Hamburg. „Elektra“ von Richard Strauss kommt wieder auf die Bühne. Ein neuer Jazzclub startet durch, und die Sporthalle tobt mit Fontaines D.C.

Helge Schneider hätte seine Freude am neuen Jazzclub Nica am Alten Wall. Vielleicht spielt er ja mal dort statt im Stadtpark. Zuerst aber sind andere dran, Hamburgs Soul-Queen Miu etwa. Noch größer ist die Bühne für Strauss‘ „Elektra“ in der Staatsoper und die irischen Post-Punker Fontaines D.C. in der Sporthalle. Und die Kunst zeigt sich von allen Seiten, ob bei der stadtweiten Add Art auf der Elbe oder in der Fabrik der Künste in Hamm. Und im Lustspielhaus sind zwei Top-Satirikern Tür ud Tor geöffnet. Unsere Kultur-Tipps der Woche ab dem geschichtsträchtigen 9. November.

Miu
Die Hamburger Sängerin Miu in der U-Bahn von New York. Zum neuen Jazzclub Nica kommt man direkt mit der hiesigen U- oder S-Bahn. © Elena Zaucke | Elena Zaucke

Neuer Jazzclub, moderner Retro-Soul mit Miu im Nica

Mit dem Nica am Alten Wall hat Hamburg vom 9. November an einen neuen Jazzclub. Und außer internationalen Stars wie Richard Bona (9.11.), Count Basie Orchestra (24.11.) und Dee Dee Bridgewater (1.12.) bietet Betreiberin Fee Schlennstedt auch für lokale Künstlerinnen und Künstler eine Bühne. So spielt im Nica am 14. November auf besondere Einladung von Schlennstedt auch Hamburgs schönste Soul-Stimme Miu ihr einziges Heim-Bandkonzert dieses Jahres. Die Gelegenheit, die Songs ihrer Alben „Modern Retro Soul“ (2019) und „Crime Alley“ (2023) in voller Live-Pracht zu erleben. tl

Miu Do 14.11., 20.30, Nica Jazz Club (U/S Jungfernstieg, U Rathaus), Alter Wall 20, Karten zu 27,90 im Vorverkauf; www.nica-jazzclub.de; www.miu-music.org

Apostelkirche: Musik und Workshop zur Reichspogromnacht

Der 9. November ist mit der Reichspogromnacht 1938 auch ein finsteres Kapitel in der deutschen Geschichte. Bei einem Liederabend mit Titeln verfemter jüdischer Künstler der 1930er-Jahre erinnert die Eimsbütteler Apostelkirche an diesem Sonnabend daran. Moderatorin und Sängerin Gabriele Stern interpretiert mit Christian Gosch (Klavier) unter dem Motto „Gefeiert, verfolgt, vertrieben“ Schlager und Filmmusiken neu. Ein Workshop zum Thema Rassismus des Vereins We A.R.E. schließt sich an. str

„Gefeiert, verfolgt, vertrieben“ Sa 9.11., 17.30, und We A.R.E. Workshop: „Gibt es eine Zukunft ohne Rassismus?“ 18.30, Apostelkirche Eimsbüttel (Bus 4), Bei der Apostelkirche 2, Eintritt frei, Spenden erbeten.

Pressefoto Staatsoper Hamburg - Elektra
Harmonie sieht anders aus: Elektra (hier Aušrinė Stundytė bei der Premiere) nimmt ihrer Mutter Klytämnestra (Violeta Urmana) den Mord an ihrem Vater krumm. © Monika Rittershaus | Monika Rittershaus

Elektras Rache ist je blutiger, desto süßer

„Elektra“ ist der Splatter-Movie unter den Opern von Richard Strauss. Es ist nicht ganz einfach, den Überblick zu behalten, wer da alles ins Jenseits befördert wurde oder wird oder dann doch nicht. Strauss liefert zu dem Libretto seines kongenialen Partners Hugo von Hofmannsthal die passende Tonspur mitsamt Blechgebirgen, die das Publikum förmlich unter sich begraben. Auch die Gesangspartien haben sich das Attribut „mörderisch“ redlich verdient. Dmitri Tcherniakov hat die Geschichte um die Rachefantasien der traumatisierten Titelfigur vom antiken Mykene in die Entstehungszeit der Oper verlegt, nämlich ins gründerzeitliche Wien. Aber die Ringstraßenpracht macht nichts besser. Vom 10. November an läuft das Stück viermal an der Dammtorstraße. vfz

„Elektra“ So 10.11., 18.00, sowie 12., 15. und 19.11., jew. 19.30, Staatsoper (U Gänsemarkt), Dammtorstraße 28, Karten zu 6,- bis 119,- unter T. 040/35 68 68; www.staatsoper-hamburg.de

Toller irischer Post-Punk mit Fontaines D.C. in der Sporthalle

Vor fünf Jahren spielte Fontaines D.C. noch im Molotow, am 11. November muss die Sporthalle her. Die irischen Post-Punker aus Dublin haben definitiv einen Lauf, die vier Alben, aktuell „Romance“ (2024), ernteten allesamt feine Kritiken und Top-Ten-Plätze in vielen Ländern, auch die Songs wurden immer stadiontauglicher, ohne dabei ins Banale abzugleiten. Eine irische Band, die in Nordirland und London lebt und von Mangas und Italo-Kino inspiriert ist – globaler Erfolg kann so gut klingen. tl

Fontaines D.C. Mo 11.11., 20.00, Sporthalle (U Lattenkamp), Krochmannstr. 55, Karten zu 48,45 im Vorverkauf; www.fontainesdc.com

Add Art: Touren mit der „Kunst-Barkasse“ und ins Street-Art-Hotel

Der Kunstherbst ist in vollem Gange, auch die Add Art ist wieder am Start. Vom 14. bis 17. November öffnen 18 Unternehmen ihre Türen für die Kunst – und viele neugierige Gäste. „Mit einer ‚Kunst-Barkasse‘ geht es von der Überseebrücke nach Entenwerder zur Sammlung von Hubert Neubacher mit Street-Art, Pop-Art, LP-Covers und zeitgenössischer Malerei. Das Hotel Villa Viva, ein Teil des Viva-con-Agua-Kosmos, hat viele Flächen und Zimmer von Street-Artists gestalten lassen“, sagt Veranstalter Hubertus von Barby. Es gibt Führungen (mit Anmeldung) sowie bei vielen Firmen auch offene Besichtigungszeiten (ohne Anmeldung). vfe

Add Art 14.–17.11., diverse Zeiten und Orte, Eintritt frei, alle Infos unter www.addart.de

Menschen und andere Tiere in der Fabrik der Künste in Hamm

Im Brotberuf ist der Hamburger Sebastian Unterrainer Biologie- und Kunstlehrer in Billstedt. Und als solcher geschult im Betrachten von Flora und Fauna, aber ebenso mit kritischem Blick für soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit zwischen verschiedenen Kulturen und Gesellschaftsschichten ausgestattet. Beides verbindet der Künstler in seinen Werken, die er in der Fabrik der Künste in Hamm ausstellt. Titel: „Humanimal“, Menschen und andere Tiere in Groß- und Kleinformaten, in Zeichnungen, Gemälden und Skulpturen. Sie berichten von einer fortschreitenden Entfernung, sogar Abkehr des Menschen von der Natur. Ein Weckruf in Bildern. vfe

Sebastian Unterrainer: „Humanimal“ bis 1.12., Di–Fr 15.00–18.00, Sa/So 12.00–19.00, Fabrik der Künste (Bus 112 Luisenweg), Kreuzbrook 12, Eintritt frei, www.fabrikderkuenste.de

Der Film „Critical Zone“, im Iran heimlich mit Handkameras gedreht, gewann beim Filmfest Locarno den Goldenen Leoparden.
Der Film „Critical Zone“, im Iran heimlich mit Handkameras gedreht, gewann beim Filmfest Locarno den Goldenen Leoparden. © epd | W-Film

Heimlich gedrehte Drogenkomödie „Critical Zone“ im Abaton

Im Iran gibt es keine Drogen – zumindest offiziell nicht. Entsprechend passen Drogenhändler Amir und seine Kundschaft so gar nicht in das Bild, welches das Regime in Teheran vermitteln will. Regisseur Ali Ahmadzadeh hat „Critical Zone“ ohne jede Erlaubnis, stattdessen mit handlichen Kameras gedreht, die sich leicht verstecken lassen. Beim Filmfest in Locarno gab es für die Komödie den Goldenen Leoparden. Bei der Hamburg-Premiere an diesem Sonntag, 10. November, ist Darstellerin Mina Hasanlou zu Gast. hprjg

„Critical Zone“ So 10.11., 17.15, Abaton/Oberes Kino (Bus 4, 5 Grindelhof), Allende-Platz 3, Tickets zu 11,- bzw. 9,- erm.)/6,50 (Kinder) unter www.abaton.de

Stadtteil-Doku im Zeise: So schaut Ottensen aus

In kompletter Eigenregie hat Laura Dieckmann zwei Jahre lang einen Stadtteil dokumentiert. Herausgekommen ist „Die Geschichte von Ottensen“, eine humorvolle Erzählung von der Frühgeschichte über die dänische Verwaltung bis in die Gegenwart. Die Protagonisten: viele Generationen von Menschen aus „Tottenhusen“, die die Entwicklung vom Dorf zum Stadtteil lebendig werden lassen. Zu sehen erstmals diesen Sonntag (10.11.) im Zeise-Kino. hprjg

„Die Geschichte von Ottensen“ So 10.11., 11.00, Zeise-Kino 1 (Bus 150, 250), Friedensallee 7–9, Tickets zu 11,-/7,50 (erm.) unter www.zeise.de

Pressefoto Matthias Politycki
Ein Wahl-Wiener zurück in Hamburg: Schriftsteller Matthias Politycki (69) diskutiert. © Heribert Corn-Falter | Heribert Corn-Falter

Im Gespräch: Autor Matthias Politycki hat Bibel neu entdeckt

2021 zog Matthias Politycki von Hamburg nach Wien, auch weil ihm in Deutschland die Diskussionskultur, die Identitätspolitik der Linken und das Gendern der Sprache missfiel. Derweil hat der Schriftsteller („Weiberroman“, „In 180 Tagen um die Welt“, „Samarkand, Samarkand“) als Projekt für sich selbst die Bibel gelesen. Einiges hat ihn fasziniert, anderes aufgeregt, insbesondere die apokalyptischen Voraussagen der alttestamentlichen Propheten. Er hat darauf mit eigenen Gedichten reagiert. Am 12. November gibt der 69-Jährige erste Einblicke und diskutiert zum Thema Angst mit Anja Würzberg (Chefin von NDR Kultur) und Theologie-Professor Martin Rösel. Jörg Herrmann (Leiter Evangelische Akademie) moderiert. str

„Die Bibel: Hoffnungsspeicher oder Untergangsvision?“ Di 12.11., 19.00, Grundbuchhalle im Ziviljustizgebäude (U Messehallen, Bus X 35), Sievekingplatz 1, Eintritt frei, Anmeldung unter hamburg@akademie.nordkirche.de

Pressefoto Tobias Mann, Kabarettist
„Hoffentlich merken die Rechner nicht, dass der Mensch das Problem ist“: Kabarettist Tobias Mann (48) spielt sein neues Programm im Lustspielhaus. © Thomas Klose | Thomas Klose

Kabarett im Lustspielhaus: Mann kommt real, Rebers noch viermal

Kurz vor Karnevalsbeginn noch mal ein Hamburg-Gastspiel leistet sich der Mainzer Tobias Mann. Seit der smarte Kabarettist als Sieger des Hamburger Comedy Pokals 2008 im Norden seinen Durchbruch feierte, hat sich der ZDF-Moderator („Ein Mann, ein Wort“) hier sein Publikum erspielt. Im neuen Programm „Real/Fake“ überlegt Mann, ob es überhaupt noch eine Rolle spielt, wenn man mit einem Klick viel schönere Wahrheiten erzeugt, als die Realität hergibt. Sein traditionelles mehrtägiges hanseatisches November-Gastspiel gibt vom 13.11. an der aus dem Weserbergland stammende Wahl-Münchner Andreas Rebers. Und wie bei der Hamburg-Premiere von „Rein geschäftlich“ 2023 dürfte sich das Hinhören beim hochmusikalischen „Vertreter der radikalen Mitte“ erneut lohnen. str

Tobias Mann: HH-Premiere „Real Fake“ So 10.11., 19.00, und Andreas Rebers: „Rein geschäftlich“ Mi 13. bis Sa 16.11., jew. 20.00, Lustspielhaus (U Hudtwalckerstraße), Ludolfstr. 53, Karten zu 30,- (erm. 20,-) bis 37,- unter T. 040/55 56 55 56; www.almahoppe.de

Sternstunde oder Reinfall? Jeden Monat rezensieren wir für unsere Abonnentinnen und Abonnenten mehr als 100 Konzerte, Theatervorstellungen, Choreografien, Bücher, Ausstellungen, Serien oder Filme. Hier finden Sie alle Kritiken – was Sie in Hamburg gesehen, gehört oder gelesen haben müssen!