Hamburg. Kranichlinie übernimmt in Finkenwerder 600. Airbus-Maschine. Carsten Spohr wagt eine Prognose für den kommenden Sommer.
Eine spezielle Lackierung für ein historisches Ereignis: Eine silberfarbene 600 ziert den Rumpf des A321neo. Im firmentypischen Blau prangt über der Zahl der Schriftzug Lufthansa, daneben Airbus.
Es ist der 600. Flieger, den der paneuropäische Hersteller mit seinem großen Werk in Hamburg an die deutsche Fluglinie ausgeliefert hat. Damit habe die Kranich-Linie mehr Exemplare erhalten „als jede andere Airline in der Welt“, sagte Airbus-Chef Guillaume Faury am Mittwoch bei einer Feierstunde auf dem Betriebsflughafen auf Finkenwerder.
Airbus liefert 600. Jet an Lufthansa aus
Die gemeinsame Geschichte beider Unternehmen begann am 25. Juni 1975 mit der Unterzeichnung des Kaufvertrags über drei A300 B2. Der A300 ist ein rund 54 Meter langer Großraumjet, von dem bis zum Produktionsende 2007 in Toulouse 561 Exemplare zusammengebaut wurden. Entwickelt wurde er für Kurz- und Mittelstrecken und maximal 345 Passagiere. Er war das erste Projekt der zu Airbus fusionierten Flugzeugwerke.
Im Februar 1976 wurde das erste dieser Flugzeuge an die Kranich-Linie übergeben. Am 1. April 1976 war die Maschine erstmals im Linieneinsatz. „Lufthansa und Airbus sind Partner seit der ersten A300-Maschine“, sagte Faury und verwies auf viele historische gemeinsame Momente: „Seitdem hat die Airline im Durchschnitt jeden Monat ein Flugzeug von Airbus übernommen – das summiert sich auf 600 in bald 50 Jahren.“
1994 übernahm Lufthansa den ersten A321-Jet
Im Laufe der Jahre wurden Airbus-Jets verschiedenster Typen in die Lufthansa-Flotte integriert. Im Oktober 1989 war es der erste A320, der in Toulouse übergeben wurde. Anfang 1994 gab es die Premiere für den mit 44,50 sieben Meter längeren A321, der damals ausschließlich auf Finkenwerder endmontiert wurde.
Zu den Höhepunkten zählte auch die Übernahme des ersten A380. Der Riesen-Airbus wechselte am 19. Mai 2010 erstmals in die Kranich-Formation. „Ich freue mich sehr auf den A380 – und auch schon sehr lange“, sagte Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber damals.
Selbst den A380-Jet will Lufthansa reaktivieren
Im Anschluss kühlte die Liebe allerdings stark ab. Neue Flieger wie Boeings Dreamliner und der Airbus-Großraumjet A350 können deutlich effizienter betrieben werden und gruben dem größten Passagierflugzeug der Welt das Wasser ab. Letztlich beendete Airbus die A380-Produktion vor zwei Jahren.
Bei der Lufthansa schien das Schicksal des Riesenjets schon besiegelt, seine Ausmusterung galt in der Corona-Krise als beschlossene Sache. Doch nun haben erste A380-Maschinen den Langzeitparkplatz in Teruel (Spanien) verlassen und sollen zurück in den Liniendienst kehren.
Airbus: Vom ausgelieferten A321neo hat Lufthansa 40 Flieger bestellt
Von dem am Mittwoch übergebenen A321neo hat die Lufthansa 40 Exemplare bestellt. Bis Ende April waren 17 davon ausgeliefert. Sie haben im Vergleich zur Vorgängergeneration neue Triebwerke und sparen durch diese und andere Veränderungen Sprit. Bei der Einführung der Neo-Reihe – neo steht für new engine option, also die Möglichkeit, ein neues Triebwerk anzubauen – sprach man davon, etwa 15 Prozent Kerosin zu sparen.
Die Performancewerte bezüglich des Treibstoffverbrauchs und damit auch der Emissionen seien besser, als beim Verkauf vereinbart gewesen sei, sagte Spohr im kurzen Gespräch mit unserer Redaktion: „Wir sind mit der Neo-Reihe sehr zufrieden.“
Spohr liebt die A320neo-Familie
Das war bei dem Markteintritt der A320neo-Reihe nicht jeder Kunde. Hamburg ist für die Familie das Kompetenzzentrum. Etwa jeder zweite Flieger des Verkaufsschlagers wird an der Elbe endmontiert. Eigentlich hätte Qatar Airways Erstkunde des Jets sein sollen. Allerdings machten die Motoren des US-Herstellers Pratt & Whitney insbesondere bei hohen Temperaturen Probleme – und die herrschen in der Golfregion nahezu ganzjährig. Qatar verzichtete unter medialem Trommelwirbel. Die Lufthansa sprang ein und übernahm Anfang 2016 auf Finkenwerder den ersten A320neo.
„Wir sind nicht nur der größte Airbus-Kunde, sondern auch einer der loyalesten Airbus-Kunden der Welt“, sagte Spohr. Die Anfangsprobleme seien verschwunden. Allerdings macht der US-Triebwerksbauer erneut Schwierigkeiten. Er kann nicht genug Motoren liefern, sodass es zu Verzögerungen kommt. Airbus kämpft zudem seit Monaten mit Problemen in der Zuliefererkette, sodass „wir deswegen diese Flugzeuge jeweils Monate zu spät bekommen“, sagte Spohr: „Wenn sie aber mal da sind, dann lieben wir sie.“
Faury: Die Leute wollen wie früher fliegen
Schneller zurückgekehrt als erwartet ist nach der Corona-Krise offenbar die Lust der Menschen zu verreisen. „Die Leute wollen so wie früher fliegen“, sagte Faury: „Dies darf aber nicht auf Kosten künftiger Generationen gehen.“ Man arbeite bei der Dekarbonisierung der Luftfahrt mit Lufthansa zusammen, sagte der Airbus-Chef. Die A320neo-Familie und der moderne Großraumjet A350 spielten dabei eine vitale Rolle, denn sie würden den Treibstoffverbrauch im Vergleich zur Vorgängergenerationen um 25 Prozent senken.
Im Auftragsbuch von Airbus stehen auch noch mehr als 40 A350 für die Kranich-Linie. Allerdings verbrennen auch diese Flieger Kerosin und stoßen klimaschädliche Gase aus. Faury verwies darauf, dass beide Maschinen bereits heute mit 50 Prozent Sustainable Aviation Fuel (SAF) – also nachhaltig erzeugtem Flugtreibstoff – fliegen könnten.
Spohr hofft auf einen besseren Sommer als 2022
Allerdings gibt es SAF nicht in den erforderlichen Mengen, und es ist teuer. Auf Langstreckenflüge dürfte er zukünftig das Mittel der Wahl sein. Auf kurzen und mittleren Strecken hofft Airbus hingegen auf den Einsatz eines mit grün erzeugtem Wasserstoff angetriebenen Flugzeug, das 2035 auf den Markt kommen soll.
Noch ist es aber ferne Zukunftsmusik. Viele Deutsche träumen dagegen schon von den Sommerferien – doch was werden sie dort an den Flughäfen erleben? Wieder ein Flugchaos mit vielen verlorenen Koffern, Verspätungen und gestrichenen Flügen? „Ich bin zuversichtlich, dass dieser Sommer besser wird als der letzte Sommer“, sagte Spohr: „Ob er schon so richtig gut wird, diese Aussage wage ich noch nicht.“
Lufthansa-Chef sieht das Umfeld als „herausfordernd“ an
Allein die Lufthansa habe dieses Jahr 6000 Mitarbeiter eingestellt, aber es fehle in der Branche an vielen Stellen noch an Personal. In Fuhlsbüttel war dies jüngst vor allem bei den Luftsicherheitskräften zu spüren. Es kam wie im Vorjahr zu langen Wartezeiten an der Sicherheitskontrolle.
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Es brauche mehr Mitarbeiter, bessere Technologien für die Sicherheitskontrollen – es gibt neue Scanner, bei denen Flüssigkeiten nicht mehr aus dem Handgepäck genommen werden müssen – und einen besseren Ablauf der Prozesse. Zudem werden im Juni Teile des deutschen Luftraums wegen der Nato-Übung „Air Defender“ gesperrt, so Spohr: „Es wird herausfordernd bleiben.“
Lufthansa: Für den 100. Geburtstag hat Spohr einen besonderen Wunsch
Am Mittwoch war Spohr aber vor allem sehr glücklich über die einzigartige Zahl 600. „Es gibt nicht sehr viele europäische Erfolgsgeschichten wie die von Airbus“, sagte er. Immerhin ist der DAX-Konzern dem Erzrivalen Boeing enteilt und zum größten Flugzeugbauer der Welt aufgestiegen. Der Lufthansa-Chef zog Parallelen zu seiner Airline, die sich immer mehr zu einem wichtigen europäischen Spieler entwickele. Demnächst könnte nach Swiss, Austrian und Brussels auch noch eine italienische Airline zum Portfolio gehören. Die neue Fluglinie ITA Airways soll zum Teil einverleibt werden.
Einen Wunsch hatte der Lufthansa-Chef zum Abschluss noch an seinen Gastgeber auf Finkenwerder: „Zum 100. Geburtstag von Lufthansa im Jahr 2026 wünschen wir uns das 700. Airbus-Flugzeug in unserer Flotte“, so Spohr – offen, ob sich das in den stark ausgebuchten Airbus-Werken realisieren lässt.