Hamburg. Volksbegehren ist in Hamburg erfolgreich gestartet. Was sich ändert, wenn es Erfolg hat, und wer neben dem FC St. Pauli noch dabei ist.

  • Zukunftsentscheid will das Klimaschutzgesetz in Hamburg verschärfen
  • Rund 66.000 Unterschriften sind nötig für einen Volksentscheid
  • Bilanz nach erstem Wochenende fällt positiv aus

Mag ja sein, dass der Klimaschutz zuletzt nicht mehr das Top-Thema für die Menschen in Deutschland und Hamburg gewesen ist – wie man auch an den eher wenigen Teilnehmern bei Fridays-for-Future-Demonstrationen sehen konnte. Das heißt aber nicht, dass das Problem der Erderwärmung gelöst wäre – wie man wiederum an den zahlreichen Extremwetterereignissen dieses Jahres unschwer erkennen kann. Die Klimabewegung will sich deswegen auch keineswegs zurückziehen, im Gegenteil: In Hamburg macht sie jetzt richtig ernst.

Mit dem „Hamburger Zukunftsentscheid“ will eine von Fridays for Future gestartete Volksinitiative das Hamburger Klimaschutzgesetz deutlich nachschärfen. Am Sonnabend startete offiziell das Volksbegehren für den Zukunftsentscheid. Sollte die Initiative bis zum Sammelschluss am 18. Oktober mindestens die nötigen 65.835 Unterschriften zusammenbekommen, käme es zum Volksentscheid über ihre Vorschläge, und zwar parallel zur Bundestagswahl im September 2025.

Zukunftsentscheid Hamburg: Das will die Volksinitiative durchsetzen

Die wesentlichen Forderungen der Initiative:

  • Hamburg soll nicht erst 2045 klimaneutral werden, sondern bereits 2040.
  • Es werden verbindliche jährliche Reduktionsziele für den CO2-Ausstoß festgelegt.
  • Der Senat muss jeweils zur Jahresmitte eine „Schätzbilanz“ für das Vorjahr vorlegen.
  • Werden die Ziele darin nicht erreicht, müssen „Sofortmaßnahmen“ beschlossen werden, um bei der CO2-Reduktion nachzusteuern.
  • Der Senat soll jährliche Reduktionsziele für die einzelnen Sektoren (Verkehr, Haushalte, Industrie etc.) festlegen.
  • Die Klimamaßnahmen müssen künftig „sozialverträglich“ umgesetzt werden.

Unterstützt wird der Zukunftsentscheid von den Naturschutzverbänden Nabu und BUND, von der Gewerkschaft Ver.di, dem Mieterverein zu Hamburg und einer Vielzahl anderer Organisationen. Rein formal betrachtet soll durch den angestrebten Volksentscheid ein „Klimaschutzverbesserungsgesetz“ beschlossen werden, durch das das Hamburger Klimaschutzgesetz an den entsprechenden Stellen nachgeschärft würde. Ziel der Initiative ist es, nicht nur die nötigen rund 66.000 Unterschriften zu sammeln, sondern sogar 100.000.

Klimaschutz Hamburg: Am ersten Wochenende bereits 14.795 Unterschriften

Für das erste Wochenende zog die Initiative am Dienstag eine positive Zwischenbilanz. „Wir sind mit 14.795 Unterschriften nach einem Wochenende ins Volksbegehren gestartet und auf einem guten Weg, unser Ziel von 100.000 Unterschriften zu erreichen“, sagte Lou Töllner, Sprecherin für den Hamburger Zukunftsentscheid. „Wir haben noch viel vor uns! Wir freuen uns sehr über die Zustimmung, auf die wir in den letzten Tagen gestoßen sind, denn mit genau diesem Tempo muss es weitergehen.“

Demonstration Fridays for Future
Mehrere Hundert Anhänger der Klimabewegung Fridays for Future (FFF) demonstrieren 2023 in der Hamburger Innenstadt. Zuletzt kamen deutlich weniger Menschen zu den Kundgebungen für mehr Klimaschutz. © picture alliance/dpa | Christian Charisius

Dabei sehen die Initiatoren ihre Forderungen keinesfalls als besonders radikal an. So gebe es bereits sieben Bundesländer, die sich das Ziel der Klimaneutralität bereits bis 2040 gesetzt hätten, Hamburg hinke hier also hinterher. Viele Landesverwaltungen wollten sogar schon bis 2030 klimaneutral sein.

Fridays for Future: Initiative fordert regelmäßige Kontrolle der Fortschritte

Auch legt die Initiative Wert darauf, dass regelmäßig kontrolliert werde, ob man bei der CO₂-Reduktion ausreichend schnell vorankomme. „Ohne eine regelmäßige Kontrolle verbindlicher Ziele läuft Hamburg Gefahr, die Transformation zu verschlafen und gleichzeitig in Maßnahmen mit geringer Wirkung zu investieren“, schreiben die Initiatoren auf ihrer Internetseite. „Damit das nicht passiert, führt der Zukunftsentscheid eine beschleunigte Bilanzierung, Sofortprogramme und eine Anrechnung von Zielverfehlungen ein.“

Schon die Internetseite der Initiative gibt einen Eindruck darüber, wie gut der Zukunftsentscheid organisiert ist. Dort gibt es Infos über die Möglichkeit, per Brief für das Volksbegehren zu unterschreiben. Es werden zu unterschiedlichen Terminen Sammeltrainings für ehrenamtliche Mitstreiter angeboten und Gruppen des Messengerdienstes Telegram für die einzelnen Bezirke angeboten, in denen sich Interessierte vernetzen können.

Jan Delay, FC St. Pauli und Kirsten Boie: Prominente unterstützen Zukunftsentscheid

Auch hat die Initiative neben den bisher 300 Ehrenamtlichen bereits für prominente Hilfe gesorgt. So wird der Zukunftsentscheid nach eigener Auskunft etwa von Schriftstellerin und Hamburger Ehrenbürgerin Kirsten Boie, dem FC St. Pauli, Segler Boris Herrmann und Musiker Jan Delay unterstützt. Schriftstellerin Boie zitieren die Klimaaktivisten so: „Hamburg ist als Hafen- und Hansestadt in einer besonderen Situation. Gemeinsam mit allen Akteuren eine zukunftsfähige Klimapolitik gestalten – das muss uns gelingen.”

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Der Senat geht übrigens davon aus, dass der Zukunftsentscheid mit der Verfassung vereinbar ist. Deswegen hat er, anders als bei manch anderer Initiative, in diesem Fall nicht das Verfassungsgericht angerufen, um dies zu prüfen. Viele Grünen-Politiker sympathisieren mit der Initiative oder unterstützen sie offen. Für sie wäre ein erfolgreicher Volksentscheid wohl ein willkommenes Instrument, um den Klimaschutz in Hamburg so zu verschärfen, wie sie es in der Koalition mit der SPD bisher nicht durchsetzen konnten.