Hamburg. Gerade in der kalten Jahreszeit löst häufig ein Infekt den anderen ab. Was Eltern über das Immunsystem wissen sollten und was sie tun können.
Das kennen wohl alle jungen Eltern: Ihr Kind ist kaum gesund, da ist es auch schon wieder krank. Gerade in der kalten Jahreszeit löst häufig ein Infekt den anderen ab – Motto: Nach dem Schnief ist vor dem Schnief. Das ist im besten Fall sehr anstrengend. „Viele Eltern, die in unsere Praxis kommen, machen sich aber auch große Sorgen“, sagt die Hamburger Kinderärztin Charlotte Schulz im Podcast Die KinderDocs.
Die gute Nachricht sei: Mit jedem Infekt lerne das Immunsystem des Kindes dazu. Das sei wichtig, um den Körper im Lauf des Lebens gegen Erreger zu wappnen. Und von denen gibt es sehr viele, erklärt Schulz‘ Kollegin Claudia Haupt: „Wir kennen allein rund 300 Erkältungsviren. Man kann sich leicht vorstellen, dass man – bemerkt oder unbemerkt – den einen oder anderen Infekt durchmachen muss, um die Erreger später abwehren zu können.“
Kind oft krank? Das sollten Eltern über das Immunsystem wissen
Denn nur ein Teil des Immunsystems sei angeboren. Dazu gehöre auch der sogenannte Nestschutz: Antikörper, die von der Mutter vor allem in den letzten Wochen der Schwangerschaft übertragen werden – weshalb Frühgeborene eine etwas schlechtere Grundausstattung hätten. Der andere Teil, das lernende Immunsystem, bilde sich erst im Kontakt mit der Außenwelt aus und höre mit dem Lernen auch nie auf.
Das Immunsystem müsse man sich als komplexes Zusammenspiel von Zellen, Organen und Botenstoffen vorstellen, erklären die KinderDocs. Dazu gehörten beispielsweise
- natürliche Killerzellen im Blut, die wie Sheriffs permanent auf der Suche nach Eindringlingen wie Viren und Bakterien sind;
- Fresszellen (Makrophagen), die Krankheitserreger vernichten;
- Antikörperfabriken: Zelltypen, die, von anderen Zellen und Botenstoffen gesteuert, Antikörper in großer Masse produzieren;
- Gedächtnis- oder Memoryzellen: Sie speichern Informationen über einen Erreger und sorgen dafür, dass wir ihn bei einem späteren Kontakt gezielt abwehren können; dieses Prinzip mache sich die Medizin auch bei Impfungen zunutze.
Bliebe die Frage: Warum werden manche Kinder scheinbar ständig krank und andere so gut wie nie? Darüber werde auch in der Medizin gerätselt. Haupt: „Das eine Kind macht vielleicht gerade einen Entwicklungsschub durch oder hat zwei Erreger zur gleichen Zeit abzuwehren, oder es ballt sich vielleicht ein bisschen, weil es das Drittgeborene ist.“
Infektionen bei Kindern: Zu viel Hygiene schadet dem Immunsystem
Wieder andere Kinder könnten besonders gut Botenstoffe ausschütten, erklärt Schulz: „Wir haben oftmals Kinder, die bei jedem Infekt total schlapp sind und hoch fiebern. Wir nennen sie manchmal unsere Fieberathleten.“ Das sei aber für das Immunsystem nicht besser oder schlechter, als wenn Kinder einen Infekt beinahe unbemerkt durchmachten. Haupt: „Zehn bis zwölf fieberhafte Infekte im Jahr sind für ein Kleinkind normal.“
Auch bei der Frage, ob man die Kleinen vor Infekten schützen sollte, können die KinderDocs Eltern beruhigen. „Eltern sind gut beraten, wenn sie das normale Leben zulassen und nicht übermäßig hygienisch sind, also zum Beispiel den Kindern nach jedem Kontakt mit der Außenwelt die Hände waschen oder alles desinfizieren“, sagt Schulz.
Im Gegenteil: Bringe man das Abwehrsystem nicht mit natürlichen Fremdstoffen in Berührung, könne es sich nicht weiterentwickeln. „In immunologischen Kreisen wird sogar, bildlich gesprochen, über eine Dreckimpfung nachgedacht, weil wir uns in den industrialisierten Ländern immer weiter von der Natur entfernen“, sagt Haupt.
Das bedeute nicht, dass man die Kinder mit Dreck füttern solle. Aber wenn der Schnuller einmal kurz auf dem Küchenboden gelegen habe und ihn ein Kind wieder in den Mund stecke, „geht nicht gleich die Welt unter“. Passiere das Gleiche in einem Einkaufszentrum und mit einem Kind im Säuglingsalter, sei hingegen Vorsicht geboten. Haupt: „Der gesunde Menschenverstand sollte uns leiten.“
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Es gebe allerdings auch Infektionen und Verläufe, die über ein gesundes Maß hinausgingen: etwa wenn ein kleines Kind schon mehrere bakterielle Lungenentzündungen durchlitten hat, eine Erkrankung partout nicht loswird oder eine schwere Infektion erleidet. „Aber das ist die absolute Ausnahme“, sagt Schulz: „Die Eltern können sich darauf verlassen, dass in solchen Fällen bei jedem Kinderarzt rechtzeitig die Alarmglocke klingelt.“
Was Familien mit Haustieren beachten sollten, welche Rolle Ernährung und ein gutes Wohnklima spielen und wie die Psyche mit dem Immunsystem zusammenhängt, erfahren Sie ebenfalls in dieser Folge der KinderDocs.