Angela Merkel baut das Kabinett um. Familienministerin Ursula von der Leyen folgt Franz Josef Jung. Eine junge Hessin rückt auf.

Berlin. Weniger als einen Monat nach ihrem Amtsantritt ist die schwarz-gelbe Regierung von CDU-Kanzlerin Angela Merkel ins Schlingern geraten. Bundesarbeitsminister Franz Josef Jung (CDU) wurde vier Wochen nach der Vereidigung von Versäumnissen in seiner Amtszeit als Verteidigungsminister eingeholt. Unter wachsendem Druck auch aus den eigenen Reihen trat er am Freitag zurück und löste damit eine erste, rasche Kabinettsumbildung aus. Fragen richten sich dabei auch an Merkel selbst, die Jung stets vor Kritik in Schutz genommen und ihm den Rücken gestärkt hatte.

Großen Wert hatten Merkel und ihr neuer Koalitionspartner Guido Westerwelle (FDP) darauf gelegt, Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung als einen reibungslosen Prozess des Aufbruchs zu inszenieren, um nach den Worten der Kanzlerin „die Weichen für das zweite Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts zu stellen“. Stattdessen gab es erst ein langes Hickhack zwischen Union und FDP um die Finanz- und Steuerpolitik, Querelen wegen des Gesundheitsfonds und dann den Streit um die Vertriebenenstiftung.

KOMMENTAR ZUM RÜCKTRITT VON MINISTER JUNG

BERICHT VON DER KABINETTSUMBILDUNG

Ein neuer Tiefschlag ist nun das Stolpern eines CDU-Mitstreiters von Merkel über jenen fatalen Luftangriff vom 4. September in der Nähe des nordafghanischen Kundus, bei dem rund 120 Menschen getötet wurden, darunter auch dutzende Zivilisten. „Ich stehe dafür ein, dass wir nichts beschönigen werden“, hatte Merkel wenige Tage nach dem nächtlichen Bombardement im Bundestag gesagt. Genau eine solche Beschönigung und Vertuschung hat es aber, wie jetzt ans Tageslicht kam, von Seiten der Bundeswehr fast drei Monate lang gegeben.

Für Empörung sorgt in Berlin auch, dass die in Panzerschränken versteckten Lageeinschätzungen der Bundeswehr nicht etwa durch interne Aufklärungsarbeit entdeckt wurden, sondern nach Zeitungsberichten. Der Politikwissenschaftler Jürgen Falter sprach in der ARD deswegen von einer „kleinen Kabinettskrise“. Dazu trug bei, dass Merkel erst spät erkannte, dass sie zu ihrem Arbeits- und früheren Verteidigungsminister besser auf Distanz gehen sollte – im Bundestag forderte sie am Donnerstag noch „volle Transparenz“ und die Aufklärung aller Vorwürfe.

Den guten Start verdorben hat Jung auch seinem Nachfolger im Verteidigungsressort, Karl-Theodor zu Guttenberg. Zwar hat der populäre CSU-Politiker die brisanten Informationen anscheinend umgehend an Merkel weitergeleitet und mit dem Abschied von seinem Staatssekretär Peter Wichert und von Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan auch schnell personelle Konsequenzen gezogen. Er muss sich jedoch fragen lassen, ob seine öffentliche Festlegung zu den Vorgängen in Kundus Anfang November, „dass die Militärschläge und die Luftschläge vor dem Gesamtbedrohungshintergrund als militärisch angemessen zu sehen sind“, nicht reichlich voreilig war.

Wenn Schneiderhan und Wichert, möglicherweise aber auch Jung, zum Zeitpunkt des Regierungswechsels von den brisanten Lageeinschätzungen aus Afghanistan wussten, Guttenberg aber nichts davon sagten, dann hätten sie ihren neuen Chef oder Nachfolger damit ins offene Messer laufen lassen. Guttenberg müsste sich in diesem Fall fragen, ob sein wiederholt öffentlich geäußertes Vertrauen in die Leitung seines Hauses sowie in die Bundeswehr-Spitze generell gerechtfertigt ist.

Mit der schnellen Ernennung der bisherigen Familienministerin Ursula von der Leyen zur Nachfolgerin Jungs versuchte Merkel noch am Abend, die entstandene Personallücke zu schließen. Die Kanzlerin verliert damit allerdings von der Leyen als wichtiges Aushängeschild in der Familienpolitik. Sie wird durch die bislang wenig bekannte Bundestagsabgeordnete Kristina Köhler ersetzt. Und die die Debatte über den Luftschlag in Afghanistan dürfte zumindest den Unionsteil der Regierung noch monatelang belasten. Denn in dem von SPD, Grünen und Linken verlangten Untersuchungsausschuss des Bundestages könnten weitere unschöne Details zum Vorschein kommen.