Hamburg. Auch als Schriftsteller ist Markus Berges ein Hit. Der Clou: Der Erdmöbel-Chef hat den Soundtrack zum Buch gleich mitgebracht. Perfekt!

Ob es denn das so gebe, dass im Literaturhaus auch mal gesungen werde, wollte Markus Berges am Donnerstagabend in nämlicher Lokalität wissen. Er schaffte dies dann locker: das Literaturpublikum zum musikalischen Mitmachen zu bewegen.

Was Berges nicht weiß: An den legendären Country-Schlagerabenden am Schwanenwik wird sogar sehr heftig gesungen. Das ganze fürchterlich-furiose Kitschzeug, von Literaturhaus-Chef Rainer Moritz, der übrigens gerade wieder selbst als Romancier in Erscheinung getreten ist, zuverlässig angespielt.

Markus Berges im Literaturhaus: Schicker Songhintergrund

Berges stellte also fest, dass sich der Eddy-Lübbert-Saal leicht dazu bewegen lässt, die dennoch überwiegend eingeübten Lesungsgepflogenheiten hinter sich zu lassen. Berges ist, wie man so sagt, „eigentlich“ Sänger der famosen Kölner Band Erdmöbel (vergessen Sie Niedecken und BAP, die verstand eh noch nie einer außerhalb NRWs), hat also einen schicken Songhintergrund.

Gleich mit einem Lied eröffnete er dann auch den von ihm doppelt bestrittenen Abend im Literaturhaus als Autor und Sänger. Anschließend las er eine Stelle seines neuen Romans „Irre Wolken“. So ging das dann weiter. Kapitelweise Literatur, unterbrochen von Songs. Die manchmal mitgesungen, immer mitgesummt wurden.

Markus Berges im Literaturhaus Hamburg: Jetzt noch mal ein Lied

Berges ist nicht nur Künstler; wir kommen jetzt zum nächsten „eigentlich“: Er arbeitet auch als Lehrer. Und er war viele Jahre Pfleger in der Psychiatrie. Letzteres gab ihm den Stoff zum reichlich autobiografisch geprägten neuen Roman, wie Berges unumwunden zugibt. Sein 19 Jahre alter Held, wir befinden uns in „Irre Wolken“ in den 1980er-Jahren, landet mit 20 Kilo Übergewicht in der geschlossenen Abteilung einer Klinik in Telgte. Nicht als Patient, wohlgemerkt. Hier sind, was das angeht, eh nur Frauen untergebracht.

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Krasse Sache mit den Patienten, die in ihren eigenen Welten leben und dem jungen Mann, der „dicken Sau“, auch mal an die Gurgel wollen. Berges tauchte im Literaturhaus ein in seine westfälische – der Mann stammt aus Telgte – Vergangenheit und trug dabei die Abenteuer des jungen Kerls vor, der er einst war. Die verbotene Liebe zur Patientin Anne, rauschhafte Abende, Karneval in der Psychiatrie: Der literarische Vortrag des im Übrigen guten Vorleser Berges war so kurzweilig wie der Roman.

Literaturhaus Hamburg: Autor Markus Berges ist eigentlich Sänger der Band Erdmöbel

Als Musiker, der Hunderte Male auf der Bühne gestanden hat, kennt einer wie Berges, Jahrgang 1966, keine Schüchternheit. Aber nicht das war der Grund, warum der Abend als nahezu perfekt gelten durfte. Es ist die Kombination von Musik und Literatur, die allerbestens funktioniert. Natürlich waren etliche Erdmöbel-Fans da, sie freuten sich über Stücke wie „Das Vakuum“ und „Busfahrt“ (der Erdmöbel-Klassiker über eine Psychiatriepatientin). „Ich brauch‘n Lied“, sagte Berges zwischendurch, wenn er fand, er habe erst mal genug gelesen, und griff dann zur Akustikgitarre.

Musik im Literaturhaus – künftig unbedingt mehr davon! Beim großen Literatur-Festival wird die Interdisziplinarität elbphilharmonisch in der Reihe „Harbour Front Sounds“ angeboten. Dass es auch auf kleiner Bühne funktioniert, haben bereits die von Literaturreferentin Antje Flemming koordinierten Abende der Hamburger Literaturpreise und der Langen Nacht der Literatur gezeigt, DJs und Musiker sind dort feste Programmpunkte.

Markus Berges in Hamburg: Besser als Phil Collins

Künstlerische Doppelbegabungen wie Markus Berges gibt es nicht allzu oft. Aber warum nicht saisonweise Hausmusiker wie die Hamburger Top-Songwriter Niels Frevert, Frank Spilker oder Marcus Wiebusch zu Lesungen mit Autorinnen und Autoren dazuholen, die Veranstaltungen erhielten dadurch eine zweite Ebene?

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„Wie immer spielte der WDR Eurythmics oder Phil Collins“, erinnerte sich Berges in Hamburg mit seinem jugendlichen Selbst an den Sound der 80er. Nun, schlecht war der nicht. Aber für den Moment waren Songs wie „Hoffnungsmaschine“, von Markus Berges hingebungsvoll dargeboten, viel besser.