Hamburg. Senat und Bürgerschaft müssen sich Missmanagement vorwerfen lassen. Bei einer Verschwendung spielt der HSV mit – ungewollt.

Bauen, mieten, kaufen – was für normale Menschen in Hamburg und ihre Wohnungen und Häuser ganz sicher eine Frage des Geldes ist, wächst sich für den Senat und seinen Haushalt mitunter zu einem Ärgernis aus. Wenn die Stadt, wenn Behörden bauen (lassen), dauert es oft länger als gedacht. Selten wird es günstiger. Die Liste der Beispiele ist so lang wie erschütternd. Und mit dem Kaufen, Verkaufen und Mieten gehen ebenso unglückliche Umstände und falsche politische Entscheidungen einher, wie der Verkauf und der Rückkauf von Behördenimmobilien immer wieder zeigt.

Folgerichtig enthält das Schwarzbuch zur „öffentlichen Verschwendung“ des Bundes der Steuerzahler für das Jahr 2023 Hamburger Beispiele für fragwürdige Ausgaben, die eigentlich alle bekannt sind. Nur in der Summe und der Tiefe der Details wirkt die Lektüre erschreckend. Denn vor allem scheint gerade beim Neubau eines Hauses für die Bürgerschaft, beim „Haus der Erde“ an der Universität sowie bei den von der Staatsanwaltschaft genutzten Immobilien ein krasses Missmanagement zu herrschen. Üppig finanzierte Hamburg auch das Fest der deutschen Einheit am 3. Oktober. Eine übertriebene und mutmaßlich überflüssige Postkarten-Aktion des HVV zum 9-Euro-Ticket sowie vermeintlich roter Filz in Andreas Dressels (SPD) Finanzbehörde nehmen sich dagegen geradezu putzig aus.

Steuerverschwendung in Hamburg: Schwarzbuch nimmt Einheitsfeier und „Palast“ ins Visier

Die Einheitsfeier kostete sieben Millionen Euro, 500.000 Euro gingen allein in PR-Maßnahmen. Für gut 36.000 Euro wurde ein simples Logo entworfen. Insgesamt lag das Budget gut 600.000 Euro über dem der letzten Einheitsfeier in Erfurt. Mit markigen Worten kritisiert der Steuerzahlerbund die Abgeordneten des Hamburger Landesparlaments. Die „Bürgerschaft verfällt dem Größenwahn“, heißt ein Kapitel, in dem es um einen „Palast“ geht, der am Alten Wall entsteht. Der Neubau soll über 30 Jahre 354.600 Euro monatlich an Miete kosten (28,90 Euro pro Quadratmeter). Mit Nebenkosten wären das für die Laufzeit insgesamt 202 Millionen Euro. Der Monatsmietpreis würde sich etwa verdoppeln im Vergleich zu den heute angemieteten Räumen. Für Anwälte und Berater wurden dazu außerdem in den vergangenen vier Jahren 724.000 Euro ausgegeben.

Die Hamburger Vorsitzende des Steuerzahlerbundes, Petra Ackmann, sagte: „Wir fragen uns, warum alle großen Unternehmen derzeit Büroflächen reduzieren und die Bürgerschaft zusätzliche Flächen fordert. Für den BdSt wäre ein ,Haus der Bürgerschaft‘ nur dann vertretbar, wenn die Mittel dazu im aktuellen Haushalt eingespart werden würden.“

Finanzsenator Dressel hatte das Projekt verteidigt: „Einen günstigeren Mietvertrag für ein Objekt in fußläufiger Nähe zum Rathaus wird man kaum finden. Umso wichtiger sind auf der anderen Seite die Effizienzsteigerungen, die sich durch die Zusammenlegung an einem Standort ergeben. Das ist ein sehr guter Weg.“ Ackmann nannte die eigene Logo-Entwicklung für den Tag der Deutschen Einheit unverständlich.

Universität Hamburg: Kostenexplosion bei Prestigeprojekten

Beim Haus der Erde am Uni-Campus in der Nähe des Schlump wuchsen die Kosten von einst 177 Millionen auf heute vorhergesagte 425 Millionen Euro. Es soll 2024 fertig werden, fast zehn Jahre nach Baubeginn. Der Steuerzahlerbund argumentiert: Hätte man den Zeitplan eingehalten, wären Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg als Ausrede für Kostensteigerungen und Verzögerungen weggefallen. Der Senat erklärte, bereits gegen Projektpartner zu klagen, um einen Teil des Schadens zurückzuholen.

Schwarzbuch 2023 – weitere Hamburger Fälle:

  • Sozialdemokratische Kumpanei in der Finanzbehörde? Finanzsenator Dressel soll einen Auftrag über neun Millionen Euro ohne Ausschreibung an einen Parteifreund vergeben haben. Es ging um ein Projekt für ein Start-up im Finanzbereich (Fintech). Obwohl dieses Vorhaben gestoppt wurde, entstand ein Schaden von 649.500 Euro. Denn die beauftragte Firma forderte die Erstattung ihrer bereits angelaufenen Kosten. Nach einer Klageandrohung einigte man sich auf einen Schadenersatz, zusätzlich fielen Werbe- und Beraterkosten an.
  • Der HVV gab 215.669 Euro für zwei Postkarten-Aktionen aus, nur um seinen Abonnenten mitzuteilen, dass sie, was allgemein bekannt war, noch warten müssten, wie es mit den 9-Euro-Tickets weitergehe.
  • In Barmbek wurde für 3,3 Millionen Euro die Maurienbrücke gebaut, obwohl in unmittelbarer Nähe zwei Brücken verlaufen. Nicht einmal Anwohner hatten hier eine weitere Kanalquerung gefordert.
  • Im Altonaer Volkspark sorgte eine Beleuchtung für eine Joggingstrecke für Ärger. Auch nach Monaten konnte sie noch nicht in Betrieb gehen. Zwischenzeitlich wurden Aufkleber auf die Lampen geklebt: „Leuchte nicht im Betrieb.“ Ein Teil der Kosten dafür kam übrigens von einer Strafzahlung des HSV (150.000 Euro).

9,2 Millionen Euro für drei Fischotter

Der Landtag von Schleswig-Holstein hat ebenso seinen Eintrag im Schwarzbuch 2023, weil neue Fenster im Durchschnitt 6000 Euro kosteten. Missmanagement bei der Planung von Seebrücken in Scharbeutz sind ebenso nachzulesen wie mutmaßlich übertriebene Investitionen für ein Zuhause exakt dreier Fischotter im Multimar Wattforum in Tönning.

Südlich von Hamburg wird es gespenstisch: In Winsen (Luhe) wurden insgesamt 117.000 Euro ausgegeben, um eine Citybuslinie 4003 einzurichten. Sie bediente aber nur eine Strecke von rund einem Kilometer. Die meisten Menschen gingen lieber zu Fuß. Der Geisterbus wurde wieder vom Netz genommen.

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Schwarzbuch 2023: Auch Elbvertiefung hat ein Kapitel

Die FDP in Hamburg nimmt vor allem den Finanzsenator in den Fokus: Der stellvertretende Landesvorsitzende Andreas Moring sagte: „Das neue Schwarzbuch kratzt empfindlich am Saubermann-Image von Finanzsenator Dressel. Der Senator inszeniert sich selbst gern als solider Haushälter und kritisiert mantrahaft die Finanzpolitik des Bundes. Etwas mehr Selbstkritik wäre angebracht, denn Dressel verschwendet Millionen, wie der Bund der Steuerzahler nun aufdeckt.“

Auch die Elbvertiefung hat ihren Platz im Steuergeldverschwendungs-Atlas: Weil ein bisheriges Laderaumsaugbaggerschiff („Nordsee“) in die Jahre gekommen war, bestellte die Wasser- und Schifffahrtsdirektion des Bundes (WSV) im Jahr 2016 einen Neubau, die „Osteriff“ (123 Meter, 95 Millionen Euro Baukosten). Die Spezialanfertigung sollte zwei Jahre später fertig sein. Eine Insolvenz des Auftragnehmers kam dazwischen. Eine andere Werft wurde beauftragt, die Bauzeit vervierfachte sich, die Kosten explodierten. Nun sollen 142 Millionen Euro fällig werden. Und: Die Laderaumsaugbaggerschiffe haben sich für den Elbschlick als unzeitgemäß erwiesen. Kleine Baggerschiffe im Duo mit einem Transporter seien erheblich effektiver, so der Steuerzahlerbund.

Ein bundesweiter Schwerpunkt des Schwarzbuchs liegt auf den kostspieligen PR-Maßnahmen staatlicher Stellen. In seinem Podcast zu Steuerfragen gibt der als Verein organisierte Steuerzahlerbund auch Tipps zu populären Themen wie Grundsteuer und Einkommensteuer.