Von halluzinierenden Cops und armenischen Büffeln im Angesicht des Todes – Der Tag der Grenzerfahrungen beim Filmfest Hamburg.

Hamburg. Der Film beschert uns komische Momente, ernst Momente und solche, in denen uns die Brüchigkeit der Existenz so richtig unter die Haut kriecht. Unweigerlich fällt einem da der Name Werner Herzog ein. Dieses Urgestein des deutschen Autorenfilms macht seit langem mal wieder von sich reden. Sein Film „Bad Lieutenant: Port Of Call New Orleans“ erntete bereits bei den Filmfestivals in Venedig und Toronto einige Kritikerlorbeeren. Und so lockte der Film am Mittwochabend etliche Neugierige ins Cinemaxx. Nicolas Cage beweist darin erneut, dass er am besten ist, wenn er Menschen unter Rauschmitteln spielt. Mit den üblichen eineinhalb Gesichtsausdrücken gibt er einen Cop, der in New Orleans erst einen Häftling aus den von Hurricane „Katrina“ angerichteten Fluten rettet, sich den Rücken verhebt und fortan süchtig nach allerlei verbotenen Substanzen ist.

Der Film und der schleichende Realitätsverlust seiner Hauptfigur beschert dem Zuschauer reichlich düstere aber auch etliche ironische Momente, wenn Cage über zwei Leguane halluziniert und dazu ein Song mit der Liedzeile „Set Me Free“ erklingt. Es wurde bisweilen herzhaft gelacht im Cinemaxx. Da nahm man im Anschluss lieber ein gepflegtes Getränk an der Biertheke zu sich. Ganz ohne Halluzinationen. Wer sich schon ganz auf Thriller eingegroovt hatte, konnte zu später Stunde dann noch ins Metropolis weiterziehen, wo erneut die viel gelobte Stieg-Larsson-Verfilmung „Verblendung“ über die Leinwand flimmerte. Und da zeigte sich, dass das Publikum auch diese Festivalstätte inzwischen bestens akzeptiert hat. Obwohl der Film bis weit nach Mitternacht lief, war der Saal rappelvoll.

Es wurde ja oft geschrieben, ist aber immer wieder wahr: Ein großer Pluspunkt des Hamburger Filmfests ist, dass hier auch abseitige Filme zu sehen sind, die es nicht einmal ins RBB-Nachtprogramm schaffen würden. Zum Beispiel „Border“ von Harutyun Khachatryan. Etwa 40 Furchtlose hatten sich im Abaton eingefunden und lauschten zunächst den Worten des armenischen Regisseurs, der eigens für diese Vorstellung angereist war. „Meine Filme sind nicht dazu gemacht, Menschen zu unterhalten“, bekannte er und schloss seine Ausführungen mit dem Satz „Ich wünsche euch viel Geduld.“ Man durfte also gewarnt sein. Bei aller Sympathie für die Radikalität dieser „filmischen Meditation“ (Programmheft), 82 Minuten können sehr lang werden, wenn lediglich das relativ ereignislose Leben im armenisch-aserbaidschanischen Grenzgebiet angebildet wird – und zwar dialogfrei.

Zentrale Figur ist übrigens kein Mensch, sondern ein Wasserbüffel, der, tja, mal hierhin, mal dorthin stapft oder mit großen Augen in die Kamera starrt. Zwischendurch wird gegessen, gemolken, geschwiegen – und am Ende brennen die gerade errichteten Häuser bis auf die Grundmauern nieder. Da galt es im Zuschauerraum, so manche Schlacht gegen das drängende Schlafbedürfnis zu schlagen. Erstaunlich, dass lediglich zwei Zuschauer den Saal vorzeitig verließen, war der Rest vielleicht einfach eingenickt? Wer sich dieser – Achtung, Wortspiel! - Grenzerfahrung selbst aussetzen möchte: Am 3.10. (21.45 Uhr) läuft „Border“ noch einmal im Cinemaxx 2. An Karten zu kommen, sollte kein Problem sein.

Deutlich stärkeren Andrang könnte es heute geben. Zum einen werden die Fans von „Bella Block“ (Cinemaxx 2, 19 Uhr) und „Nachtschicht“ (Cinemaxx 2, 21.15 Uhr) mit neuen Folgen bedient, zum anderen ist im großen Saal des Cinemaxx (19.15 Uhr) der japanische Oscar-Gewinner „Departures“ zu sehen. Yojiro Takitas Tragikomödie über Bestattungsrituale, die Macht der Liebe und ein Sterben in Würde ist unbedingt sehenswert.