Hamburg. Bethesda Krankenhaus Bergedorf will mit Neuerung für eine optimale Mutter-Kind-Bindung sorgen. Eltern berichten von besonderer Geburt.
Der kleine Henry hat meist die Äuglein zu und schläft friedlich auf dem Arm seiner Mama Lina Schenk. Die war wiederum neugierig und wollte unbedingt zugucken, als ihr Sohn auf die Welt kam. Erst war eine normale Geburt im Bethesda Krankenhaus in Bergedorf geplant, aber „dann habe ich mich doch spontan für einen Kaiserschnitt entschieden“, erzählt Schenk.
Und so gehört die 23-Jährige zu den ersten Frauen, die das neue Tuch nutzen konnten. Bislang verhinderte ein Sichtschutz zwar eine Keimübertragung im Kreißsaal, aber ebenso einen freien Blick. Nun gibt es eine Neuerung: Das Tuch hat ein 40 mal 50 Zentimeter großes Sichtfenster und erlaubt den Eltern, den Kaiserschnitt zu beobachten.
Bethesda Bergedorf: OP-Tuch mit Sichtfenster beim Kaiserschnitt
„Wir wollen eine optimale Mutter-Kind-Bindung gestalten. Das Tuch mit Durchblick ermöglicht auch bei einer Spinalanästhesie eine Art Geburtserlebnis, was psychologisch von Wichtigkeit ist“, sagt Dr. Martin Neuß. Der Chefarzt der Gynäkologie ergänzt, dass nicht alle Details zu sehen sind, denn „da ist ja noch der Bauch davor“.
Sie habe „nichts Schlimmes, also kein Blut und keine Wunde“ gesehen, sagt Lina Schenk. Das können sie auch bloß bei anderen Menschen. Denn die junge Mutter ist Krankenschwester und war während ihrer Ausbildung auch schon bei einem Kaiserschnitt dabei. So hatte sie zumindest Henrys Vater in diesem Bereich einige Erfahrungen voraus. Falk Stiehl (26) ist Kälteanlagenbauer und freut sich, dass er seinen Sohn schon nach vier Tagen sein Zuhause in Kirchwerder zeigen konnte.
Es sei oft die Angst vor Schmerzen und vor einem Kontrollverlust, die Frauen dazu bringt, einen Kaiserschnitt zu wünschen: „Im vergangenen Jahr musste ich unsere hohe Kaiserschnittrate von 32 Prozent sogar vor der Ärztekammer begründen“, sagt Martin Neuß und erinnert sich an eine besondere Begründung: „Da war der Vater Seemann und viel unterwegs. Deshalb war die Geburt terminlich geplant.“
Geburt per Kaiserschnitt: Vielfach medizinische Gründe für einen
Vielfach sei ein Kaiserschnitt auch schlichtweg notwendig: Zehn Prozent dieser Fälle seien im Vorfeld medizinisch begründet, weitere 15 Prozent erfordern „unter Geburt“ einen Kaiserschnitt, etwa wenn sich die Nabelschnur umwickelt hat und das Baby schlechte Herztöne hat, erläutert der Arzt. Er arbeitet seit 2015 im Bergedorfer Agaplesion Bethesda Krankenhaus und muss leider jährlich auch fünf bis sechs Mütter mit toten Kindern betreuen.
Lachgas, Lieblingsmusik, Pezziball und Unter-Wasser-Geburten: Ein bisschen Werbung braucht es schon für eine Geburtstklinik, die monatlich zwei Info-Abende am Glindersweg anbietet. Werdenden Eltern wird hier grundsätzlich eine natürliche Geburt empfohlen, wenn die auch einige Stunden länger dauert.
Chefarzt: „Ab 1000 Geburten amortisieren sich die hohen Personalkosten“
„Beim Kaiserschnitt brauchen wir vielleicht eine halbe Stunde, nach nur drei Minuten ist das Kind schon da.“ Und man werde auch nicht am Wochenende oder nachts überrascht, wenn weniger Personal eingeteilt ist, so Neuß, der die Zahlen im Blick hat: „Ab 1000 Geburten amortisieren sich die hohen Personalkosten. Unsere höchste Zahl lag 2017 bei 870 Geburten.“
Auch interessant
- Urnenkammer auf Bergedorfer Friedhof: Die Nachfrage für Kolumbarium ist groß
- Unfall in Reinbek: Pkw hebt ab und brettert in VW – Apple Watch löst Notruf aus
- Hinz&Kunzt: Kein Kleingeld? Obdachlosenmagazin akzeptiert bald Kartenzahlung
Aktuell werden in Bergedorf 493 Geburten gezählt, das sind 22 Babys mehr als im vergangenen Jahr zur selben Zeit im Oktober. Das könnten durchaus mehr werden, falls das Geesthachter Johanniter-Krankenhaus tatsächlich geschlossen wird. Aber Zwillinge sind selten dabei: „Weil man dafür mehr Personal braucht, verweisen wir die Eltern beispielsweise nach Barmbek oder ins Marienkrankenhaus.“
Bei einer anderen Zahl mag die Mutter des kleinen Henry eine Ausnahme sein mit ihren 23 Jahren: Das Durchschnittsalter liegt bei 31 Jahren. „Viele Migranten allerdings werden noch deutlich früher Eltern, aber passt sich kulturell auch schon langsam an“, beobachtet Chefarzt Martin Neuß. Er freut sich, dass das Bethesda seit zwei Jahren als „babyfreundliches Krankenhaus“ zertifiziert ist.