Hamburg. Für Kinderkliniken und Spezialhäuser gibt es Lösungen, damit sie neben Asklepios und UKE bestehen. Werden Privatversicherte geschont?
Was wird aus den Hamburger Krankenhäusern nach der Krankenhausreform? Was Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) jetzt durch den Bundestag gebracht hat, kann im Bundesrat noch durchfallen. Denn die Bundesländer wie Hamburg sind eigentlich für die Krankenhäuser verantwortlich. Und Bürgermeister Peter Tschentscher sowie Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer haben intensiv mit und gegen ihren Genossen Lauterbach gerungen. Im Ergebnis kann Hamburg mit dieser Mammut-Reform leben. Doch das ist nur eine Seite der Medaille. Für die Patienten und die Krankenversicherten wird sich absehbar einiges ändern.
Die Kinderkrankenhäuser wie das Wilhelmstift in Rahlstedt und das Altonaer Kinderkrankenhaus (AKK) werden ebenso „verschont“ von der neuen Art der Finanzierung wie das auf die Behandlung von Behinderten spezialisierte Evangelische Krankenhaus Alsterdorf. Vorerst wird kein Hamburger Haus geschlossen. Doch wer gibt schon gerne zu, dass seine Klinik in Finanznöten ist? Ins Hamburger Umland ist bereits eine kleine Insolvenzwelle geschwappt. Bundesweit werden zahlreiche Häuser schließen. Das ist auch gewollt.
Krankenhaus Hamburg: Was bringt Lauterbachs Reform den Patienten?
Die Geschäftsführerin der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft, Dr. Claudia Brase, sagte dem Abendblatt: Lauterbachs Reform „unterläuft“ die Hoheit der Länder, wie sie regional ihre Krankenhauslandschaft gestalten wollen. „Eine auskömmliche Finanzierung wird durch die geplante Finanzierungsreform nicht erreicht. Insbesondere werden die Krankenhäuser mit der durch die aktuellen Kostensteigerungen aufgewachsenen Finanzierungslücke von 250 Millionen Euro in Hamburg komplett allein gelassen.“ Dieses Defizit gefährde die Versorgung.
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Müssen nun doch auch in Hamburg Stationen geschlossen, Angebote zusammengelegt werden? Im Hintergrund laufen nach Abendblatt-Informationen bereits Gespräche dazu. Von den Krankenkassen heißt es glockenklar: Auch an Hamburg kann diese Reform nicht einfach vorbeirauschen. Die Krankenhauskosten sind Ausgabentreiber im Gesundheitswesen. Was man hier spart, kann sich auf den Krankenkassenbeitrag von Versicherten und Arbeitgebern auswirken.
Notfälle in Hamburg: Wie viele Notfallpraxen und Notaufnahmen bleiben übrig?
Hamburg hat dennoch eine Sonderstellung. Das hängt zusammen mit der großen Zahl der Kliniken, in denen ein Drittel der Patienten aus dem Umland kommt, mit den bereits hochspezialisierten Häusern (ein Ziel der Reform), den Großanbietern wie Asklepios und UKE und eben den Kinderkrankenhäusern. Hamburg braucht die Reform nicht wie etwa Sachsen oder Bayern.
Doch Hamburg will mit Macht mehr als diese Reform. Nach Abendblatt-Informationen soll vor allem Gesundheitsminister Lauterbach gedrängt werden, die geplante Notfallreform voranzubringen und endlich den gebeutelten Hausärzten den Deckel auf ihren begrenzten Budgets wegzunehmen. Sie sollen mehr Geld bekommen. Tschentscher und Schlotzhauer wollen weg vom Klein-Klein. Sie sehen am Horizont nicht nur die alternde Gesellschaft und erheblich mehr Nachfrage nach medizinischen Behandlungen.
Sie fürchten zudem, dass es immer weniger Hausärzte und niedergelassene Fachärzte in den Quartieren geben wird. Gerade viele junge Mediziner ziehen eine Anstellung dem wirtschaftlichen Risiko einer eigenen Praxis vor. Sie könnten in Zukunft in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) zum Beispiel von Kliniken oder Ärztegemeinschaften arbeiten, die wie ein kleines Krankenhaus mit überschaubarem Angebot und möglicherweise sogar Kurzzeitpflege ausgestattet sind. Kliniken, die nach der Krankenhausreform wegen fehlender Spezialisierung oder mangelnder Größe nicht überleben können, dürfen sich so umbauen.
Hamburger Hausärzte in Zukunft vermehrt an Krankenhäusern?
Womit müssen also Patienten in Zukunft rechnen? Es wird weniger Haus- und Fachärzte wie Orthopäden oder HNO-Experten und Kinderärzte in der Nachbarschaft geben. Die Wege werden für viele länger. Wer die neuen Medizinischen Versorgungszentren dann betreibt, muss sich zeigen. Sind das dann Kliniken wie das Marienkrankenhaus, das schon heute Hausärzte auch am Wochenende behandeln lässt? Sind es die bisherigen Praxisärzte der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), deren Mediziner langsam überaltern und die auch das Personal für die neuen Integrierten Notfallzentren (INZ) an den Krankenhäusern stellen sollen? Oder sind es renditebewusste Firmen, die Ärzte anstellen und sich einen Teil vom Kuchen des medizinischen Angebots in Hamburg abschneiden wollen?
Hamburgs Praxisärzte werden lauter. Sie finden es „Wahnsinn“, dass mit der Krankenhausreform die Kliniken in die ambulante Versorgung drängen. Das sagte KV-Vize Caroline Roos bei der Vertreterversammlung am Mittwoch. Es könnte passieren, dass die Krankenhäuser am Ende für ihre neuen ambulanten Dienste besser bezahlt werden als heute die Praxisärzte. Das sorgt für „Puls“ in den Praxen. Den Ärzten laufen die Medizinischen Fachangestellten weg, weil sie sie nicht so bezahlen können wie die Krankenhäuser. Steigende Mieten und Energiekosten finden sie in den Kassen-Honoraren nicht wieder. Und: Hamburgs Niedergelassene haben ernste Nachwuchssorgen. 37 Prozent sind über 60 Jahre alt.
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„Ungerechte und unsoziale“ Krankenhausreform: Zahlen gesetzlich Versicherte für Privatversicherte mit?
Senatorin Schlotzhauers Devise bei der großen deutschen Krankenhausreform ist: möglichst viel selbst bestimmen. Der Senat ist wenig einverstanden mit den Plänen des Bundes, dass für die Milliarden-Kosten des Übergangs nur die Bundesländer und die gesetzlichen Krankenkassen aufkommen sollen. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Bundesgesundheitsminister die privat Krankenversicherten verschonen möchte. Schlotzhauer sagte dem Abendblatt, für die Milliardenkosten des „Transformationsfonds“ müssten auch Steuergelder aus dem Bundeshaushalt her. Sie sagte außerdem über Lauterbachs groß angekündigte Reform: „Das ist keine Revolution, sondern es handelt sich um Planungen, die erst ab 2028 greifen.“ Dennoch und gerade deshalb sei die Übergangsfinanzierung wichtig.
Der Vorstandschef der Techniker Krankenkasse, Dr. Jens Baas, sprang Schlotzhauer quasi bei: „Es ist ein deutlicher Verstoß gegen die Grundsätze der Krankenhausfinanzierung, dass die Koalition in die Kassen der GKV-Beitragszahlenden greift und daraus 25 Milliarden Euro für den Klinikumbau ausgibt, für den die Beitragszahler gar nicht zuständig sind. Zudem ist es unfair, ungerecht und absolut unsozial, dass die gesetzlichen Krankenkassen die Umstrukturierung der Krankenhäuser für die Private Krankenversicherung mitbezahlen sollen.“