Hamburg. Wer Familie und Beruf miteinander vereinbaren will, stößt schon mal an seine Grenzen. Frauen leisten mehr – oft weil sie es wollen.

Mit leuchtenden Augen schwärmte die junge Frau von ihrem Dasein als Mutter zweier Söhne, ein paar Monate und zwei Jahre alt. „Wir haben ein großes Familienbett. Da schlafen wir jetzt alle gemeinsam drin“, verriet Peaches Geldof am 22. Januar 2014 der aus­tralischen TV-Morgenshow „Studio 10“. „Mutter zu sein, hat mich bodenständig gemacht. Es macht richtig Spaß, eine Mama zu sein.“

Was damals niemand ahnen konnte: Wenige Wochen später war die Tochter von Sir Bob Geldof, dem Organisator des Live-Aid-Konzerts von 1985, tot. Sie starb mit nur 25 Jahren an einer Überdosis Heroin. Hatte sie in dem Interview noch so lebenslustig und zuversichtlich gewirkt, so kehrten danach die Dämonen ihres Lebens zurück.

Familie und Beruf konkurrieren um die wichtigste Ressource

Natürlich ist das ein extremes Beispiel, aber es zeigt, wie groß der Widerspruch zwischen äußerer Fassade und innerer Wirklichkeit bei einem Menschen sein kann. Wie selbst jemand an seinem Leben zerbrechen kann, der scheinbar alles hat: Reichtum, Schönheit und die Geborgenheit einer Familie. Peaches Geldof wäre am Sonnabend, 16. März, 35 Jahre alt geworden. Er gehe im Kopf immer wieder durch, was er hätte tun können, gestand Bob Geldof einmal dem britischen Sender ITV. „Du gibst dir selbst die Schuld. Du bist der Vater, der die Verantwortung trägt und eindeutig versagt hat.“

Bob Geldof und seine Tochter Peaches 2009
Bob Geldof und seine Tochter Peaches 2009 © dpa | Zak Hussein

Bei der Frage nach einem harmonischen Verhältnis zwischen Familie und Beruf geht es also um nicht weniger als das Seelenheil eines Menschen. Perfekte Eltern zu sein, das erscheint dabei oft wie ein unerreichbares Idealbild. Denn Familie und Beruf konkurrieren um die wichtigste Ressource, die ein Elternteil zu vergeben hat: Zeit. Beide Seiten zufrieden stellen zu wollen, überfordert dann oft.

Frauen leisten mehr für die Familie – oft weil sie es wollen

Vor allem Ehefrauen sind besonders belastet. Waren im Jahr 1950 nur 26 Prozent der verheirateten Frauen berufstätig, weil das Sichern des Lebensunterhalts damals noch als Männersache galt, so sind es heute über 75 Prozent. Gleichzeitig ist jedoch ihre familiäre Belastung immer noch sehr hoch, insbesondere dann, wenn Kinder da sind. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat ermittelt: Von 117 Milliarden Stunden unbezahlter Arbeit, die in Deutschland für Erziehung und Haushalt aufgewendet werden, entfällt auf die Frauen der Löwenanteil von 72 Milliarden Stunden.

Woran liegt das? Die überraschende Antwort: häufig genug an den Frauen selbst. „Maternal gate keeping“ wird das in der Wissenschaft genannt, wie die Soziologin Cornelia Koppetsch 2015 im „Spiegel“ erklärte. „Die Frau will die Kontrolle“, betonte Koppetsch. „Es geht um Macht und, wenn Kinder da sind, auch um Bindung. Beides ist für viele Frauen ein wesentlicher Grund, selbst bei großer beruflicher Belastung an einem traditionellen Rollenmodell festzuhalten.“

Gehalts-Gap zwischen Mann und Frau wird überschätzt

Zu der starken Arbeitsbelastung kommt für viele Frauen der finanzielle Nachteil eines geringeren Einkommens und einer schlechteren Altersabsicherung hinzu. Nur bei zehn Prozent der Paare in Deutschland verdient die Frau mehr als ihr Mann. Doch wie verlässlich ist diese Zahl? „Die Schweizer Ökonominnen Anja Roth und Michaela Slotwinski hatten Zweifel und verglichen 2020 für eine Studie Angaben aus der Sozialversicherung mit den Ergebnissen einer Paar-Befragung. D

ie überraschende Erkenntnis: Jedes dritte Paar, bei dem die Frau mehr verdiente als der Mann, gab bei der Befragung das Gegenteil an. Die Fassade eines traditionellen Haushalts mit dem Mann als Haupternährer sollte unbedingt aufrecht erhalten werden. Der Schluss der Forscherinnen: Der Gehalts-Gap zwischen Mann und Frau wird überschätzt.

Für die Ehemänner hat sich durch die Emanzipation der Frau auf den ersten Blick ohnehin überraschend wenig verändert. Über 90 Prozent der Ehemänner sind berufstätig, ein Wert, der seit Jahrzehnten gleichbleibend hoch ist. Der Mann als Jäger und Sammler, dieses Bild ist offensichtlich also noch immer höchst aktuell.

Wie Männer in die Karriere-Falle geraten können

Aber die Rahmenbedingungen für den Mann wurden zunächst schlechter. „Bremst die Ehe die Karriere?“, fragte schon 2007 das Manager-Magazin. Gemeint waren ausschließlich die Karrieren von Männern. „Viele junge, ambitionierte Führungskräfte fühlen sich wie in einer Falle, aus der es kein Entkommen gibt“, argumentierte das Manager-Magazin.

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„Sie sind mit Frauen verheiratet, die ihre Lebensaufgabe nicht mehr ausschließlich darin sehen, ihnen den Rücken frei zu halten. Sie wissen, dass Partnerschaft und Familie nur dann funktionieren, wenn sie mit Zeit und Engagement gepflegt werden, beruflicher Aufstieg aber nur für den zu haben ist, der sich total in den Dienst der Firma stellt.“ Immer wieder würde dieser Zielkonflikt zum Scheitern der Ehe führen, wenn Manager „nach langem Schlaf ein böses Erwachen erleben und feststellen, dass ihr emotionales Zuhause in rauchenden Trümmern liegt“.

Um diesen Problemen entgegen zu wirken, hat sich in der Berufswelt in den vergangenen Jahren sehr viel getan. Flexiblere Arbeitszeitmodelle, Homeoffice und ein größeres Verständnis bei den Arbeitgebern für die Anforderungen des Familienlebens haben die Situation sowohl für die Frauen als auch für die Männer einfacher gemacht und überkommene Rollenbilder aufgeweicht. „Der Zwang, ewig siegen zu müssen, ist die Krankheit der Moderne“, schrieb der Psychoanalytiker Horst-Eberhard Richter (1923-2011) zu Beginn des 21. Jahrhunderts in seinem Buch „Krise der Männlichkeit“. Heute kann der Erfolg des Mannes auch mal darin liegen, die Frau an seiner Seite siegen zu sehen.