Hamburg (dpa/lno). Hamburg soll bis 2040 klimaneutral werden - das ist die Forderung einer Volksinitiative. Ihr Gesetzesentwurf wurde nun Thema in der Bürgerschaft. Die Reaktionen der Abgeordneten fielen gemischt aus.
Vertreter der Volksinitiative „Hamburger Zukunftsentscheid“ haben den Abgeordneten der Bürgerschaft und Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) ihre Pläne für eine Überarbeitung des Hamburgischen Klimaschutzgesetzes vorgestellt. Bei einer Anhörung im Umweltausschuss berichteten die Sprecher der Initiative am Freitag, wie die Stadt unter anderem durch jährliche Zwischenziele und regelmäßiges Monitoring schon 2040 klimaneutral werden soll - fünf Jahre früher als vom Senat geplant.
Klimaplan als gesetzlicher Rahmen
„Wir wollen gemeinsam einen fairen und verlässlichen Rahmen für die Klimapolitik in den nächsten Jahren festlegen“, sagte Lou Töllner über die Ziele der Volksinitiative. Die Verantwortung für die Transformation liege bei Bürgerschaft und Senat, ihr Vorschlag solle diesen Rahmen aber ergänzen.
Der Plan sieht jährliche Obergrenzen für den CO2-Ausstoß vor. Konkrete Ziele für einzelne Sektoren enthält der Entwurf aber nicht - diese sollen nach Angaben der Initiative in der Bürgerschaft entschieden und im Klimaplan der Stadt verankert werden. Auch Sozialverträglichkeit ist ein Anliegen der Initiative. Die Transformation solle nicht auf Kosten der Ärmsten stattfinden, sagte Töllner.
Eine rechtliche Einschätzung zu den vorgestellten Klimaplänen gab Roda Verheyen als beratende Anwältin der Volksinitiative. Sie sprach von einem „maßvollen Entwurf“, an dessen Verfassungsmäßigkeit sie keine Zweifel habe.
Der Senat hatte Ende Februar das Zustandekommen der Initiative bestätigt, nachdem zuvor mehr als 23.000 Unterschriften eingereicht worden waren. Angestoßen wurde sie von der Klimabewegung Fridays for Future, unterstützt wird sie unter anderem vom Umweltverband Nabu, der Gewerkschaft Verdi und dem Mieterverein Hamburg.
Beratungen der Koalitionspartner stehen an
Die klimapolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Rosa Domm, sprach nach der Anhörung von einem „Eindruck, dass aus der gesamten Initiative etwas Positives für die Stadt entsteht, dass wir wirklich auch im Klimaschutz vorankommen.“ Die Fraktion sei überzeugt, dass zivilgesellschaftlicher Einsatz für den Klimaschutz wichtig sei, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Den vorgestellten Entwurf bezeichnete auch sie als maßvoll. „Wir als Grüne sind überzeugt davon, dass diese Ziele auch einhaltbar sind und dass wir noch viele Maßnahmen in petto haben, um diese Ziele zu erreichen.“
Zurückhaltender äußerte sich SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf. Man sei sich mit der Initiative einig geworden, dass ambitionierter Klimaschutz nötig sei und dass man in dem Kontext auch die Verantwortung des Bundes mit einrechnen müsse, sagte er nach der Anhörung. „Wir haben natürlich Themen, die wir noch beraten müssen“, fügte er hinzu. Diskussionspunkte seien etwa der vorgestellte lineare Absenkungsprozess der Emissionen und die Konkretisierung der Sofortmaßnahmen. „Und das Thema Sozialverträglichkeit kann unter anderem zu wirklich sehr hohen Kosten führen. Da muss man sehen, wie man das aufgrund der Haushaltsenge tatsächlich finanzieren kann.“
Im nächsten Schritt wird die rot-grüne Koalition, die kürzlich erst die Verabschiedung des Klimaschutzgesetzes als Meilenstein gefeiert hatte, über die Ideen der Volksinitiative beraten. Die Vertreter beider Fraktionen betonten, die wichtige Rolle Hamburgs als Wirtschaftsstandort müsse dabei mitgedacht werden.
Die Bürgerschaft hat bis Ende Mai Zeit, sich mit dem Anliegen zu befassen. Sollte das Parlament die Ziele der Initiative ablehnen, wäre der Weg für ein Volksbegehren und letztlich auch für einen Volksentscheid frei. Der könnte dann zusammen mit der Bundestagswahl 2025 stattfinden.
Abgeordnete äußern auch Bedenken
Schon während der Sitzung hatten die vorgestellten Pläne bei den Abgeordneten gemischte Reaktionen hervorgerufen. „Ich kann wirklich betonen, dass wir die Initiative als Linksfraktion sehr begrüßen“, sagte etwa deren umweltpolitische Sprecher, Stephan Jersch. Er hoffe, dass der Vorschlag eine „Anschubhilfe“ für den Senat werde.
Der energiepolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Stephan Gamm, betonte unter anderem die Planbarkeit für die Wirtschaft. Dazu sei es wichtig, die Energiepreise „auf attraktivem Niveau zu halten“. Darüber hinaus kritisierte Gamm, dass die Forderung nach Sozialverträglichkeit im Entwurf schwammig bleibe. „Sie tauchen weg bei der Frage, was es kostet und wer es zahlen soll“, sagte er.
Thomas Reich, umweltpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, gab zu bedenken, dass es der Initiative gelingen müsse, alle Bürger mitzunehmen.
Entscheidung bis Ende Mai erwartet
Aufmerksamkeit für den Zukunftsentscheid sollte auch eine Demonstration von Fridays for Future erwirken, die zeitgleich mit der Sitzung auf der Mönckebergstraße stattfand. „Power to the People“ (deutsch: Macht für das Volk) stand auf einem großen Transparent. Im Rathaus verfolgten am Nachmittag etwa dreißig Besucherinnen und Besucher die Anhörung.
Der Senat habe die Meinungsbildung zur Volksinitiative noch nicht abgeschlossen, sagte Umweltsenator Kerstan am Ende der Sitzung. „Zum jetzigen Zeitpunkt ist eine Entscheidung auch weder notwendig noch in Vorbereitung.“