Hamburg. Angeklagter soll wiederholt auf Beutezug gegangen sein und mit anderen zusammengearbeitet haben. Wie man auf den Verdächtigen kam.
Ein Augenblick nur. Ein kleiner Moment der Unaufmerksamkeit – und die Handtasche war weg. Oder der Ring oder die Brieftasche. So erging es offenbar wiederholt Passagieren am Flughafen Hamburg, die Opfer von Diebstählen wurden. Waren da regelmäßig Täter auf Beutezug? Handelten sie im Team, um am Airport Hamburg den Fluggästen deren Hab und Gut zu klauen?
Dies ist eine der Fragen, die jetzt im Prozess vor dem Amtsgericht geklärt werden sollen. Eine andere ist: War Ervin W. (Name geändert) involviert, wenn im Terminal den Fluggästen ihre Wertsachen abhandenkamen? Der 52-Jährige muss sich im Prozess wegen gewerbsmäßigen Diebstahls verantworten. Laut Anklage hat der bereits vorbestrafte Mann zwischen Anfang November 2022 und März 2023 jeweils mit weiteren bislang unbekannten Mittätern Handtaschen beziehungsweise Wertsachen aus Handtaschen entwendet.
Prozess Hamburg: Angeklagter sollte offenbar am Flughafen die Opfer auswählen
Ervin W. und die Mittäter sollen bei den Taten arbeitsteilig vorgegangen sein, so die Staatsanwaltschaft. Dabei habe der 52-Jährige überwiegend die Aufgabe gehabt, potenzielle Opfer auszuwählen, wenn diese den Sicherheitsbereich verließen. Dann habe er diesen Menschen folgen und die Mittäter telefonisch informieren sollen. Und während sie die Diebstähle begingen, sollte er sie demnach sichern.
Unter anderem soll auf diese Weise einer Frau außerhalb des Terminalgebäudes an einem Kassenautomaten die Handtasche von ihrem Gepäckwagen entwendet worden sein. In der Tasche befanden sich laut Anklage ein Goldring im Wert von rund 2300 Euro sowie 250 Euro Bargeld. Und am 19. März 2023 wurde einer Frau beim Verlassen des Terminals ein Kuvert mit 1200 Euro aus der Tasche entwendet. Dies sei geschehen, nachdem sie von Mittätern des Beschuldigten innerhalb einer Drehtür angesprochen und abgelenkt worden war, so die Anklage weiter.
Flughafen Hamburg: Angeklagter räumt ein, nach Diebstählen Ausschau gehalten zu haben
Ervin W. geriet aufgrund von Videoaufnahmen am Flughafen ins Visier der Ermittler und wurde im vergangenen April schließlich festgenommen. Jetzt sitzt er in Untersuchungshaft. Der Angeklagte, ein auffallend schlanker, hochgewachsener Mann, gibt über seinen Verteidiger eine Erklärung ab, nach der er „nicht bestreitet, sich gelegentlich am Flughafen aufgehalten zu haben“. Dazu gehöre auch, dass er immer mal geschaut habe, ob sich Gelegenheiten für Diebstähle ergeben. „Aber immer allein, niemals mit anderen“, betont der Angeklagte. Mit den ihm vorgeworfenen Straftaten habe er indes nichts zu tun. Er wisse, dass es andere Leute gibt, die dort Diebstähle begehen. Aber mit denen habe er nicht gemeinsame Sache gemacht.
Im Prozess werden etliche Bilder und auch Videoaufnahmen gezeigt, aus denen hervorgehen soll, dass der wegen seiner Statur gut zu erkennende Ervin W. mit anderen gemeinsame Sache mache. Geht er in die gleiche Richtung wie der eigentliche Dieb? Anzeichen dafür, dass sie unmittelbar vor der Tat miteinander telefoniert haben? Kann man sagen, ob sie sich gemeinsam vom Tatort entfernen?
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All dies wird von den Verfahrensbeteiligten noch unterschiedlich bewertet. So merkt der Staatsanwalt an, dass Ervin W. einen der Diebstähle jedenfalls genau beobachte, aber „er macht nicht ansatzweise Anstalten, dazwischenzugehen“, meint der Ankläger. Als Beobachter sei er bei jeder Tat anwesend. Der Prozess wird fortgesetzt.