Marc Webb erzählt in seinem zauberhaften Kinodebüt “500 Days of Summer“ von der Liebe in einer Weise, die man so noch nicht sah.
Hamburg. Es gibt im Kino Geschichten, die man schon hundert-, ach was: tausendmal gesehen hat, Geschichten über die Liebe zum Beispiel. Junge trifft Mädchen, sie können sich nicht ausstehen und finden schließlich doch zueinander.
Zu sehen jeden Sonntagabend in Rosamunde Pilchers heiler Spielfilmwelt. Es gibt aber auch Geschichten, Standardsituationen, denen man stets etwas Neues abgewinnen kann, die einen immer wieder überraschen. Geschichten über die Liebe zum Beispiel, in diesem Fall: "500 Days of Summer", das Spielfilmdebüt von Marc Webb, das beim Sundance Festival von Publikum und Presse gefeiert wurde und das heute auf dem Hamburger Filmfest zu sehen ist.
Dies ist keine Liebesgeschichte, behauptet der Regisseur zwar im Vorspann - um dann genau das zu widerlegen: Für die Liebesgeschichte von Tom (Joseph Gordon-Levitt) und Summer (Zooey Deschanel) findet er, was Handlung und Ästhetik anbelangt, eine ganz eigene Sprache. Die begrenzte Haltbarkeit ihrer Beziehung schreibt er schon im Titel fest; die 500 gemeinsamen Tage werden nicht chronologisch abgearbeitet, sondern anhand etlicher Zeitsprünge geschildert: Webb hüpft drei Tage vor, zwanzig zurück, dann wieder vor zum letzten Tag ihrer Romanze. Von Euphorie zu Depression und wieder zurück zu trauter Zweisamkeit. Seine Geschichte, das macht er deutlich, erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie ist völlig subjektiv und kreist um Toms Suche nach jenem verhängnisvollen Tag, an dem alles anfing schiefzulaufen. Der Anfang vom Ende. Oder hat es mit ihm und Summer nie wirklich angefangen?
Tom jedenfalls ist rettungslos verliebt, nachdem er im Fahrstuhl der neuen, sehr coolen Kollegin mit den blauen Kulleraugen begegnet ist. Eine ganz normale junge Frau, würden die meisten sagen, Tom aber spürt ihn sofort: den Summer-Effekt. Und mit einem Mal empfindet er seinen Job als Grußpostkartentexter ("Deine Liebe ist besser als meine Träume") als gar nicht mehr so öde.
"500 Days of Summer" erzählt davon, dass schöngeredete Erinnerungen realer sein können als die Wirklichkeit. Dass die Liebe manchmal, obwohl bei einem Partner längst erloschen, im Kopf weiterlaufen kann: als Möglichkeitsform, als Wunschtraum, als ein Leben, das man genauso gut oder schlecht hätte führen können. Per Split-Screen zeigt Webb Szenen, wie es war und wie es hätte sein sollen mit Summer und Tom. Poppige Musical-Einlagen, Karaoke-Nummern und direktes In-die-Kamera-Sprechen verstärken den leicht künstlichen Effekt des Films. In dieser Hinsicht, dieser leisen Verzauberung des Zuschauers, fühlt man sich mitunter an das französische Kinomärchen "Die fabelhafte Welt der Amélie" erinnert. An anderen Stellen wiederum hat man das Gefühl, einem Pop-Song in Form eines Spielfilms beizuwohnen - und nicht von ungefähr kommt der Musik eine Hauptrolle zu: Sie bringt Tom und Summer zusammen (The Smith), ist Anlass kleiner Streitereien (jawohl, Ringo ist der Beste der Beatles), wodurch nach und nach ein Soundtrack ihrer Beziehung entsteht.
Die "Anatomie einer Romanze" nennt Koautor Scott Neustadter seine postmoderne Liebesgeschichte, "gleichzeitig Autobiografie und Fantasie". Gleichzeitig witzig und traurig, allgemeingültig und einzigartig. Man hat Geschichten wie diese schon hundertmal gesehen - so hat man sie aber noch nicht gesehen.
500 Days of Summer startet am 22. Oktober in den deutschen Kinos.