Hamburg. Sechs Männer stehen wegen Diebstahls von bis zu 100.000 Euro teuren Pkw vor Gericht. Die Richterin ist wegen Verspätungen sauer – und droht.

Die Masche schien einfach und effizient. Immer wieder verschwanden Autos von Parkplätzen unterschiedlicher Schwimmhallen. In mehreren Städten Norddeutschlands wurde nach diesem Muster vorgegangen. Erst beobachtete man die Kunden, die vor dem Schwimmbad vorfuhren, sah heimlich zu, in welchem Spind sie ihre Sachen verschlossen, brach den jeweiligen Schrank auf – und konnte so erst die Fahrzeugschlüssel und schließlich die dazugehörenden Autos entwenden. Etliche Diebstähle gingen so auf das Konto einer Bande – mit Autos, die zum Teil rund 100.000 Euro wert waren.

So sieht es zumindest die Staatsanwaltschaft, die sechs junge Männer vor dem Landgericht Hamburg angeklagt hat. Der Vorwurf gegen sie lautet auf Bandendiebstahl. Der älteste der Angeklagten ist 24, der jüngste gerade 16 Jahre alt. Deshalb wird in einem Prozess vor einer Jugendkammer verhandelt.

Das Gesetz sieht für Bandendiebstahl Freiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und zehn Jahren vor. Bei Angeklagten, die zur Tatzeit jünger als 21 waren, kommen nach dem Jugendrecht auch andere Maßnahmen in Betracht wie Weisungen oder Arbeitsauflagen, aber eben auch Jugendstrafen.

Prozess Hamburg: Autos vor Schwimmbädern gestohlen – so gingen die Diebe vor

Die Autos, auf die es die Täter den Ermittlungen zufolge abgesehen hatten, gehörten zu unterschiedlichen Marken. Audi und Mercedes waren dabei, VW und Volvo, aber auch ein Wohnmobil und ein Multivan. Und mit den Fahrzeugen verschwanden in einzelnen Fällen offenbar auch weitere Gegenstände wie Brieftaschen, Smartphones, hochwertige Sonnenbrillen oder die Handtasche einer Luxusmarke. Ein Opfer vermisste später sogar seinen Ehering, den es offenbar zusammen mit anderen Gegenständen in dem Auto zurückgelassen hatte.

Die Taten ereigneten sich laut Staatsanwaltschaft zwischen November 2022 und November vergangenen Jahres beispielsweise in Hamburg, in Soltau (Niedersachsen) und in Glücksburg in Schleswig-Holstein. Das bevorzugte Terrain der Täter waren demnach Schwimmbäder. Das Kalkül war offenbar: Wer baden geht, lässt sein Auto nicht nur für wenige Minuten auf dem Parkplatz der jeweiligen Schwimmhalle stehen. Und wer ins Wasser will, muss sich dafür umkleiden und braucht einen Spind, um seine Kleidung und andere Gegenstände wegzuschließen. Zum Beispiel den Autoschlüssel.

Autobande: Auch Smartphones, Brieftaschen und Sonnenbrillen gehörten zur Beute

Die Diebe gingen den Ermittlungen zufolge so vor: Sie beobachteten, wer ein Auto parkte, das aus Sicht der Täter eine lohnenswerte Beute abgeben würde. Dann schauten sie, welchen Spind der jeweilige Fahrer nutzte. War der Autobesitzer aus dem Blickfeld, wurde der Spind aufgehebelt oder auf andere Weise unberechtigt geöffnet. Die Schlüssel wurden gestohlen und gegebenenfalls gleich auch die Brieftasche oder das Smartphone. Weitere Beute machten die Täter dann, indem sie mit den gestohlenen Fahrzeugschlüsseln die Autos öffneten, starteten und wegfuhren.

So soll zum Beispiel der 24 Jahre alte Angeklagte gemeinsam mit einem 20 Jahre alten Mitverdächtigen am Abend des 1. Februar vergangenen Jahres einen Audi Q 5 mit einem Zeitwert von rund 35.000 Euro gestohlen haben, weitere Angeklagte in anderer Konstellation einen verschlossen abgestellten Mercedes GLB 180d mit einem Zeitwert von etwa 45.000 Euro. Bei zumindest einigen der Diebstähle wurden die Verdächtigen von der Polizei observiert und schließlich festgenommen.  

Angeklagte Autodiebe räumten bei der Polizei die Taten überwiegend ein

Anschließend kamen sie zumindest für mehrere Wochen in Untersuchungshaft, einer von ihnen für fast fünf Monate. Nachdem sie gegenüber den Ermittlungsbehörden die Taten überwiegend eingeräumt hatten, kamen sie wieder auf freien Fuß – unter zahlreichen Auflagen. Eine davon: Die Angeklagten dürfen untereinander keinen Kontakt aufnehmen.

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Eine Bedingung, die zumindest einzelne der Verdächtigen möglicherweise nicht ganz ernst genommen haben. Die Vorsitzende Richterin teilte mit, dass zwei der jungen Männer sich laut Mitteilung der Polizei jüngst getroffen haben sollen, ein weiterer Angeklagter soll sich ganz in der Nähe des Duos aufgehalten haben. Wird gegen die Auflagen verstoßen, könnte das zur Folge haben, dass die jeweiligen Verdächtigen wieder in Untersuchungshaft genommen werden, machte die Vorsitzende Richterin klar.

Richterin: „Diese Kammer lässt nicht mit sich herumspaßen“

„Das ist jetzt kompletter Ernst. Diese Kammer lässt nicht mit sich herumspaßen.“ Ebenso deutlich redete sie zweien der jungen Männer ins Gewissen, die erst mit 30 Minuten beziehungsweise sogar anderthalb Stunden Verspätung zum Prozess erschienen sind – mit nach Einschätzung der Kammer wenig überzeugenden Begründungen. Auch dies könne, wenn es wieder vorkommt, zur Folge haben, dass sie erneut in Untersuchungshaft müssen, macht die Vorsitzende deutlich.

Am nächsten Verhandlungstag werden sich die Angeklagten vermutlich zu den Vorwürfen äußern. Da sie schon bei der Polizei jeweils einen Großteil der Vorwürfe eingeräumt haben, ist jetzt im Prozess ebenfalls mit Geständnissen zu rechnen. Das Gericht hat vorläufig 16 Hauptverhandlungstage terminiert. Ein Urteil könnte demnach Mitte Dezember verkündet werden.