Kiel. Claus Ruhe Madsen kritisiert unpünktliche Züge, Unzuverlässigkeit, überfüllte Wagen, fehlende Sauberkeit – und kürzt Zahlungen.

Unpünktlich, unsauber, unzuverlässig, veraltet: Der schleswig-holsteinische Wirtschafts- und Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen greift die Deutsche Bahn scharf an. „Wir haben permanent Ärger mit der Bahn. Entweder sind die Schienen kaputt oder die Züge sind kaputt. Schleswig-Holstein zahlt jedes Jahr 150 Millionen Euro Entgelt für ein museumsreifes Schienennetz. Die Bahn sollte hier nicht Fahrkarten verkaufen, sondern Eintrittskarten fürs Museum“, schimpft Madsen im Abendblatt-Interview über die Bahn.

Auf der Schiene läuft es nicht rund im nördlichsten Bundesland. Erst fehlten dem privaten Bahnbetreiber Erixx Lokführer, dann legten Softwarefehler massenhaft Züge auf den zentralen Strecken im Land lahm. Von den Zügen der DB Regio wiederum sind gerade einmal vier von zehn, die die Hauptstrecken bedienen, pünktlich. Darauf hat Madsen reagiert und der DB Regio die Zahlungen von Januar an um mehr als 500.000 Euro monatlich gekürzt. Seine Begründung: „Unpünktlichkeit, Unzuverlässigkeit und fehlende Sauberkeit. Mal schauen, was jetzt passiert“, sagt der Verkehrsminister. „Wenn Sie in einer Wohnung leben, in die es reinregnet, kürzen Sie auch die Miete.“

Madsen: Bahnvorständen das Gehalt kürzen?

Zunächst einmal machtlos ist das Land allerdings bei den Zahlungen der sogenannten Netzentgelte. Hier fallen jährlich die bereits erwähnten 150 Millionen Euro an. Nur ist nicht das Land Vertragspartner der Bahn, sondern die Verkehrsunternehmen. Madsen hat deshalb die Firmen, „die unsere Vertragspartner sind, gebeten, die Zahlungen an die DB zu kürzen“. Seine Begründung an dieser Stelle: Das Netz sei marode.

Im Dezember war nach Medienrecherchen öffentlich geworden, dass der Bahnvorstand trotz Unpünktlichkeit und Unzuverlässigkeit auf den Fernverbindungen üppige Erfolgsboni ausgezahlt bekommt. Als er das gehört habe, habe er sich geärgert, sagt Madsen. „Statt einen Bonus zu zahlen, sollte man vielleicht auch mal über einen Malus bei Erfolglosigkeit nachdenken“, regt der schleswig-holsteinische Verkehrsminister an.

Claus Ruhe Madsen: Lokführern mehr Gehalt zahlen

Zwar habe er als Arbeitsminister immer Verständnis für einen Arbeitskampf, aber er ärgere sich schon, dass es dem Bahnvorstand und der Gewerkschaft GdL nicht gelinge, sich auf einen neuen Tarifvertrag zu verständigen. „Darunter leiden alle Pendler und Reisenden.“ Madsen liefert einen – ungewöhnlichen – Vorschlag, wie der Tarifkonflikt sofort beendet werden könnte: „Ich habe der DB früher mal vorgeschlagen, Lokführern 10.000 Euro im Monat zu zahlen. Dann hätten wir sofort genug Lokführer. Und der hohe Betrag würde zweitens sehr schnell innovativ wirken. Die Bahn würde allein wegen der Kosten das autonome Fahren ganz schnell vorantreiben“, so Madsen.

Unpünktliche Züge, überfüllte Wagen, fehlende Sauberkeit – Madsen kritisiert die Deutsche Bahn über diese Punkte hinaus auch in Zusammenhang mit dem Bau der Fehmarnbeltquerung. Auf dänischer Seite läuft der Bau der Betonelemente für den 18 Kilometer langen Tunnel durch die Ostsee auf Hochtouren. In Deutschland wird hingegen immer noch an dem nicht einmal zwei Kilometer langen Fehmarnsundtunnel westlich der alten Brücke und an der Anbindung ans Straßen- und Schienennetz geplant. In gut fünfeinhalb Jahren wollen die Dänen den Tunnel zwischen Rødby und Puttgarden eröffnen. Wird sich Deutschland dann blamieren, weil unsere Planungen und Prüfungen zur Umweltverträglichkeit länger gedauert haben als der eigentliche Bau auf dänischer Seite?

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Deutsche Bahn: „Deutschland wäre weltweit blamiert“

„Wir würden nicht nur Schleswig-Holstein blamieren – wir blamieren Deutschland, und das europaweit, wenn nicht sogar weltweit“, sagt Claus Madsen. Er erinnert an den 2008 unterschriebenen Staatsvertrag, in dem sich die Länder auf den Bau des Tunnels, der Straßen- und Schienenanbindungen und einen Zeitplan verständigt hätten. „Nur hat die Deutsche Bahn bis heute kein fertiges Planfeststellungsverfahren vorgelegt. Die DB hat also kein Baurecht“, kritisiert Madsen.

Er habe, sagt der Verkehrsminister, die Bahn schon mehrfach gebeten, den Zeitplan rückwärts zu rechnen. Ende September 2029 wollen die Dänen den Tunnel eröffnen. „Wenn man diesen Termin rückwärts denkt: Wann müsste dann welches Zwischenziel begonnen und erreicht werden? Einen solchen Plan habe ich bis heute noch nicht von der Deutschen Bahn bekommen. Das macht mir als Verkehrsminister Sorge.“

Fehmarnsund: Madsen bietet Wette an

Mit Blick auf den Eröffnungstermin des Belttunnels im Herbst 2029 würde er eine Wette anbieten, sagt Madsen: Eine Wette, dass in Deutschland der Bahnanschluss und die Hinterlandanbindung, also der kleine Tunnel durch den Fehmarnsund, nicht zu 100 Prozent fertig ist, wenn die Dänen den kompletten langen Tunnel gebaut haben. „Das werden wir garantiert nicht schaffen“, so der Bahnkritiker.

Madsen kritisiert im Abendblatt-Gespräch aber nicht nur die Deutsche Bahn, sondern auch die Bundesregierung. Ihm, dem Dänen im Kabinett von Daniel Günther, gehen die Maßnahmen zur Planungsbeschleunigung und Entbürokratisierung in Deutschland nicht weit genug. „In Deutschland heißt es, eine unberührte Natur ist die beste Natur. In Dänemark spricht man davon, dass man die Natur durch einen Eingriff – also eine Baumaßnahme – besser machen kann. Das ist dänischer Pragmatismus“, sagte der Minister. Er würde sich freuen, wenn man auch in Deutschland den Dialog mit Umweltverbänden künftig so führen könnte: „Wie können wir, beispielsweise mit dem Bau einer Brücke, die Natur besser machen, als sie ist? Und wenn das der Fall ist: Warum muss man dann noch klagen? Warum setzen wir nicht auf Lösungen statt auf Gerichte?“

Als ein Beispiel für seine Überlegungen führt Madsen die Marschbahn an. Heute würden auf der nicht elektrifizierten Strecke zehn Millionen Liter Diesel jährlich verbraucht. Eine Elektrifizierung sei also nachhaltig, ökologisch und eine Maßnahme, die durch einen Eingriff in die Natur diese besser mache. Aktuell aber sei ein aufwendiges Planfeststellungsverfahren nötig – inklusive erwartbarer Klagen.

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Ein weiteres Beispiel wäre aus Madsens Sicht, die A20 weiterzubauen, statt sie zu beklagen. „Bei Bad Segeberg stehen jeden Tag Zehntausende Autofahrer im Stau. Auch hier würde eine Baumaßnahme die Natur besser machen.“