Hamburg. Flugzeugdienstleister errichtet Qualifizierungs-Center in Rahlstedt, um Fachkräftemangel zu beseitigen. So sieht das Programm aus.
Jonas Mahmoud hält die metallene „Nase“ mit der weißen, gekringelten Linie vor den Fan-Rotor des Triebwerks. Marcel Junker nimmt die erste Schraube, steckt sie ins Loch und dreht sie fest. Dann folgen die nächsten Schrauben. Seit Kurzem arbeiten beide bei Lufthansa Technik.
Junker hat zuvor 1,5 Jahre lang bei einem Hamburger Autohaus als Kfz-Mechatroniker gearbeitet. „Ich habe Lust auf etwas Neues gehabt“, sagt der 23-Jährige, der seinen alten Job mit Tätigkeiten wie Reifenwechsel und Co. schon sehr anstrengend fand und in die Luftfahrt wechselte. „Hier ist das Arbeiten angenehmer“, sagt er.
Lufthansa Technik will Quereinsteiger locken
Junker steht allerdings nicht auf dem Gelände der Luftwerft in Fuhlsbüttel, sondern in einer Halle in Rahlstedt. Am Merkurring hat der Weltmarktführer für die Reparatur, Wartung und Überholung von Flugzeugen eine Halle angemietet, um Branchenfremde für die Arbeit an Triebwerken zu trainieren.
„Im Qualifizierungscenter geht es ausdrücklich darum, Quereinsteigern die Möglichkeit zu geben, bei Lufthansa Technik anzufangen“, sagt Michael Kirstein, der Leiter der Triebwerksüberholung: „Wir wollen hier in den nächsten fünf Jahren bis zu 1000 Mitarbeiter trainieren.“
Der bisherige Ausbildungsberuf ist unerheblich
Ob sie zuvor eine Ausbildung als Tischlerin, Kfz-Mechaniker oder Zahntechnikerin absolvierten, ist dabei egal. Auf der 3000 Quadratmeter großen Trainingsfläche, die innerhalb eines Jahres konzipiert und umgesetzt wurde, sollen sie in sechs Monaten fit gemacht werden, um eigenverantwortlich an Flugzeugantrieben zu arbeiten.
Die Corona-Pandemie traf die Luftfahrt hart. Auch Lufthansa Technik baute viel Personal ab. Doch seit mehreren Monaten schon geht es wieder aufwärts. Die Werkstätten seien wieder voll, sagt Kirstein. Entsprechend wird Personal gesucht.
Fachkräftemangel verschlimmerte sich nach Pandemie teilweise
Der Fachkräftemangel sei schon vor der Pandemie ein Thema gewesen, nun sei er in Teilbereichen sogar noch schlimmer geworden. Derzeit sind rund 2100 Mitarbeiter in Hamburg in seinem Bereich beschäftigt. „Wir wollen wieder zu alten Größe hinkommen. Wir hatten vor der Krise 2600 Mitarbeiter“, sagt Kirstein über die Pläne für Hamburg.
Man müsse gegen die Demografie arbeiten. Also werden in den nächsten Jahren viele Beschäftigte in den Ruhestand gehen beziehungsweise in die passive Phase der Altersteilzeit, die in der Krise generell ein gern genommenes Mittel war, um Stellen abzubauen.
1000 Mitarbeiter werden bis 2028 gebraucht
Das mache die Einstellung von etwa 1000 Mitarbeitern in den nächsten fünf Jahren notwendig, sagt Kirstein und will junge Leute für die Branche begeistern. Gesucht werde über Hamburg und die norddeutschen Bundesländer hinaus in Europa und sogar in Nordafrika. Man wolle die Internationalität nach Hamburg holen.
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In diesem Jahr sollen 376 Quereinsteiger anfangen. Jeden Monat kämen etwa 30 Mitarbeiter hinzu, maximal 180 sollen in Rahlstedt zeitgleich trainiert werden. Das könne man dem laufenden Betrieb in Fuhlsbüttel nicht zumuten, weil die Kollegen mit der bestehenden Arbeit voll beschäftigt seien.
Im Erdgeschoss steht ein Werkstattbereich
Zudem habe es auf dem Gelände keinen Platz gegeben. Es habe keine Halle leer gestanden, und man habe darüber hinaus noch Platz benötigt. In Rahlstedt gibt es im Obergeschoss Klassenräume, in denen an Computern gelernt wird.
Im Erdgeschoss ist ein Werkstattbereich, in dem Schleifen, Bohren und Fräsen gelernt werden kann. Und dann stehen da noch die großen Triebwerke, an denen Junker und Mahmoud ihre ersten Schritte im Luftfahrtgeschäft machen.
Triebwerke bestehen aus rund 30.000 Einzelteilen
Die CFM 56-5C haben früher den Airbus-Langstreckenjet A340 angetrieben. „Wenn ein Triebwerk nach sechs bis acht Jahren im Flugbetrieb zur vollen Überholung zu uns kommt, dann zerlegen die Kollegen es in seine 30.000 Einzelteile“, sagt Kirstein.
Es werde gereinigt, „befundet“ und zur Reparatur in eine der Werkstätten geschickt. Nach etwa 60 bis 70 Tagen kommen die Bauteile wieder zurück in die Hansestadt, werden zusammengebaut und anschließend an Kunden ausgeliefert.
Lufthansa Technik investiert 7,5 Millionen Euro
Nach sechs Monaten in Rahlstedt wechseln die Quereinsteiger als sogenannte „engine mechanic“ auf das Flughafengelände und können sich im Tagesgeschäft für höhere Aufgaben qualifizieren. Etwa 900 Triebwerke werden von den weltweit mehr als 5000 Mitarbeiter pro Jahr fertiggestellt. Der Bereich sei der größte innerhalb der Firma, heißt es.
7,5 Millionen Euro investiere Lufthansa Technik für Miete, Infrastruktur, Werkzeuge und Büroausstattung in das auf fünf Jahre angelegte Gastspiel in Rahlstedt, sagt Kirstein: „Danach ist in der Planung vorgesehen, dass wir die Ausbildung wieder am Standort Hamburg auf dem Werftgelände machen und das Trainingscenter wieder einklappen.“