Hamburg. Wassermassen fluten Straßen, Baum stürzt auf Auto mit Insassen. Außerdem scharfe Kritik an die Politik. Aktionsplan zu Klimaanpassungen gefordert.
Riesige Wassermassen fluteten am Mittwochnachmittag die Straßen Hamburgs. Besonders schwer betroffen war der Osten der Stadt von Bergedorf bis Wandsbek. Gegen 16.30 Uhr gingen die ersten Notrufe ein, am Ende sollten es rund 900 wetterbedingte Einsätze werden. Unterstützt wurde die Feuerwehr Hamburg dabei von rund 80 Freiwilligen Feuerwehren, sämtlichen Berufsfeuerwehren und dem Technischen Hilfswerk. Die Beamten sprachen vom Ausnahmezustand.
Die Arbeit dauerte bis in die Morgenstunden an, und dürfte die Einsatzkräfte auch noch „den ganzen Vormittag“ beschäftigen, hieß es am frühen Donnerstagmorgen auf Abendblatt-Nachfrage von einem Lagedienstsprecher der Feuerwehr Hamburg. „Derzeit haben wir fünf Einsatzstellen mit Unwetterbezug und es kommt alle paar Minuten eine dazu.“
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Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hatte für Hamburg zuvor eine amtliche Warnung vor starken Gewittern herausgegeben, die von Südwesten aufziehen würden. Zu rechnen sei mit Sturmböen mit Geschwindigkeiten um die 65 km/h sowie Starkregen mit Niederschlagsmengen um 25 Liter pro Quadratmeter und Stunde. Die Warnung galt für den Norden und den Osten der Stadt noch bis 20 Uhr. Für die westlichen Stadtteile wie Altona oder Eimsbüttel wurde sie bereits früher wieder aufgehoben.
Unwetter Hamburg: Land unter in Billstedt – Möllner Landstraße überflutet
Besonders heftig hatte es die Möllner Landstraße in Hamburg-Billstedt getroffen. Es prasselte in kurzer Zeit so viel Regen auf den Asphalt, dass die Kanalisation das Wasser nicht mehr aufnehmen konnte – es sprudelte sogar aus den Gullys hoch. Autos bahnten sich mit einiger Mühe ihren Weg durch die Fluten, die dann recht schnell wieder zurückgingen.
Nach Angaben der Feuerwehr und von Zeugen vor Ort kam es nicht zu größeren Schäden. Die Straße ist allerdings auch besonders gut vor Starkregenereignissen geschützt: Unter dem Hein-Klink-Stadion stehen riesige Tanks, in die nach Starkregen kontrolliert Wasser eingeleitet wird, das dann versickern kann. So soll das gesamte Quartier vor schlimmen Überflutungen durch solche Extremwettereignisse geschützt werden.
Auch im Mai 2022 stand die Straße unter Wasser, und zwar knietief, im Mai 2018 sah es ähnlich aus, und ganz besonders schlimm traf es die Straße ein paar Meter weiter, auf Oststeinbeker Gebiet, im Juli 2016. Da verwandelte ein Unwetter sie in einen Fluss.
Baum stürzt auf Auto: Feuerwehr muss eingeklemmte Insassen retten
Während das Unwetter in Billstedt mit großer Wucht zuschlug, blieben andere Stadtteile verschont – oder besser: zunächst verschont. Die Feuerwehr zählte gegen 16.30 Uhr lediglich drei wetterbedingte Einsätze. So hatten sich am Ballindamm offenbar einige Steine von einer Backsteinfassade gelöst. Einen kleineren Einsatz gab es überdies am Barsbütteler Weg, wie ein Feuerwehrsprecher dem Abendblatt auf Anfrage bestätigte.
Gegen 17 Uhr verfinsterte sich der Himmel. Während in der City und im Westen der Stadt vor allem ein Grummeln und Grollen zu hören war und der Regen sich in Grenzen hielt, ging es im Osten Hamburgs richtig zur Sache. Die Einsatzzahlen schnellten so plötzlich und so dramatisch in die Höhe, dass die Feuerwehr den Ausnahmezustand ausrufen musste. Gegen 21.30 Uhr hieß es, dass insgesamt rund 600 Einsätze aufgelaufen seien und Stück für Stück abgearbeitet würden. „Das ging sehr schnell, sehr steil nach oben“, sagte der Sprecher dem Abendblatt.
Betroffen seien weiterhin die nördlichen und östlichen Stadtteile, vor allem der Bereich von Billstedt bis Bergedorf. Meist seien überflutete Straßen oder vollgelaufene Keller das Problem. An der Bergedorfer Straße wurden zwei PKW an unterschiedlichen Stellen von umstürzenden Bäumen getroffen und mussten befreit werden. Denn: „Die beiden PKW wurden so stark verformt, dass die Insassen die Fahrzeuge nicht mehr selbstständig verlassen konnten“, hieß es anschließend von der Feuerwehr dazu.
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Die Insassen seien unverletzt geblieben, sicherheitshalber aber dennoch mit dem Rettungswagen in ein Krankenhaus transportiert worden, sagte der Sprecher noch am Abend gegenüber dem Abendblatt.
Besonders schlimm war die Lage auch in der Hochhaussiedlung Mümmelmannsberg. Dort seien die Keller und Tiefgaragen teilweise fast bis unter die Decke vollgelaufen, hieß es bei der Feuerwehr. Ganze Straßenzüge seien vorübergehend geflutet worden. „In den Straßen Rahewinkel und Heideblöck stand in fast allen tiefergelegenen Räumen das Wasser bis zu einer Höhe von 1,50 Metern.“
Wassermassen unterspülen Haus in Billstedt – Evakuierung
Dramatisch entwickelte sich die Lage am späten Mittwochabend auch in Billstedt an der Steinberger Hauptstraße und An der Glinder Au: Dort hatten die Fluten vermutlich ein Mehrfamilienhaus unterspült. 16 Personen mussten von der Feuerwehr aus dem Gebäude geholt werden und konnten in der näheren Umgebung untergebracht werden.
Ein Statiker erklärte das Haus für unbewohnbar, wie der Lagedienst am Donnerstagmorgen auf Abendblatt-Anfrage bekannt gab. Gegen 3.30 Uhr wurde das Gebäude wieder an den Besitzer übergeben.
Zudem seien eine Straßenbrücke und eine nahe gelegene Garage von den Wassermassen beschädigt worden, sagte ein Feuerwehrsprecher. Verletzt wurde glücklicherweise in dem Gebäude niemand.
Nach Unwetter – BUND äußert scharfe Kritik an Hamburger Senat
Am Tag nach dem Unwetter wird Kritik vom laut. Allerdings nicht an den Einsatzkräften, sondern an der Politik und der Umsetzung von Klimaanpassungsmaßnahmen. Neben einer vom Senat erstellten Starkregen-Hinweis-Karte und einem geplanten Hitzeaktionsplan fehle es laut BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz) Hamburg an einer umfassenden Strategie.
Sabine Sommer, Vorsitzende des BUND Hamburg, sagt: „Der Senat entzieht sich seiner Verantwortung. Ohne eine Strategie und Umsetzungsplanung mit konkreten Maßnahmen, eindeutig geregelten Zuständigkeiten, messbaren Zielen, einem klaren Kommunikationskonzept und ausreichender Finanzierung bleibt jede Karte wirkungslos.“
Die Forderung: Ein stadtweites Handlungskonzept, das Maßnahmen zur Starkregen- und Hitzevorsorge, klare Verantwortlichkeiten, messbare Ziele sowie Haushaltsmittel festlegt und Zeiträume definiert.