Hamburg. „Speaking Back“ lenkt den Blick auf häufig übersehenen Aspekt des Kolonialismus – über Traumata und Spätfolgen in der samischen Kunst.

Fast niedlich wirkt der Trickfilm „Campfire In A Zoo“, den Annika Dahlsten und Markku Laakso bei der Ausstellung „Speaking Back“ im Kunsthaus zeigen. Auf fünf Bildschirmen sieht man Puppen, die sich in einer ungewohnten Tracht auf eine Hochzeit vorbereiten – und nur ein Erzähler auf dem sechsten Schirm gibt einen Hinweis darauf, was man hier tatsächlich sieht. Laaksos Vorfahren nämlich zogen als Schausteller vor 100 Jahren durch Mitteleuropa und zeigten vor allem in Zoos ein Zerrbild der samischen Kultur – „Campfire In A Zoo“ zeigt eine Menschenschau unter kolonialen Vorzeichen.

Ausstellung Hamburg: Kolonialismus gab es auch im Norden

Postkoloniale Perspektiven sind auch in der Kunst wichtig. Allerdings geht es dabei meist um den Globalen Süden. Dass aber auch in Nordeuropa Gesellschaften kolonisiert wurden, wird übersehen. Ein Beispiel: die Samen, die eine Sapmi genannte Region im Norden Fennoskandinaviens besiedeln und die im Laufe des Mittelalters von Dänemark-Norwegen, Schweden-Finnland und Russland unterworfen wurden. „Speaking Back“ untersucht die Traumata und Spätfolgen dieser Kolonisierung in der samischen Kunst – und stellt die Frage, inwiefern der antisamische Rassismus sich in Mitteleuropa fortsetzte.

Denn: Die Rassenlehre aus Finnland und Skandinavien fiel insbesondere in Deutschland auf fruchtbaren Boden. Minna Henriksons großformatige Wandzeichnung „Nordic Race Science“ zeichnet Verbindungslinien nach, die von schwedischen Genealogen direkt zu den Nationalsozialisten führen. Weil diese nämlich die „arisch-nordische Rasse“ als evolutionär höchststehende menschliche Entwicklungsform interpretierten und begeistert die Theorien von den angeblich minderwertigen Samen aufnahmen.

Helanders Fotografien zeigen, wie die Bergbauindustrie die Landschaft Sapmis deformiert

Zumal Skandinavien auch wirtschaftspolitisch für die Nazis von Interesse war. Die Eisenerzlagerstätten um das schwedische Kiruna etwa waren wichtig für die Militärindustrie. Praktisch, dass um Kiruna vor allem Samen siedeln, die auch in Schweden diskriminiert wurden. Eine Diskriminierung, die bis in die Gegenwart andauert: Marja Helanders hochästhetische Fotografien zeigen, wie sehr die Bergbauindustrie die Landschaft Sapmis deformiert. Was sie nur andeuten: Wie wenig von den erzielten Gewinnen tatsächlich bei den Samen ankommt, auch das eine klassische Folge des Kolonialismus.

Hamburg als Kolonialismus-Hauptstadt Deutschlands ist sicher der beste Ort für „Speaking Back“. Kooperationspartner ist das MARKK, das eine bis heute kaum aufgearbeitete Sammlung samischer Artefakte besitzt. Und vielleicht startet die Aufarbeitung jetzt – im September wird es in Rotherbaum eine Anschlussausstellung geben.

„Speaking Back“ bis 1. Oktober, Kunsthaus Hamburg, Klosterwall 15, www.kunsthaushamburg.de