Hamburg. Fraktionen und Verwaltung sollen am Alten Wall unter einem Dach untergebracht werden – die Verhandlungen sind weit fortgeschritten.

Kein Geringerer als Helmut Schmidt machte vor mehr als 15 Jahren hochfliegende Pläne für ein Haus der Bürgerschaft und weiterer Institutionen auf dem Domplatz zunichte. Der Ex-Kanzler und Zeit-Herausgeber wollte nicht auf den freien Blick aus seinem Büro im benachbarten Zeit-Haus verzichten.

Jetzt sieht es danach aus, als ob die Idee, die Räume für Fraktionen, Abgeordnete und Bürgerschaftskanzlei unter einem Dach zusammenzufassen, Realität werden könnte. Statt eines spektakulären Neubaus geht es um die Anmietung eines Bürogebäudes in kurzer Entfernung zum Rathaus.

Neues Haus der Bürgerschaft: Verhandlungen sind schon weit

Nach Abendblatt-Informationen sind die Verhandlungen zwischen Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) und einem Investor über die Anmietung des achtstöckigen Komplexes Alter Wall 38, der sich bis zum Alsterfleet hinzieht, weit gediehen. Das eingerüstete Gebäude, das gerade modernisiert wird, liegt nur zwei Minuten Fußweg vom Rathaus entfernt. Zuerst hatte die Bild-Zeitung über die Pläne berichtet.

Zu konkreten Plänen wollte sich Veit nicht äußern. „Die Überlegungen, ein Haus der Bürgerschaft zu schaffen, reichen mehr als 20 Jahre zurück. Seit Langem sind wir in einem konstruktiven Austausch mit den Fraktionsvorsitzenden, die das Vorhaben grundsätzlich befürworten und unterstützen“, sagte Veit lediglich.

Neues Haus der Bürgerschaft: 9400 Quadratmeter

Aus einer dem Abendblatt vorliegenden Präsentation des Projekts für die Abgeordneten ergibt sich, dass das Haus Büroflächen von insgesamt 9400 Quadratmetern bietet. Bei einer Laufzeit von 30 Jahren beträgt der Mietpreis 28,50 Euro pro Qua­dratmeter – 267.900 Euro pro Monat. Vorgesehen ist eine jährliche Mietsteigerung von 2,5 Prozent. Angesichts der Marktlage gelten die Konditionen für die attraktive Innenstadtlage als günstig. Fraktionen, Abgeordnete und die Bürgerschaftskanzlei könnten im Frühjahr 2025 einziehen.

Das Rathaus bietet seit Langem nicht mehr ausreichend Platz für die Erfordernisse des modernen Parlamentsbetriebs. Zurzeit hat die Bürgerschaft Büros an sechs unterschiedlichen Standorten angemietet – insgesamt 8606 Quadratmeter. Es handelt sich um das Gebäude Adolphs­platz 6, in dem unter anderem der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zum Cum-Ex-Skandal tagt, sowie weitere Flächen für die Fraktionen und die Bürgerschaftskanzlei an der Schmiedestraße sowie der Burchardstraße. Die Mietkosten für alle Objekte zusammen belaufen sich auf rund 200.000 Euro pro Monat.

Alter Wall 38: Flexible Bürogestaltung und Umbau

„Mit einer zentralen Fläche würden die Wahrnehmung und die Repräsentanz der Hamburgischen Bürgerschaft deutlich gestärkt. Es entstünde ein zentraler Ort, an dem die vielfältigen Aufgaben, Funktionen und Aspekte der Ersten Gewalt und ihrer Akteure transparent und sichtbar sind“, heißt es in dem Entwurf für einen interfraktionellen Antrag, der dem Abendblatt vorliegt.

Das Gebäude Alter Wall 38 bietet offensichtlich die Möglichkeit, die Büroaufteilungen flexibel zu gestalten und gegebenenfalls umzubauen, wenn zum Beispiel nach einer Wahl neue Parteien in die Bürgerschaft einziehen oder andere nicht mehr vertreten sind. „Mit einer langfristigen Sicherung von Flächen und Nutzungen entfielen die ressourcenintensiven und unwirtschaftlichen Ab- und Neuanmietungen bei Wahlperiodenwechseln oder temporären Sonderflächenbedarfen“, heißt es in dem Antragsentwurf.

Erstmal abhörsicheren Geheimschutzbereich

Im neuen Haus der Bürgerschaft ist rund die Hälfte der Fläche für die Fraktionen vorgesehen, die räumlich voneinander getrennt sein sollen. Die Bürgerschaftskanzlei mit ihren 85 Mitarbeitenden solle auf einer Fläche von 2500 Qua­dratmetern untergebracht werden. Zu den sogenannten Sonderflächen (1200 Qua­dratmeter) zählt auch ein Foyer, das im Erdgeschoss auf 800 Quadratmetern als Ort der Begegnung für Bürgerinnen und Bürger vorgesehen ist.

Erstmals wird die Bürgerschaft einen abhörsicheren Geheimschutzbereich erhalten, in dem zum Beispiel der Ausschuss zur parlamentarischen Kontrolle auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes tagen kann.

Rathaus bleibt "Herz der parlamentarischen Arbeit"

„Das Rathaus bleibt repräsentativer Sitz der Bürgerschaft – wie auch für den Senat – und weiterhin das Herz der parlamentarischen Arbeit. Mit einer neuen zentralen Belegenheit böten sich aber zusammen mit dem Räumen am Adolphsplatz 6 konzentriert an einem Standort bedarfsgerechte Rahmenbedingungen, um gestiegene Anforderungen an einen modernen Politikbetrieb und dessen Verwaltung abzubilden“, heißt es in dem Entwurf.

Vor wenigen Tagen erst hatte Veit im Abendblatt auf die Frage, ob das Rathaus noch die Anforderungen an einen modernen Parlamentssitz erfülle, gesagt: „Wenn ich träumen darf, dann wäre das neben dem Rathaus ein modernes Haus der Bürgerschaft, bei dem alle Mitarbeitenden und die Fraktionen unter einem Dach zusammenkommen, kurze Wege, moderne und helle Arbeitsplätze.“ Vielleicht geht der Traum ja diesmal in Erfüllung.