Hamburg. Das ist sehr, sehr in Ordnung so: Die immer noch erst 22-jährige Billie Eilish macht jetzt schönen Pop. Im Superstarquartett siegt sie.
Die Early-Ultras werden vielleicht erst einmal nörgeln. Und das dann doch sicher, bitte, sein lassen. Der Indie-Elektropop mit Jazz-, Hip-Hop-, Trap-Einflüssen, das war vor ein paar Jahren so was von fresh, anziehend, souverän und selbstbewusst. Aber Billie Eilish ist so sagenhaft, weil sie einfach weiterzieht. Auf dem jetzt erscheinenden neuen Album „Hit Me Hard And Soft“ ist der Sound so pop-veredelt wie bisher nicht in ihrer Karriere. Wir hören Arrangements, die aufs Ganze gehen, mit Streichern und so, die Frau ist ehrgeizig und denkt groß.
Kein Stück gab es vor der Veröffentlichung jetzt zu hören, das hat Taylor Swift zuletzt genauso gehalten. Billie Eilish, die wie immer mit ihrem Bruder Finneas O‘Connell zusammenarbeitete, hat also auch den Reiz der vollendeten Song-Zusammenstellung wiederentdeckt. Oder zumindest einen Sinn darin gesehen, neue Musik in Albumform zu inszenieren. Nach Überstar Swift und den Superstars Dua Lipa und Beyoncé Knowles ist sie nun die Letzte im Popdivenquartett, die im ersten Halbjahr 2024 einen Arbeitsnachweis erbringt.
Neues Album „Hit Me Hard And Soft“: Billie Eilish und das, was sich Leben nennt
Die neuen Stücke („Bird Of A Feather“) sind dabei so eingängig wie nie. Was die Liedtexte angeht, wurde vom Team Eilish große Emotionalität versprochen. Die gibt es dann auch. Auf „Skinny“, dem Song, der das Album eröffnet, begegnen die Zuhörerinnen und Zuhörer einem lyrischen Ich, das ein bisschen zerstört ist von all dem, was sich Leben nennt. „I fell in love for the first time/With a friend, it‘s a good sign/Feeling off when I feel fine/Twenty-one took a lifetime/People say I look happy/Just because I got skinny/But the old me is still me/Maybe the real me and I think she‘s pretty“, heißt es da, aber auch: „And I Still Cry, Cry, Cry/And You Know Why“.
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Vor der Veröffentlichung von „Happier Than Ever“, dem bislang letzten Album aus dem Jahr 2021, redete die vom Schlabberlook zu Körperbetonung switchende Eilish plötzlich gerne über ihr Äußeres und bekam darauf dann auch ein paar enttäuschte Reaktionen. Zuletzt nun informierte sie über ihre sexuelle Orientierung. Wir hoffen inständig und denken auch, dass diesmal alles glimpflich ausging. In „Skinny“, auf dem sie sehr Lana-Del-Rey-isch singt, heißt es dennoch nachdenklich: „And the internet is hungry for the meat/It‘s kinda funny that somebody‘s gotta feed it“.
„Lunch“ ist ein fröhlicher Balz-Dancefloorknaller („I could eat that girl for lunch/Yeah, she dances on my tongue“), bei der man nun auch denken darf, dass Billie Eilish hier selbst spricht. Das erst chillig schwankende und dann überragend billige „L‘Amour De Ma Vie“ ist genauso selbstbestimmt, ein Ich, das die Hoheit über das Geschehen hat: „I wish you the best for the rest of your life/Felt sorry for you when I looked in your eyes/But I need to confess, I told you a lie/I said you, you were the love of my life“.
Neues Album von Billie Eilish: Schmachtfetzen wie Kingsizebetten
Es geht, wie bei Taylor Swift, viel um das Ich und das Du und die Liebe. Damit sollte Billie Eilish besonders (aber nicht nur) bei ihren jüngeren Fans Soundtrack-mäßig wieder Treffer landen. Die Synthiegebilde – manches erinnert an Phoenix – von Stücken wie „Bittersuite“ sind dabei immer komplexer, als es manchmal den Eindruck macht. Der große Schmachtfetzen im Kingsizeformat ist „Wildflower“, und auch „The Greatest“ wächst nach Folk-Beginn in eine gewaltige Kulisse.
Das hartnäckige „The Diner“ stalkt einen ganz schön lange; aber man darf wie bei Taylor Swift einmal mehr sagen: Einen Superhit findet man auch auf „Hit Me Hard and Soft“ vermutlich nicht. Macht ja aber gar nix. Ein Song wie „Bird Of A Feather“ ist trotzdem das, was Madonna heute nicht mehr singt. Gut, dass es jetzt Billie Eilish tut.
Am 2. Mai 2025 gastiert Billie Eilish in Hannover, die Karten sind schon alle weg.