„Ich in der Beste“ sagt Lars von Trier, Ken Loach mag's bescheiden und Quentin Tarantino hält das Filmfestival für die „Olympischen Spiele des Kinos“.
Cannes. Ist es Größenwahn oder eine entwaffnend ehrliche Selbsteinschätzung? „Ich bin der beste Regisseur der Welt“, erklärte der dänische Regisseur Lars von Trier (53) am Montag beim Filmfestival in Cannes. „Ich fühle das einfach.“ Angesichts der überwiegend negativen Reaktionen auf seinen Wettbewerbsbeitrag „Antichrist“ schränkte er jedoch ein: „Das bedeutet nicht, dass das mein bester Film ist.“
Andere Regisseure würden sich bestimmt auch für die Besten halten, meinte von Trier. „Aber die sagen es nicht.“ Ob das auch für den Briten Ken Loach zutrifft, der wie von Trier in Cannes bereits eine Goldene Palme gewonnen hat, ist fraglich. Freundlich, bescheiden und winzig saß der 72-Jährige neben dem imposanten Fußball-Riesen Eric Cantona, der in der herzerfrischenden Komödie „Looking For Eric“ sich selbst spielt, vor der Presse.
Loach wurde nicht müde, die Vorteile der Teamarbeit zu preisen. Ob Film oder Fußball, „die besten Sachen, die wir tun, tun wir als Team“. Doch weder Loach noch von Trier dürften in diesem Jahr realistische Chancen haben, eine zweite Palme mit nach Hause zu nehmen. Da gilt zur Halbzeit des Wettbewerbs eher der Franzose Jacques Audiard mit seinem Gefängnisdrama „Un Prophète“ als Favorit. Loachs Film über einen fußballverrückten Postboten, der durch sein Idol Cantona aus einer Lebenskrise findet, ist ein bodenständiger Spaß mit einem menschenfreundlichen Drehbuch von Paul Laferty, der sein langem erfolgreich mit dem Regisseur zusammenarbeitet. Das Schönste an „Looking For Eric“ waren die fröhlichen Gesichter des Publikums nach der Vorführung. Endlich, so war die Grundstimmung nach viel schwerer Kinokost, endlich mal etwas zum Lachen und Wohlfühlen.
Lars von Trier dagegen hat aus seinem Seelenleid nie ein Geheimnis gemacht und gilt mit Dramen wie „Breaking The Waves“ und „Dancer In The Dark“ als Meister des Psychodramas. Nun bereichert er das Genre des therapeutischen Films mit „Antichrist“ um eine Horrorvariante. Sein Werk mit Charlotte Gainsbourg und Willem Dafoe führt aber in so tief neurotische Bereiche und Obsessionen, dass ihm nicht jeder folgen kann und auch gar nicht folgen will. Erklärungen oder Deutungshilfen lehnte von Trier am Montag ab. Dieses Werk habe er ohnehin aus einer langen, schweren Depression heraus „für mich selbst gedreht, nicht für das Publikum“.
Ein kleiner Junge fällt aus dem Fenster, während seine Eltern miteinander schlafen. Die Mutter trauert, der Vater – ein Psychotherapeut – bricht bedenkenlos mit dem Tabu seines Berufsstandes und behandelt seine Frau, unter anderem mit dem totalen Rückzug in eine einsame Hütte im Wald. Am Ende der mit märchenhaften Elementen gespickten Geschichte steht die Frau als schuldhafte Hexe da und wird von ihrem Mann getötet. Zuvor hat sie ihm unter anderem das Bein durchbohrt, einen Schleifstein über seinen Fuß gepflockt und sich selbst mit einer Schere genital verstümmelt – in Großaufnahme.
„Antichrist“ ist unter anderem mit Geldern der Filmstiftung NRW im Bergischen Land bei Köln gedreht worden. Er habe den Wald auch woanders finden können, das sei nur eine Frage der Finanzen gewesen, sagte von Trier unverblümt. Auch am Hotel der Filmcrew in der deutschen Provinz ließ er kein gutes Haar: „Wenn ich nicht schon vorher Depressionen gehabt hätte, dort hätte ich sie bekommen.“ Erst später rückte er seine Äußerungen über den deutschen Dreh zurecht und meinte, das sei vielleicht nicht ganz fair gewesen. „Wir waren dort umgeben von sehr guten und freundlichen Menschen.“
Etwas entspannter - und sportlicher - nimmt es da Quentin Tarantino. Für den Regisseur sind die Filmfestspiele in Cannes eine Art „Olympische Spiele des Kinos“. „Wenn du einen Film gemacht hast, auf den du stolz bist, und an dem du gemessen wirst, dann sind für mich nicht die Oscar-Verleihungen der Traum“, sagte der 46-jährige US-Amerikaner Tarantino („Pulp Fiction“) dem Branchenblatt „Variety“ vom Montag. Die Oscar-Show sei zwar wunderbar. „Es ist aber mein Traum, einen Film immer in Cannes vorstellen zu können.“
Deswegen habe er sich auch beeilt, um mit seinem neuen Werk „Inglorious Basterds“ rechtzeitig für das Festival fertig zu werden, sagte Tarantino, der 1994 mit „Pulp Fiction“ die Goldene Palme bekam. Mit vier Gewinnern der Goldenen Palme im Wettbewerb – Jane Campion, Lars von Trier, Ken Loach und ihm selbst – sei es für Autoren ein besonders aufregendes Jahr in Cannes.
„Inglorious Basterds“ mit Brad Pitt, Daniel Brühl und Til Schweiger läuft im offiziellen Wettbewerb des Festivals. Der Anti- Nazi-Kriegsfilm erzählt die Geschichte der „Basterds“, einer Gruppe jüdischer US-Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg Nazis skalpieren.