Rosengarten/Harburg. Erziehung, Ernährung, Geschenke: Erwartungen gehen oft auseinander. Film „Liebe Großeltern“ hilft Eltern, sensible Themen anzusprechen.
Das Baby muss was Warmes anziehen! Ein Schokokeks schadet doch nicht! Ich habe was Tolles mitgebracht! Viele junge Eltern hören solche Sätze allzu oft, hilfreich sind sie zumeist nicht. Die gut gemeinten Ratschläge von Oma und Opa strapazieren die Nerven – zumal in einer Zeit, in der ihre erwachsenen Kinder jede echte Unterstützung gut gebrauchen können.
Wenn Eltern Großeltern werden, kommt es nicht selten zu Konflikten mit den jungen Müttern und Vätern. Zu unterschiedlich sind die Vorstellungen, wie viel Tragen dem Baby gut tut, was ein Kleinkind essen darf, wie viel Routine es braucht oder welche Geschenke in dieser Zeit sinnvoll sind.
Ratschläge von Oma und Opa: Eltern im Film „Liebe Großeltern“ finden das unnötig
Der Dokumentarfilm „Liebe Großeltern. Wenn das Enkelkind kommt…“ soll nicht nur Eltern helfen, diese Themen ohne Vorwürfe anzusprechen. Er soll auch Großeltern unterstützen, in ihre neue Rolle zu finden, typische Stolpersteine zu vermeiden und zu verstehen, was jungen Eltern wichtig ist.
Denn Mütter und Väter von heute machen sich über viele Dinge mehr Gedanken und auch Sorgen, als es vor einigen Jahrzehnten üblich war. Der Dokumentarfilm entstand nach eigenen Erfahrungen des Regisseurs und Produzenten Pierce Vaughn, der mit seiner Familie in Rosengarten südlich von Hamburg lebt.
Filmemacher haben auch Video-Reihe für junge Väter produziert
Gemeinsam mit seinem Jugendfreund Frederik Grun hat er die Plattform Family2be gegründet und bereits eine Video-Reihe für werdende Väter produziert. Für den aufwendigen 70-Minuten-Film über Großeltern kam noch Drehbuchautor Leif Wolkenhauer mit ins Boot.
Mit dem Film wollen die Filmemacher das gegenseitige Verständnis fördern. Denn ungebetene Einmischungen oder unachtsame Verhaltensweisen der Großeltern können die Beziehungen zwischen den Generationen enorm belasten. Das haben die Paare, die in Interviews von ihren Erfahrungen während Schwangerschaft, Geburt und erstem Jahr mit dem Kind berichten, in unterschiedlicher Hinsicht erlebt.
Junge Mutter: Gut gemeinte Ratschläge verunsichern uns oft
Wie Anisha und Frederik, die gemeinsam sechs Kinder haben. „Gut gemeinte Ratschläge können wie ein Stich ins Herz sein“, sagt der Vater. Egal ob es um die Blähungen des Babys, die vermeintlich auffällige Größe des Kindskopfes, ums Stillen oder Abstillen geht – viele Ratschläge seien überflüssig.
Vor allem Mütter müssen sich oft anhören, was sie anders machen sollten. Wenn all diese Tipps auf einen einprasselten, sei das schwierig, sagt Shadi, die mit ihrem Partner David vor die Kamera tritt. „Es gibt sehr viele Möglichkeiten, eine junge Mutter zu verunsichern.“
Zeit mit dem Kind? Dann bitte das Smartphone weglegen
Oder Janek und Deborah, die sich wünschen, dass ihr kleiner Sohn eine gute Beziehung zu seiner weit entfernt wohnenden Oma aufbauen kann. Wenn diese dann bei den seltenen Begegnungen das Smartphone in der Hand oder den Fernseher laufen hat, sei das schade, findet die junge Mutter. Auch beim Thema Ernährung gab es unterschiedliche Auffassungen und Konflikte.
Gitti und Franky wiederum bezeichnen sich selbst als große Fans von bedürfnisorientierter Erziehung. „Wir wollen auf Augenhöhe mit unserem Kind sein“, sagt die Mutter. Ein Kind auch mal schreien zu lassen, wie es für die Generation ihrer Eltern normal war, ist für sie undenkbar. Sie wolle ihren eigenen Eltern aber keinen Vorwurf machen. „Ich denke, sie haben ihr Bestes gegeben. Das war vielleicht nicht immer richtig. Aber genauso machen wir auch Fehler.“
Eltern müssen viele Informationen aufnehmen und vergleichen
Heutige Elternschaft folgt weniger einem einheitlichen Regelwerk, junge Mütter und Väter informieren sich über aktuelle Erkenntnisse aus der Wissenschaft, über verschiedene Angebote und mögliche Alternativen.
„Unsere Eltern haben vieles so gemacht, wie es schon ihre Eltern gemacht haben. Wir hinterfragen viel mehr“, sagt Deborah im Interview. Das zusätzliche Wissen machten das Elternsein auch manchmal schwierig. „Es ist nicht so einfach zu filtern, welche Informationen echt wertvoll und welche nur Quatsch sind.“
Kritik von den Großeltern ist auch in der Schwangerschaft wenig hilfreich
Ganz wichtig sei das Gefühl, schon in der Schwangerschaft von den eigenen Eltern bedingungslos unterstützt zu werden und keine kritischen Kommentare zu hören, betont Frederik. „So etwas lässt dich sofort zweifeln.“ Auch Deborah hat ähnliches erlebt und rät Großeltern zu mehr Rücksicht: „Wir sind in dieser besonderen Situation sowieso schon unsicher. Kritik zu hören, ist dann schwierig, besonders wenn sie von unseren Eltern kommt.“
Dabei kann die Lösung recht einfach sein, wenn Großeltern sich ihrer Verantwortung bewusst sind und sich entsprechend zurückhalten mit beiläufigen Tipps. Gitti fasst es so zusammen: „Wir geben den Ratschlag, keine ungebetenen Ratschläge zu geben.“ Dann können Oma und Opa eine echte Stütze sein und werden vielleicht auch hierzulande, wie bereits in den USA, bald mit einem jährlichen Grandparents‘ Day gefeiert.
Nach der Geburt und im Wochenbett brauchen viele Mütter und Väter Ruhe
Eine besondere Herausforderung ist die Geburt. Für viele junge Eltern ist es heute sehr wichtig, von Anfang an bewusst eine enge Beziehung zu ihrem Baby aufzubauen. Besuch von der Verwandtschaft im Wochenbett wird von einigen eher als Belastung empfunden. Großeltern sollten daher vor der Geburt klären, wann ein Besuch gewünscht ist und im Idealfall die Einladung abwarten.
Sonst kann es wie bei Anisha und Frederik laufen: Nach der Geburt hatten die Großeltern viele Anrufe der weiteren Familienmitglieder entgegengenommen, alle wollten „mal rumkommen“. Als das Elternpaar erschöpft aus dem Krankenhaus nach Hause zurückkehrte, wartete dort die gesamte Familie auf sie.
Gute Unterstützung von Oma und Opa? Vorbereitetes Essen vorbeibringen
Es sollte eine schöne Überraschung werden, sagt Frederik. Statt des Trubels hätten sie in diesem Moment aber einfach nur Ruhe gebraucht. „Im Wochenbett braucht es eigentlich nicht viel von den Großeltern“, meint auch Vater Janek. Eine Ausnahme gebe es allerdings: „Vorbereitetes Essen ist super.“
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Ein großes Thema sind häufig Geschenke. Viele Großeltern seien so voller Vorfreude, dass sie das Kind am liebsten schon vor der Geburt verwöhnen wollen, heißt es in dem Film. Aber gut gemeint, sei eben nicht immer gut. „Ich mag es absolut nicht, wenn Kinder mit Sachen überhäuft werden, die sie und auch wir gar nicht brauchen“, sagt Gitti. Im schlimmsten Fall würden die Geschenke am nächsten Tag bei Ebay landen.
Geschenke sind ein heikles Thema: Eltern wünschen sich gute Absprache
Mit dieser Haltung ist sie nicht allein, viele Eltern wünschen sich, dass sinnvolle und nachhaltige Dinge verschenkt werden. „Wir wissen ganz genau, was wir wollen und was wir nicht wollen“, beschreibt es Anisha. Deshalb sei es hilfreich, wenn Großeltern die Wünsche vorab mit den Eltern klärten.
Das neue Enkelkind steht in dieser besonderen Zeit zumeist im Mittelpunk. Der Film erinnert aber daran, dass auch die jungen Eltern Zuspruch und Aufmerksamkeit brauchen. Väter versuchen, sich in ihre neue Rolle einzufinden, Mütter kämpfen zudem mit den ungewohnten Hormonen. „Mutter zu sein ist verrückt“, sagt Deborah. „Es ist schön, aber verrückt.“
Eltern wollen ihre eigenen Erfahrungen und auch Fehler machen
Über unterschiedliche Essgewohnheiten in verschiedenen Kulturkreisen kann sie inzwischen lachen. Ganz offenbar habe es ihrem Kind nicht geschadet, frühzeitig an weichen Bohnen zu nuckeln. „Aber wir haben uns viele Gedanken darum gemacht“.
Auch solche Erkenntnisse gehören zum Alltag heutiger Eltern und Großeltern. Nicht jeder gut gemeinte Ratschlag stellt sich wirklich als falsch oder unnütz heraus. Aber die Mütter und Väter müssen und wollen ihre eigenen Erfahrungen machen und ihren eigenen Elternstil entwickeln.
„Liebe Großeltern“: Dokumentarfilm gibt Einsicht in Beziehung zu Oma und Opa
Oma und Opa können ihre erwachsenen Kinder dabei unterstützen – nur nicht ungefragt, sondern besser in enger Absprache mit den jungen Eltern. Der Dokumentarfilm „Liebe Großeltern“ gibt beiden Generationen hilfreiche Anstöße, wie diese Gespräche ohne gegenseitige Verletzungen gelingen können. Er ist vom 1. Dezember 2024 an auf der Plattform Family2be verfügbar und kostet 9,99 Euro.