Hamburg. Zum Auftakt ist eine große Gemeinschaftsschau zu sehen. Danach widmet sich das Haus kontroversen Themen.

Das hat es in 75 Jahren noch nie gegeben: eine Jahresausstellung ganz ohne Jury-Auswahl! Zum Jubiläum und weil die Zeiten ohnehin besondere sind, lautet das diesjährige Motto des Berufsverbands Bildender Künstler*innen „Jetzt: alle“.

„Nach drei Jahren Pandemie wollten wir allen Mitgliedern die Möglichkeit geben, gesehen zu werden“, sagt Maren Goldenbaum-Henkel, die die Schau im Kunsthaus Hamburg mit organisiert hat.

160 der insgesamt 600 Künstlerinnen und Künstler haben Arbeiten beigesteuert, darunter Tanja Hehemann, Silke Rath und Thomas Kälberloh. Malerei, Fotografie, Skulptur, audiovisuelle, virtuelle und 3-D-Kunstwerke sind dabei.

„Jetzt: alle“ – bemerkenswerte Materialvielfalt im Kunsthaus Hamburg

Bemerkenswert ist auch die Materialvielfalt, mit der gearbeitet wurde. So hat Marnie Moldenhauer eine Fächerkoralle mit Stickgarn durchwebt und „Wiederbelebungsversuch“ genannt. Xiaomin Liu will mit ihrer Arbeit „Mittelmeersand“ auf Klimawandel und Aussterben zahlreicher Tier- und Pflanzenarten hinweisen: Die einen Panda zeigende Tuschemalerei steckt in einer PET-Flasche, die rot blinkende Batterie verdeutlicht die alarmierende Situation.

Von Anne Reiter stammt die alte mit Textilfarbe bekleckste DDR-Arbeitsjacke ihres Vaters, die er bei Interventionen entlang der Elbe trug – eine Anspielung auf den Annäherungsversuch zwischen Ost und West. Lela Gabunia porträtiert die 19-jährige Georgierin Mako Gomuri, die bei einer Demonstration 2019 in Tbilisi ihr rechtes Auge verlor; die Künstlerin wird am 12. März eine Performance zu diesem Thema geben.

Außerdem werden Kurzfilmabende, Diskussionen und eine Por­trät-Aktion rund um die Ausstellung veranstaltet, um in einen lebendigen Austausch mit dem Publikum zu treten.

Situation der Samen und anderer Minderheiten beleuchten

Für Gesprächsstoff dürfte die darauf folgende Ausstellung sorgen: „Exzentrische 80er“ (ab 24. März) porträtiert die Künstlerinnen Tabea Blumenschein, Hilka Nordhausen und Rabe perplexum, die mit kollaborativer und performativer Arbeitsweise jenseits gesellschaftlicher Normen Kunst und Subkultur schafften und damit eine Gegenerzählung zur männlich dominierten bundesrepublikanischen Wirklichkeit schildern.

Ab 3. Juni setzt sich das Kunsthaus mit Kolonialismus im europäischen Norden und seinen historischen und heutigen Bezügen zu Deutschland auseinander. Das Kunst- und Rechercheprojekt „Speaking Back“ beleuchtet die Situation der Samen und anderen Minderheiten und will auf rassistische Strukturen des kolonialen Überlegenheitsanspruchs aufmerksam machen, die auch heute noch in Denkweisen und Handlungsweisen der sogenannten Mehrheitsgesellschaft weit verbreitet sind. Parallel dazu startet auch im MARKK eine Ausstellung zu Thema.

„Jetzt: alle“ bis 12.3., Kunsthaus Hamburg (U Steinstraße), Klosterwall 15, Di–So 11.00–18.00, Eintritt 5,-/3,- (erm.), weitere Infos: www.kunsthaushamburg.de