Hamburg. Ab 1. Juli leitet die bisherige Kuratorin das Kunsthaus Hamburg. Sie will den Nachwuchs noch stärker fördern, damit er nicht abwandert.
Noch einmal durchatmen, bevor das neue Amt alles von ihr abverlangt: Erfrischt von einem Wochenende in der Holsteinischen Schweiz, wo der Autor und Musiker Rocko Schamoni seine Ferienwohnung vermietet, kommt Anna Nowak ins Kunsthaus zum Interview. Dass recht spontan noch ein Fotoshooting anberaumt wurde, stört sie nicht im geringsten. Man merkt ihr die Vorfreude am Strahlen im sommersprossigen Gesicht an. Darauf, am 1. Juli die Geschäftsführung und Künstlerische Leitung des Ausstellungshauses von ihrer Vorgängerin Katja Schroeder zu übernehmen.
Sie war es, die Anna Nowak vor fünf Jahren an den Klosterwall holte. In dieser Zeit hat sie große Einzelausstellungen mit jungen Künstlern wie Leyla Yenirce und Carlos León Zambrano kuratiert. „Was mich daran so fasziniert hat, war, den Raum jedes Mal zu verändern, die Halle in ihrer Vielfalt zu nutzen, Wände zu verändern, Fenster abzudecken, eine verdunkelte Halle zu schaffen, um dort Video und Sound zu präsentieren.“
Museum Hamburg: Neue Leiterin will Kunsthaus internationaler machen
Im Zuge der Bewerbung um die Leitungsposition setzte sie sich intensiv mit der Geschichte und den Werten des Kunsthauses auseinander. Es wurde vor 60 Jahren auf Initiative von Hamburger Künstlerinnen und Künstlern durch die Kulturbehörde gegründet und wird von dieser bis heute gefördert. Die regionale Verankerung findet Anna Nowak weiterhin wichtig, nicht zuletzt, um sich von anderen Museen und Galerien in der Stadt abzugrenzen.
Doch „ihr“ Kunsthaus soll auch divers und offen sein, eine global vernetzende Funktion für Hamburger Kunstschaffende haben. So sollen etwa internationale Künstler sich durchaus mit hiesigen Themen auseinandersetzen oder aufstrebende Künstler in Kontakt mit bereits etablierten Akteuren kommen. Mit diesem Konzept bewarb sich die 42-Jährige um die Stelle – und setzte sich am Ende gegen neun Mitbewerberinnen und -bewerber durch.
Anna Nowak will Nachwuchs stärker fördern und ausstellen
Das Alleinstellungsmerkmal, den künstlerischen Nachwuchs zu fördern und auszustellen, soll noch verstärkt werden. Das bereits etablierte Arbeitsstipendium und auch die jährliche Nachwuchs-Ausstellung „Nominees“ werden weitergeführt, ebenso der enge Austausch mit den Kunsthochschulen. „Dabei möchte ich intensiv mit den Künstlerinnen und Künstlern an neuen Werken eigens für die Halle arbeiten.“ Die Disziplinen sind dabei offen, von Malerei bis Installation und Fotografie.
Außerdem in ihrem Fokus: „Kommunikation und Vermittlung. Wie können wir Ausstellungen machen, die die festen Strukturen verlassen und sichtbarer in der Stadt werden?“ Dafür soll die Arbeit des Stadtkurators in Verbindung mit Kunst im öffentlichen Raum wiederaufgenommen und ans Kunsthaus angebunden werden.
Verhindern, dass junge Künstler in andere Städte abwandern
Auch die Aufnahme in die Kunstmeile sowie Kooperationen sowohl mit kleineren Initiativen als auch großen Museen strebt Anna Nowak an. Die gerade eröffnete Ausstellung „Speaking Back. Decolonizing Nordic Narratives“ etwa wird ihre Ergänzung im MARKK finden. Die Mitglieder des Berufsverbands Bildender Künstlerinnen und Künstler Hamburg e. V. (BBK) will sie über die Jahresausstellung hinaus stärker in die Arbeit des Kunsthauses in Form von Führungen oder Atelierbesuchen einbeziehen.
Dabei geht es einerseits darum, andere Zielgruppen anzusprechen und insgesamt ein größeres Publikum zu erreichen und andererseits um gesellschaftliche Relevanz. „Die bildende Kunst hat es nicht einfach. Theater und Musik werden auf politischer Ebene stärker wahrgenommen, gefördert und auch touristisch vermarktet. Ich möchte am Kunsthaus eine Base schaffen für die Szene und somit auch verhindern, dass junge Künstlerinnen und Künstler von Hamburg in andere Städte abwandern.“
Zum 60. Jubiläum gibt es Party und Podiumsdiskussion
Unter Katja Schroeder wurden die Ausstellungseröffnungen stets groß gefeiert, von den Partys, bei denen Bands auftraten und Performances dargeboten wurden, wurde meist noch Tage später gesprochen. Auch Anna Nowak will dies fortsetzen; das nächste große Ereignis wird das 60. Jubiläum des Kunsthaus Hamburg im Oktober sein. Dazu will die Leiterin in spe an einem ganzen Wochenende Hamburger Musiker einladen, aber auch eine Podiumsdiskussion veranstalten. Ihre Forderung: „Bildende Kunst muss politisch mehr wahrgenommen werden!“
In Polen geboren und aufgewachsen, kam sie mit sieben Jahren mit ihrer Familie nach Deutschland. Ihr Interesse an der Kunstvermittlung wurde im Kunstunterricht geweckt: „Unsere Lehrerin zeigte uns das Gemälde ,Die Arnolfini-Hochzeit’ von Jan van Eyck. Ich mochte das Bild eigentlich nicht. Aber je mehr wir uns mit dem Gemälde beschäftigten, die Symbole deuteten und die Geschichte dahinter entdeckten, desto mehr kippte meine Ablehnung in großes Interesse.“
Anna Nowak: „documenta 13 war spannend, aber harte Arbeit“
Sie studierte Europäische und Ostasiatische Kunstgeschichte und Ethnologie zunächst in Heidelberg, zog dann nach Berlin und absolvierte ein Semester in Paris. „Mich hat das Fremde immer interessiert. Das global vernetzte Denken, das ich auch jetzt in meine Arbeit integriere, war bei mir schon früh angelegt.“
Das erste Praktikum machte sie 2003 am Museum Ludwig in Köln; es folgten weitere, etwa in der Neuen Nationalgalerie und der Helmut Newton Stiftung in Berlin. 2011/12 war sie kuratorische Assistentin bei der documenta 13. „Das eröffnete mir eine internationale, sehr spannende Welt, es war ein tolles Erlebnis. Aber auch sehr harte Arbeit, ich habe 20 Ausstellungen in der Zeit betreut mit einem eigenen Team.“ Nach Hamburg kam sie vor über zehn Jahren über die Galerie Sfeir-Semler, die auf Kunst im arabischen Raum spezialisiert ist.
Museum Hamburg: Viele junge Frauen im künftigen Ausstellungsprogramm vertreten
Durch ihre verschiedenen Stationen im Kunstbetrieb hat Anna Nowak einen differenzierten Blick auf die Stadt. Und sie hat Ideen, wie sie andere Zielgruppen künftig erreichen könnte, zum Beispiel durch Kontakte in der Nachbarschaft: „Hier entstehen gerade so viele Hotels, warum nicht mit denen eine Kooperation schließen, um die Besucher der Stadt in unser Haus zu holen?“
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Auch inhaltlich stehen die kommenden zwei Jahre schon. Dabei spielt das Kollektive in der Kunst und die Frage, wie wir in Zukunft leben wollen, eine starke Rolle. Während sie von den künftigen Projekten erzählt, fällt ihr selbst auf, dass sie bislang nur Frauen im Programm hat: „Es gibt ebenso viele talentierte Künstlerinnen“, sagt sie lachend. Zum Beispiel die junge Münchner Video- und Performance-Künstlerin Rosanna Graf, die ab Oktober ihre erste Einzelausstellung eröffnen wird. In deren magischen, abgründigen Fantasiewelten kämpfen Hexen, Geister und Vampire gegen überholte Klischees. Kunsthaus Hamburg, next level.