Hamburg. Hamburger Luftfahrtfirmen wachsen nach der Corona-Krise wieder und melden sogar Rekorde. Wie es 2024 für die Beschäftigten weitergeht.
Mitte Februar lud Lufthansa Technik an einen für die Branche ungewöhnlichen Ort: den Merkurring in Rahlstedt. Der Weltmarktführer für die Wartung, Reparatur und Überholung von Flugzeugen trainiert dort nun branchenfremde Fachkräfte für die Arbeit an Triebwerken. Das Ziel: Innerhalb der nächsten fünf Jahre sollen 1000 Quereinsteiger fit für die Turbinen gemacht werden.
Der Personalbedarf in der Luftfahrtindustrie ist riesig. Bis Anfang 2020 war die stetig und mitunter schnell wachsende Branche ein Jobmotor für die Hansestadt. Dann kam Corona, die Flieger blieben am Boden, das Geschäft brach weg, Mitarbeiter verließen mit Abfindungen die Branche oder wurden sogar entlassen.
Airbus, Flughafen, Lufthansa Technik – so sicher sind Luftfahrt-Jobs in Hamburg
Von Krisenstimmung ist nun aber nichts mehr zu spüren – im Gegenteil. Lufthansa Technik peilt einen Rekordgewinn an und ist im vergangenen Jahr in Fuhlsbüttel um rund 800 auf 9755 Mitarbeiter gewachsen. In diese Richtung soll es weitergehen. Man wolle das Personal um „Hunderte“ Stellen aufbauen, ergab die Abendblatt-Umfrage unter den 200 größten Hamburger Arbeitgebern. Gesucht werden Mechaniker diverser Fachrichtungen, Elektroniker und IT-Spezialisten.
Ein paar Kilometer weiter südlich auf Finkenwerder sieht es ähnlich aus. Airbus zählt nun 16.000 Mitarbeiter – plus 1000. Fürs neue Jahr sind Elektriker und Strukturmechaniker ebenso gefragt wie Bewerber mit IT-Profilen. Man wolle 2024 „mehrere Hundert“ neue Jobs in Hamburg schaffen, sagte vor Kurzem André Walter, der Chef der zivilen Flugzeugproduktion von Airbus in Deutschland.
Zudem plane man einen Bestwert für die Zahl der Auszubildenden und dual Studierenden: 550 bis 600 junge Menschen beabsichtige man im Sommer einzustellen – so viele wie nie.
Die zu Anfang der Pandemie geäußerten Existenzsorgen sind beim DAX-Konzern passé. Im Juni ging mit dem IndiGo-Auftrag über 500 Flugzeuge der größte Einzelkaufvertrag in der Geschichte der kommerziellen Luftfahrt ein. Insgesamt wurden 2023 weit mehr als 1000 Flieger bestellt.
Auch Diehl Aviation will nach Jobabbau in Hamburg wieder einstellen
Der Großteil entfällt auf die A320-Familie – und für die ist Hamburg das Kompetenzzentrum. Etwa jeder zweite Flieger wird in Hamburg endmontiert. Die Produktion ist auf Jahre hinaus ausgelastet. Um der Bestellflut Herr zu werden, soll die Fertigungsrate von derzeit 50+ im Monat auf 75 pro Monat im Jahr 2026 hochgefahren werden.
Der Hochlauf stellt auch die Zulieferer vor Herausforderungen bei der Akquise von Beschäftigten. In vielen Betrieben spürt man den Fachkräftemangel. Diehl Aviation ist der größte Zulieferer vor Ort und machte zuletzt eher durch Jobabbau auf sich aufmerksam. Derzeit ist die Zahl der Beschäftigten am Hein-Saß-Weg mit 604 zwar um ein Dutzend niedriger als vor einem Jahr. Doch es sollen mehr werden, so die Prognose für 2024. Ingenieure, Elektriker, Fertigungsmechaniker und Logistiker seien gefragt.
Airbus-Hoffnungsträger soll im zweiten Quartal erstmals ausgeliefert werden
Bei Diehls Großabnehmer ruhen große Hoffnungen auf dem A321XLR. Dank eines fest eingebauten Tanks im Frachtraum kann der einst für die Kurz- und Mittelstrecke konzipierte Airbus-Flieger künftig auf der Langstrecke eingesetzt werden. Ende August wurde für ihn eine neue, 3000 Quadratmeter große Halle eingeweiht. Darin werden Rohre, Kabel, Sicherungen und Isolierungen montiert.
Im zweiten Quartal 2024 soll der A321XLR an den Erstkunden ausgeliefert werden. Das dürfte zelebriert werden – so wie im Mai 2023 das Jubiläum für Lufthansa. Mit einem A321 wechselte das 600. Airbus-Flugzeug zur Kranichlinie. Im Februar 1976 war ein A300 der erste Jet gewesen.
Triebwerksrückruf macht Lufthansa Probleme – und bringt der Technik viel Arbeit
„Seitdem hat die Airline im Durchschnitt jeden Monat ein Flugzeug von Airbus übernommen“, sagte Airbus-Vorstandschef Guillaume Faury. Und sein Lufthansa-Kollege Carsten Spohr hatte angesichts des dicken Auftragsbuchs und der engen Bauslots einen Wunsch: „Zum 100. Geburtstag von Lufthansa im Jahr 2026 wünschen wir uns das 700. Airbus-Flugzeug in unserer Flotte.“
In den nächsten Monaten kämpft Lufthansa aber ebenso wie viele andere Fluglinien mit einem Riesenproblem. Etwa 3000 Triebwerke des US-Herstellers Pratt & Whitney müssen in die Werkstätten. Grund: Es wurde jahrelang bis Anfang 2021 ein Pulvermetall verwendet, das schadhaft sein kann.
Lufthansa Technik betreut etwa jedes fünfte Verkehrsflugzeug weltweit
Die Aggregate hängen an den Flügeln von etwa jedem zweiten ausgelieferten Flugzeug der A320neo-Familie. Im Lufthansa-Konzern gibt es rund 60 Flieger und (mit Ersatzmotoren) 146 Triebwerke, die betroffen sind. Die Reparatur könne pro Motor bis zu 300 Tage dauern, schätzt der US-Hersteller.
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Wegen dieses vollkommen veränderten Marktumfelds sagte der Mutterkonzern Ende November den erwogenen Anteilsverkauf der Techniksparte ab. Statt mit dem Geld eines externen Investors soll Lufthansa Technik nun aus eigener Kraft wachsen. Und die betroffenen Triebwerke warten und reparieren.
Flughafen Hamburg will Beschäftigtenzahl konstant halten
Die Werkstätten sind aber auch ohne die Pratt-&-Whitney-Sonderkonjunktur gut gefüllt. 4500 kommerziell eingesetzte Flieger sind unter Vertrag, also etwa jedes fünfte Verkehrsflugzeug weltweit. Um die Arbeit zu schaffen, holte Lufthansa Technik sogar Rentner zurück in den Job.
Der Nachbar auf dem Airport-Gelände verdaut hingegen noch die Luftfahrtkrise. Zu den Passagierzahlen vor der Pandemie fehlen dem Flughafen Hamburg noch rund 20 Prozent. Daher ist der Personalbedarf geringer. Mit 1730 sind nun 110 Mitarbeiter weniger dort beschäftigt.
Aber immerhin: Für 2024 rechne man mit gleich vielen Mitarbeitern. Und gesucht werde auch: Fachkräfte für Elektrotechnik, Mechatronik und IT.