Hamburg. Bündnis sammelt in Rekordzeit 20.000 Unterschriften. Ziele und Zahlen sollen verbindlich werden. 2025 könnten Bürger abstimmen.
Das ging ganz schön fix: In Rekordzeit hat ein Bündnis, das sich für einen „Zukunftsentscheid“ zugunsten eines besseren Klimaschutzes in Hamburg einsetzt, die notwendigen Stimmen zusammenbekommen, um im Herbst im zweiten Schritt die Durchführung eines Volksbegehrens zu erzwingen. Erst Anfang Januar hatten die Klimaschützer von Fridays for Future und andere Umweltschutzorganisationen mit der Sammlung begonnen. Nach weniger als vier Wochen hat die Initiative mehr als 20.000 Unterschriften für das „Klimaschutzverbesserungsgesetz“ gesammelt. Die Listen werden heute im Rathaus übergeben. Für eine erfolgreiche Volksinitiative sind 10.000 gültige Unterschriften erforderlich.
Das Bündnis will konkret auf die Klimapolitik des rot-grünen Senats in der Hansestadt Einfluss nehmen. „Wir sind bei den Hamburgerinnen und Hamburgern auf viel Zustimmung gestoßen, sodass wir deutlich schneller als vorgesehen die benötigten Unterschriften sammeln konnten“, sagt Lou Töllner, Sprecherin für den „Hamburger Zukunftsentscheid“. „Das freut uns sehr, denn wir haben es eilig.“ Am Mittwoch will die Initiative die Unterschriften offiziell im Rathaus einreichen. Nach Prüfung durch das Landeswahlamt muss sich die Hamburgische Bürgerschaft mit der Volksinitiative befassen.
Mehr Klimaschutz: 2025 könnten die Hamburger abstimmen
Übernimmt diese die Vorlage nicht, ist die nächste Stufe des Volksgesetzgebungsverfahrens, das Volksbegehren, für den Herbst 2024 geplant. Dann müssen binnen drei Wochen rund 67.000 Unterschriften gesammelt werden, eine deutlich höhere Hürde. Den großen Zuspruch und schnellen Erfolg seit Jahresbeginn werten die Initiatoren aber als Rückenwind für diese Aufgabe. Parallel zur Bundestagswahl im Jahr 2025 könnten die Hamburgerinnen und Hamburger aufgefordert sein, in einem Volksentscheid über den richtigen Klimaschutz abzustimmen.
„Der überwältigende Zuspruch zum Zukunftsentscheid zeigt jetzt, dass auch der Bevölkerung der Status quo nicht reicht“, sagt Malte Siegert, Vorsitzender des Nabu Hamburg. Er habe keine Zweifel, dass die Aktiven auch die rund 67.000 Stimmen für ein Volksbegehren für mehr Klimaschutz in Hamburg schaffen würden. Siegert: „Sollte es jetzt keine Einigung mit der Bürgerschaft geben, wird der Nabu die Initiative tatkräftig unterstützen.“
Das Bündnis aus Fridays for Future, Nabu, Ver.di, dem Mieterverein zu Hamburg und anderen will den Senat auf einen „sozial gerechten, wissenschaftsbasierten und wirtschaftlich ausgewogenen Klimaschutz in Hamburg verpflichten und der Hamburger Klimapolitik einen verlässlichen Rahmen geben“. Kernpunkte des Vorschlags sind die gesetzlich verpflichtende Sozialverträglichkeit von Klimaschutzmaßnahmen sowie ein jährliches Maximalbudget für CO₂-Emissionen bis zur Klimaneutralität 2040. „Hamburg hat ein Klimaschutzgesetz verdient, das einen klaren Rahmen für die Klimaneutralität setzt und alle auf dem Weg dorthin mitnimmt“, sagt „Zukunftsentscheid“-Sprecherin Lou Töllner.
Klimaschutz in Hamburg soll sich an jährlichen Zielen orientieren
„Kern unseres Gesetzentwurfs sind jährliche Ziele, gesetzlich verpflichtende Sozialverträglichkeit von Klimaschutzmaßnahmen sowie Klimaneutralität 2040“, hatte Annika Rittmann, Sprecherin von Fridays for Future in Hamburg, zum Start der Volksinitiative angekündigt. Jeder Hamburger und jede Hamburgerin müsse die Möglichkeit haben zu verstehen, was die Politik tut, um die Klimakrise einzudämmen. „Für diese Transparenz, für mehr Verbindlichkeit und eine bessere Zukunft sammeln wir die kommenden Wochen auf Hamburgs Straßen Unterschriften und laden alle Menschen ein, sich zu beteiligen.“ Die Bewegung nennt die zum Jahresbeginn 2024 in Hamburg in Kraft getretene Novellierung des Klimaschutzgesetzes unzureichend.
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Obwohl die Klimakrise bei uns schon lange Realität ist, werde die lange überfällige Transformation weiter vor sich her geschoben. „Das wollen wir ändern“, sagt Klimaschützerin Lou Töllner für den Hamburger Zukunftsentscheid. Zum Bündnis zählt neben Fridays for Future u. a. auch die Gewerkschaft Ver.di und der Mieterverein.
Hamburger Zukunftsentscheid: Klimaschützer tragen Protest von der Straße in Wahllokale
Mit dem Volksentscheid geht die Klimaschutzbewegung einen ganz neuen Weg, trägt den Protest gewissermaßen von der Straße in die Wahllokale. „Wir werden weiterdemonstrieren“, weil das eine wichtige politische Beteiligungsmöglichkeit ist – auch für Jüngere, die noch nicht wählen oder an einem Volksentscheid teilnehmen können“, hatte Annika Rittmann dem Abendblatt gesagt. Doch dieser Protest dürfe sich nicht ausschließlich auf der Straße widerspiegeln.
„Mit unserer Volksinitiative geben wir allen Menschen die Möglichkeit, der Politik zu signalisieren, dass sie die Notwendigkeit dringender Klimaschutzmaßnahmen sehen. Dafür gibt es laut Umfragen eine klare Mehrheit, und dieser wollen wir eine Stimme geben“, so Rittmann. „Gemeinsam können wir das immer wieder vorgebrachte Gefühl ,Menschen finden das nicht gut‘ aufbrechen, das oftmals gegen Klimaschutzmaßnahmen angeführt wird. Wir werden mit dem Volksentscheid zeigen: Die Menschen wollen mehr Klimaschutz und einen klaren Rahmen zur Überprüfung der Anstrengungen hier in Hamburg.“