Hamburg. In keinem anderen Bundesland greifen Richter bei Heranwachsenden so häufig zum Jugendstrafrecht. Wovon das abhängt.
Im Vergleich zu anderen Bundesländern haben junge Täter in Hamburg besonders gute Chancen, milde bestraft zu werden. Wie aus Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervorgeht, wenden Richter in der Hansestadt sehr häufig das Jugendstrafrecht an, auch wenn härtere Strafen möglich wären. Bei 89 Prozent aller Verurteilten zwischen 18 und 21 Jahren wurde das schärfere Erwachsenenstrafrecht nicht eingesetzt. So weist es die jüngste Statistik aus, die sich auf das Jahr 2021 bezieht.
Der bundesweite Durchschnitt liegt dagegen bei 61 Prozent. Am strengsten gehen Richter mit jungen Tätern in Mecklenburg-Vorpommern (Jugendstrafrecht in 40 Prozent der Fälle), Sachsen (41 Prozent) und Brandenburg (42 Prozent) um.
Justiz: Hamburg bestraft junge Täter besonders milde
Für Heranwachsende zwischen 18 und 21 Jahren gilt das allgemeine Strafrecht. Richter können aber das Jugendstrafrecht anwenden, sofern der Täter nach seiner geistigen Entwicklung einem Jugendlichen gleichzustellen ist, oder es sich bei der Tat um eine sogenannte Jugendverfehlung handelt. Ob das der Fall ist, obliegt der Entscheidung des zuständigen Richters.
Das Jugendstrafrecht erlaubt es dem Richter, mildere Erziehungsmaßnahmen für junge Täter anzuordnen, anders als es das Erwachsenenstrafrecht vorsieht. Ein Jugendrichter kann beispielsweise den Täter anweisen, eine Ausbildungsstelle anzunehmen und kann ihn dazu auffordern, sich beim Opfer zu entschuldigen, oder den verursachten Schaden wiedergutzumachen.
Justiz: Richter in Hamburg arbeiteten „nicht nach Quote“
Dahinter steht der starke Erziehungsgedanke des Jugendstrafrechts, mit dem verhindert werden soll, dass junge Menschen erneut straffällig werden. Nur wenn diese Mittel erfolglos bleiben, kann der Richter auch einen kurzen Jugendarrest von höchstens vier Wochen anordnen und dem Täter in besonders schweren Fällen eine längere Jugendstrafe auferlegen. Die Maximalstrafe im Jugendstrafrecht beträgt zehn Jahre, die nur bei einer besonderen Schwere der Schuld auf 15 Jahre erhöht werden kann.
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Die Richter seien in ihren Entscheidungen an das Gesetz gebunden, aber im Übrigen unabhängig, sagt der Sprecher des Hanseatischen Oberlandesgerichts, Kai Wantzen. Die Richter arbeiteten „nicht nach Quote“, sondern träfen Einzelfallentscheidungen.
CDU Hamburg: Thering für Überprüfung des Jugendgerichtsgesetzes
Mangelnder Respekt, eine niedrige Schwelle zur Gewalt und nicht zuletzt fehlende Konsequenzen sorgten für immer mehr Intensivtäter, konstatiert Hamburgs CDU-Fraktions- und Parteichef Dennis Thering. Dass in Hamburg größtenteils Jugendstrafrecht bei Heranwachsenden angewendet wird, sei auffällig. Eine Überprüfung des Jugendgerichtsgesetzes erscheine vor dem Hintergrund der erheblich unterschiedlichen Praxis in den einzelnen Bundesländern sinnvoll, sagt er – und spielt damit den Ball ins Feld der Bundespolitik.