trittin dem Hamburger Abendblatt (Sonnabend-Ausgabe). Der scheidende Bundesvorsitzende der Linkspartei, Oskar Lafontaine, hatte für eine rot-rot-grüne Koalition nach der Landtagswahl am 9. Mai geworben.
"Wir brauchen mehr Kohl und weniger Merkel" - Jürgen Trittin im Abendblatt-Interview
Trittin äußerte zugleich Vorbehalte gegen ein Bündnis mit der CDU. „Meine Sympathie gilt Rot-Grün. Und Herr Rüttgers hat gesagt, er möchte nicht mit den Grünen regieren“, erinnerte der Fraktionsvorsitzende. „Soll ich jetzt hinter ihm herlaufen?“ Trittin bekräftigte: „Wir wollen Schwarz-Gelb in Nordrhein-Westfalen ablösen.“ Der frühere Bundesumweltminister machte deutlich, dass er eine schwarz-grüne Bundesregierung in weiter Ferne sieht. „Wer die Laufzeiten von Atomkraftwerken verlängert und neue Kohlekraftwerke baut, der möchte nicht mit den Grünen koalieren“, sagte er.
Der Hamburger GAL legte Trittin einen Wechsel des Koalitionspartners nahe. Er stelle fest, dass es „mit der SPD in vielen Fragen eine weitaus höhere Übereinstimmung gibt als mit der CDU“, sagte der Fraktionsvorsitzende. „Hamburg bildet da keine Ausnahme.“ Er bekräftigte: „Ich freue mich, dass in Städten wie Köln die Grünen nach der schwarz-grünen Periode zugelegt haben und die CDU massiv verloren hat – mit der Folge, dass dort heute Rot-Grün am Ruder ist.“
In Hamburg lasse sich gut beobachten, welche Probleme eine Koalition mit den Grünen der CDU bereite, fügte Trittin hinzu. „Kernmilieus der CDU haben eine Volksabstimmung gegen eine neue Schulpolitik erzwungen.“ Zwar gehe er davon aus, dass die Regierungskoalition die Volksabstimmung über die Schulreform gewinnen könne. Aber er mache sich „keine Illusionen darüber, was das in den Strukturen der CDU auslöst“.
Zudem warf Trittin der Bundesregierung massives Fehlverhalten im Umgang mit der Griechenland-Krise vor. „Es ist verantwortungslos, dass die Bundeskanzlerin und ihr Außenminister aus rein wahltaktischen Gründen die nationale Karte spielen und die Hilfe nach Washington delegieren“, sagte der Grünen-Politiker. „Wir müssen verhindern, dass der Süden der Euro-Zone in eine Abwärtsspirale von Rezession und Deflation gerät.“
Trittin erinnerte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) an die Europapolitik ihrer Vorgänger Helmut Kohl (CDU) und Hans-Dietrich Genscher (FDP). „Wir brauchen hier mehr Kohl und weniger Merkel, mehr Genscher und weniger Westerwelle“, sagte er.
Der Grünen-Politiker griff vor allem Westerwelle an. „Die deutschen Außenminister von Genscher über Fischer bis Steinmeier haben sich als Lobby für Europa verstanden. Herr Westerwelle ist als Lobby für Europa ein Totalausfall“, kritisierte Trittin. „Man kann es auch so sagen: Er hat sich diesen europapolitischen Schneid abkaufen lassen. Seine ganze Agenda ist eine nationalstaatlich-innenpolitische.“
Ferner kritisierte Trittin die Überlegung von Bundespräsident Horst Köhler, aus Umweltgründen die Benzinpreise zu erhöhen. „Der Benzinpreis spielt bei der Entscheidung, ob man Auto fährt oder nicht, eine untergeordnete Rolle“, sagte der Grünen-Politiker. „Will man Menschen von umweltfreundlicheren Verkehrsmitteln überzeugen, muss zunächst die Subventionierung des Autos, vor allem großer Autos, beendet werden.“
Der frühere Bundesumweltminister forderte eine Kappung des Dienstwagenprivilegs. „Autos, die mehr als 120 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausstoßen, dürfen nicht steuerlich subventioniert werden“, sagte er. Bislang können Firmen die Kosten für Anschaffung und Betrieb von Dienstwagen in Gänze von der Steuer absetzen. Außerdem solle die Markteinführung von Elektroautos staatlich gefördert werden.
Trittin kritisierte Köhler auch für die Zurückhaltung in der von Westerwelle angestoßenen Debatte um Leistungen für Langzeitarbeitslose. „In der Sozialstaatsdebatte hätte ich mir ein klareres Wort des Bundespräsidenten gewünscht“, bemängelte er. „Herr Westerwelle hat unseren Sozialstaat als Ausgeburt spätrömischer Dekadenz gebrandmarkt. Er hat Langzeitarbeitslose als Fußabtreter für die eigene politische Profilierung benutzt. Das verletzt den Konsens unserer Gesellschaft.“ Trittin bekräftigte: „Ich hätte mir gewünscht, dass Herr Köhler an diesen Grundkonsens erinnert.“
Mit seiner Kritik am Start von Schwarz-Gelb habe Köhler „nur ausgesprochen, was viele Menschen – auch Wähler von Union und FDP – denken“, sagte der Grünen-Politiker. „Schwarz-Gelb ist handlungsunfähig. Mehr als Steuersenkungen für Hoteliers bekommt diese Koalition nicht hin.“