Hamburg. Anna-Theresa Korbutt hat ihre dritte Tochter geboren. Für den einen ist sie ein Management-Genie, für andere eine Rabenmutter, erzählt sie.
Elternzeit? Da kann Anna-Theresa Korbutt drauf verzichten – zumindest fast. Die Geschäftsführerin des Hamburger Verkehrsverbunds (HVV) hat vor knapp zwei Monaten ihre jüngste Tochter geboren, für manche Mails und Meetings hat sie aber längst wieder Zeit. Und für alle Termine rund ums Deutschlandticket sowieso, ganz offensichtlich ein Herzensprojekt von Korbutt. „Nach drei Kindern ist man schon geübt und weiß, wie Arbeit und Baby miteinander vereinbar sind“, sagt die HVV-Chefin, die noch zwei weitere Töchter hat.
Zum Maßstab möchte sich die Managerin damit aber nicht machen, sagt sie ganz klar: „Manche Mütter haben Schreibabys, oder die Geburt verläuft nicht gut. Ich habe das Glück, dass meine Kinder sehr ruhige Kinder sind, die nachts schlafen und gut essen“, sagt Korbutt. Allerdings: Während eines Pressegesprächs ganz lässig das Baby zu stillen muss man auch können und wollen.
HVV: Kinder, Küche, Karriere – so jongliert die Chefin Baby und Büro
Sie wolle ihre Arbeitszeit nach dem gemeinsamen Familienurlaub wieder „sequenziell hochfahren“, erzählt Korbutt. Schon nach dem Jahreswechsel sei sie dann wieder voll am Start. Möglich ist das offenbar mühelose Jonglieren von Baby und Büro für die HVV-Chefin auch, weil sie ein verlässliches Team um sich weiß – sowohl im beruflichen als auch im familiären Umfeld. „Die Unterstützung, auch durch meine Eltern, ist elementar. Das ist super, wenn man Eltern hat, die in der Kinderbetreuung aufgehen. Für sie ist das keine Last – im Gegenteil.“
Korbutt, Ehemann und Kinder wohnen in Wien, wenige Minuten entfernt auch ihre Eltern. Der ursprüngliche Plan, gemeinsam ein „Dreigenerationenhaus“ in Stellingen zu beziehen, verzögert sich. „Deutsche Bürokratie“ sei das Stichwort und Korbutt daher weiterhin Wahlwienerin. Im Schnitt halte sie sich alle zwei Wochen für drei Tage in Hamburg auf.
Das dürfte die Managerin, ganz ihrem Posten entsprechend, zu Hamburgs heftigster Pendlerin machen. Allerdings gibt sie zu: Bahnfahrten über sechs Stunden sind einfach nicht drin. Die ÖPNV-Verfechterin ist Vielfliegerin. „Das wollen manche nicht hören, aber da bin ich ehrlich“, sagt Korbutt. „Wenn Sie Mutter oder Vater sind und Sie verlieren jeweils noch eine Nacht mehr an einem anderen Ort, dann sind Sie ja gar nicht mehr zu Hause. Work-Life-Balance heißt für mich Work-Family-Balance.“
Mutter und Managerin: HVV-Chefin muss auch oft Nein sagen
Korbutt – früher Profitänzerin– gibt sich ehrgeizig, diszipliniert. Sowohl Work als auch Family will die 44-Jährige täglich mit Bravour meistern. Abstriche in ihrer Rolle als Mutter gebe es trotz Chefposten nicht. „Ich koche jeden Abend für die Kinder, ich gehe einkaufen, ich lese Geschichten, ich wasche sie, ich mache mit ihnen Hausaufgaben – und ich mache das supergerne“, sagt sie. „Aber genauso supergerne mache ich meinen Job. Die Herausforderung ist, das alles in den festen Zeitschablonen, die ich habe, abzuwickeln.“ Auch eine HVV-Chefin hat schließlich nicht mehr als 24 Stunden am Tag zur Verfügung.
Die Lösung: unbedingte Effizienz, ohne Wenn und Aber. „Mir wurde das Planen und Organisieren in die Wiege gelegt. Da muss man auch gut Nein sagen können und priorisieren ohne Ende“, erklärt Korbutt. Sie müsse sich genau überlegen, welche Auswärtstermine sie wahrnehmen könne, für welche Meetings sie in Hamburg benötigt werde. „Es ist immer wieder eine Abwägungssache, denn die Kinder müssen betreut sein, wenn ich weg bin, das steht an oberster Stelle.“ Mutter zu sein bedeutet eben auch Management.
Gelegen komme ihr dabei ganz besonders eine Eigenschaft: „Mich nervt alles, was nicht einfach ist“, sagt Korbutt. „Bei mir ist es so: Wenn ich einen Prozess sehe, weiß ich sofort, wie es noch einfacher geht.“ Das ist nicht nur der Ausgangspunkt für die neue Tarifstruktur, die der HVV erhalten soll, sondern auch grundlegend für das Pensum, das Korbutt täglich meistern muss.
HVV-Chefin über die DB: „So verliert man Kunden“
Apropos Mobilität: Wie nervig ist die Deutsche Bahn (DB), wenn man drei Kinder in Wien, einen Topjob in Hamburg und Meetings in ganz Deutschland unter einen Hut zu bringen versucht? „Egal ob als Managerin oder Mutter: Der Zug sollte pünktlich kommen. Sie wollen nicht mit drei Kindern am Bahnsteig stehen, und Sie wollen auch nicht am Bahnsteig stehen, wenn Sie einen wichtigen Termin haben“, so die HVV-Chefin. Und sie sagt deutlich: Im Vergleich mit den Bahnen in Österreich oder der Schweiz (auch da lebte Korbutt schon) schmiert die DB ganz schön ab.
Der Grund dafür liegt für die ÖPNV-Expertin auf der Hand. In Deutschland sei in den vergangenen Jahren zu wenig investiert worden. Österreich und die Schweiz hätten, gemessen an ihrem Bruttoinlandsprodukt, deutlich mehr Geld in die Schiene gesteckt. „Wir haben diesen Investitionsstau in Deutschland, und jetzt versucht man, alles möglichst in einem Rutsch auf Vordermann zu bringen. Baustellen werden aufgemacht, Strecken komplett gesperrt, Hochleistungskorridore zugemacht, damit man sanieren kann. Das ist dringend erforderlich, doch so verliert man auch Kunden.“
Hamburgs HVV-Chefin mit Hass bei Social Media konfrontiert
Korbutt, die mit ihrem prallgefüllten Terminkalender auch bei Social Media hausieren geht, schlägt nicht nur Bewunderung entgegen. „Es gibt Menschen, die das tolerieren, und welche, die mich als Rabenmutter beschimpfen“, erzählt sie. „Frauen sind untereinander ja oft die härtesten Rivalen. Nachdem ich mein drittes Kind bekommen habe, gab es auch Aussagen auf Social Media von wegen: ,Das macht sie nur, um an den nächsten Vorstandsposten zu kommen.‘“ Darauf gibt die 44-Jährige natürlich nichts, das fräße ja auch nur kostbare Zeit.
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Zumal die Managerin selbst gute Erfahrungen mit berufstätigen Müttern mache. Frauen, die mit Kleinkindern arbeiten gehen, seien oft effizient. „Sie schaffen in ihren wenigen Stunden, in denen sie da sind, manchmal mehr als eine Vollzeitkraft“, beobachtet Korbutt.
Erschweren will sie ihnen den Karriereweg deshalb auf keinen Fall. Wer beim HVV arbeite und ein Kind bekomme, könne auf die Unterstützung des Arbeitgebers zählen: „Mütter können sofort mit ihrem Kind ins Büro kommen oder sie können drei Jahre zu Hause bleiben und sich nur um ihre Familie kümmern – das ist auch okay. Das wird nicht bewertet, und das soll jeder für sich selber entscheiden.“
Diverse Teams für den HVV in Hamburg von hohem Wert
In den Augen der HVV-Chefin ist noch viel Luft nach oben, was die Geschlechtergerechtigkeit und Diversität in der Arbeitswelt angeht. Gerade weil sie die Erfahrung gemacht habe, dass Männer und Frauen sich im Job hervorragend ergänzen, weil sie zuweilen unterschiedliche Perspektiven und Lösungsansätze mitbringen – für die Managerin von unschätzbarem Wert.
„Schade finde ich, dass Diversität in vielen Fällen nur über Quoten erreicht wird“, sagt sie. Das müsse sich dringend ändern. „Ich mag es nicht, wenn man mir nachsagt: ,Du hast den Job nur bekommen, weil du eine Frau bist.‘ Das musste ich mir schon so oft anhören.“
Wenn sie sieht, mit welchen Schwierigkeiten Frauen im Job konfrontiert sind, denkt Korbutt natürlich auch an ihre drei Töchter. Die älteste ist gerade sieben Jahre alt. „Ich hoffe, dass sie sich damit nicht mehr herumschlagen müssen“, sagt die HVV-Chefin. „Ich rüste sie zwar dafür, aber wir sagen unseren Mädchen ganz deutlich: ,Ich könnt alles machen, es gibt keine Grenzen.‘ So werden sie erzogen.“