Hamburg. Junge Männer hatten Fahrer und Wagen ausspioniert. „Was für ein Wahnsinn“, sagte die Vorsitzende Richterin über die Taten.

Einmal abtauchen und dem Alltag entfliehen: Viele Menschen lieben die aktive Zeit im Schwimmbad, die den Körper und den Kreislauf in Schwung bringt und dabei auch noch erholsam auf die Psyche wirkt.

Doch für manchen in Hamburg und Umgebung endete die Zeit in einem der Schwimmbäder mit einem Schock: Während sie ihre Bahnen zogen, wurde draußen auf dem Parkplatz ihr Auto gestohlen. Es war das Werk einer Bande, die es bei ihren Diebstählen systematisch vor allem auf Wagen der Marken Mercedes, VW und Audi abgesehen hatte. Am Donnerstag erging in einem Prozess vor dem Landgericht das Urteil gegen sechs Angeklagte.

Prozess Hamburg: Diebesbande suchte gezielt hochwertige Wagen aus

Gegen jeden der jungen Männer im Alter zwischen 16 und 24 Jahren sprach das Gericht wegen Bandendiebstahls beziehungsweise schweren Diebstahls eine Verurteilung aus. Einer der Täter erhielt eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren, in die eine frühere Verurteilung einbezogen wurde. Gegen die anderen Angeklagten erkannte die Kammer auf Jugendstrafen zwischen 14 und 24 Monaten, die jeweils zur Bewährung ausgesetzt wurden. Insgesamt müsse eine Summe von gut 50.000 Euro als „Wertersatz“ eingezogen werden, entschied das Gericht.

„Was für ein Wahnsinn!“, sagte die Vorsitzende Richterin Anne Meier-Göring in der Urteilsbegründung an die Adresse der Angeklagten. Es handele sich um „kriminellste Taten“. Dabei sei es „unbefriedigend“, dass mit den Angeklagten lediglich diejenigen vor Gericht gestellt werden konnten, die die eigentlichen Diebstähle begangen hatten, betonte die Vorsitzende Richterin. Die Hinterleute, die die kriminellen Strukturen in der Hand hatten, die Taten organisierten, als Hehler fungierten und durch den Weiterverkauf der Autos viel Geld verdienten, die also laut Gericht „den Reibach machten“, wurden bislang nicht gefasst.

Die jungen Männer, die jeweils vor und in den Schwimmbädern die Opfer ausspionierten und die Fahrzeuge stahlen, erhielten von den Auftraggebern als „Lohn“ für ihre Taten in der Regel 150 bis 200 Euro. Den ganz überwiegenden Teil des Ertrages aus den Taten vereinnahmten die Hintermänner für sich. Dabei wurde darauf geachtet, besonders hochwertige Autos zu stehlen. Einige der Fahrzeuge waren knapp 100.000 Euro wert, andere hatten überwiegend einen Zeitwert zwischen 20.000 und 50.000 Euro.

Als „Lohn“ erhielten die Diebe teilweise 150 bis 200 Euro. „Reibach“ für die Hinterleute

Bei den Diebstählen, die sich in der Zeit von März 2022 bis zum Spätherbst vergangenen Jahres in Hamburg, Soltau, Glücksburg und anderen Orten Norddeutschlands ereignet hatten, waren die Täter nach einer konkreten Masche vorgegangen: Erst beobachtete man gezielt jene Kunden, die in hochwertigen Autos vor dem Schwimmbad vorfuhren. Man verfolgte heimlich, in welchem Spind die Autofahrer ihre Sachen verschlossen, brach den jeweiligen Schrank auf – und konnte so erst die Fahrzeugschlüssel und schließlich die dazugehörigen Autos entwenden.

Sie sollten sich mal überlegen, „wie sich das anfühlt“, Opfer einer solchen Tat zu werden, redete die Vorsitzende den Angeklagten ins Gewissen. Wenn die Fahrzeugbesitzer aus dem Schwimmbad kommen, vielleicht zusammen mit ihren Kindern, „und das Auto ist nicht mehr da“. Ein Fahrzeug, für das die Familie vielleicht lange gespart hatte und mit dem sie bald in den Urlaub hatte fahren wollen.

Richterin: Die Angeklagten sollen überlegen, „wie sich das anfühlt“, Opfer zu werden

Die Methode der Diebesbande basierte offenbar auf der Überlegung, dass Menschen, die ins Schwimmbad gehen, ihre Autos mindestens für eine Stunde, meist sogar länger, unbeobachtet auf dem Parkplatz stehen lassen. Und dass diejenigen, die im Wasser ihre Bahnen ziehen, ihre diversen Wertsachen ebenfalls in den Spinden verwahren.

So wurde unter anderem eine Rolex und Brieftaschen gestohlen. Und die Autos wurden von den Parkplätzen der Schwimmbäder weggefahren, zunächst an ruhigen Orten in Hamburg abgestellt – und einige Zeit abgewartet, ob die Besitzer oder die Polizei die Wagen orten würden. Erst nach dieser sogenannten „Abkühlungsphase“ wurden die Wagen von Hehlern weiterverkauft.

Prozesse in Hamburg

Einige der jungen Täter kannten einander seit Jahren, waren zusammen aufgewachsen. Ihre Beteiligung an der Bande ging teilweise über Wochen und Monate, bevor sie sich zurückzogen und sich dann im Einzelfall auch wieder an weiteren Taten beteiligten. Einer der Angeklagten hatte erzählt, er sei in Verlockung gekommen, mitzumachen, weil er „gerade nichts anderes zu tun hatte“. Andere hatten vorwiegend auf das Geld spekuliert, was sie sich als Anteil versprachen.

Nach dem Diebstahl wurde erstmal abgewartet, ob die Autos geortet werden

Laut Gesetz drohte den Tätern bei Bandendiebstahl eine Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren. Bei Angeklagten, die zur Tatzeit jünger als 21 Jahre waren, werden Jugendstrafen in der Regel dann ausgesprochen, wenn bei dem jeweiligen Täter eine sogenannte „schädliche Neigung“ oder eine „besondere Schuldschwere“ festgestellt wird. Bei den jungen Männern ging das Gericht überwiegend von einer „schädlichen Neigung“ aus. Die Angeklagten hatten die Diebstähle jeweils eingeräumt und beteuert, dass sie mittlerweile „verstanden“ hätten, dass sie erhebliches Unrecht begangen hatten.

Die Staatsanwaltschaft hatte für einen der Angeklagten eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren beantragt, wobei ein früheres Urteil einbezogen werden sollte. Für einen anderen Angeklagten hatte die Anklagebehörde zwei Jahre und vier Monate Haft für erforderlich gehalten, sowie für die weiteren Angeklagten Jugendstrafen zwischen 16 und 22 Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt werden sollten. Die Verteidigung plädierte jeweils auf Strafen, die milder sein sollten als die, die die Staatsanwaltschaft gefordert hatte.

Die Vorsitzende verdeutlichte, dass es bei einigen der Angeklagten „auf der Kippe“ gestanden hatte, ob die jeweilige Strafe noch zur Bewährung ausgesetzt werden könne. „Es darf jetzt“, machte sie klar, „wirklich nichts mehr passieren“, keine weitere Tat. „Gar nichts!“