Hamburg. Zwei Dutzend Buchhandlungen, noch mehr Lesungen und ein Jugendsündenbingo: Im Literaturhaus feierten fröhliche Buchmenschen.

Als konzertierte Literaturaktion mit Event-Faktor hat sich die Lange Nacht der Literatur längst etabliert. Mehr als 40 Veranstaltungen in der gesamten Stadt, die Mehrzahl von ihnen in Buchhandlungen. Manche schon nachmittags, die meisten aber zur Abendstunde: Gut gefüllte Läden und eine schöne Stimmung waren da am Sonnabend bei der zehnten Ausgabe ganz sicher die Regel.

Aber tatsächlich lang wurde die Nacht dann erst im Literaturhaus, wo sich die Buchleute nach der Leserei zum Feiern trafen. Mit DJ – gehört sich ja so, wenn es ein bisschen zwangloser wird.

Der Herr des Hauses hatte bereits vor der eigenen Leseveranstaltung in der Langen Nacht darauf hingewiesen, dass schon etwas neuer Glanz im Festsaal sei. Bevor demnächst die Wände dran sind, sei, berichtete Rainer Moritz, in vier Sommerpausenwochen zuletzt die Decke gestrichen worden – eine Restaurierung streng nach Denkmalschutzrichtlinien.

Literaturhaus Hamburg: Immer ein hervorragendes Ambiente

Nun, ein hervorgehobenes Ambiente bietet der Saal eh immer, er ist ein kultureller Hochort der Stadt und also auch der angemessene Platz für die Buchpremiere eines großen Hamburg-Romans. Michael Kleeberg hat diesen geschrieben, und nun stellte der Wahlberliner und Ex-Hamburger („Die Stadt steckt mir als poetische Erinnerung noch in jedem Gen“) sein Buch „Dämmerung“ am Schwanenwik vor.

Im Gespräch mit Kritikerin Ursula März, der er gestand, beim dritten Band seiner Charly-Renn-Saga ein wenig „getrickst“ zu haben. Bei der Beschreibung des Speckgürtels – im Roman heißt die Ortschaft Beimoorsee und ist halb Ahrensburg, halb Großhansdorf – habe er sich an Berliner Verhältnissen orientiert – „die Banlieues sind überall gleich, so sehr sich die Städte unterscheiden.“

Kleeberg las unter anderem eine melancholische Hamburg-Stelle, und da dürfte manch einer innerlich entweder lokalpatriotisch geseufzt oder erschrocken über das Vergehen der Zeit gestöhnt haben. Wie sollte der geschliffen formulierte und oft komische Text etwas anderes als gut angekommen sein; ein paar Bücher an alte Charly-Fans dürfte Literaturhaus-Buchhändler Samtleben sicher verkauft haben.

Hamburger Buchhändler: Zum Schluss feierten sie am Schwanenwik

Apropos, die Buchhändlerinnen und Buchhändler – zum geselligen Beisammensein, so sagt man ja völlig zu Recht, strömten sie aus Harburg und Niendorf, aus Eimsbüttel und der Neustadt an die Alster. Lange-Nacht-Initiatorin Christiane Hoffmeister dankte ihnen allen für zehnjähriges Teamwork, dann gab es eine Videobotschaft des Kultursenators.

Carsten Brosda, der selbst gerade ein neues Buch veröffentlicht hat, berichtete im Hinblick auf den Kulturpass, dass junge Leute das 200-Euro-Guthaben für Kulturangebote besonders gerne für Bücher ausgäben – und forderte die Buchhändler auf, sich also tüchtig selbst für ihren „Beitrag zum kulturellen Leben der Stadt“ zu feiern. In dieser Nacht, so Brosda, gehe „ein Leuchten“ von der Literatur in Hamburg aus.

Ja, sicher, Sätze können leuchten. Und Gesichter glühen vor Scham, theoretisch. Der Programmpunkt Jugendsünden-Bingo (Autor und Moderator Sebastian Stuertz: „Es wird kurzweilig, es wird schmerzhaft, es wird lustig.“) forderte vorm Feiern dann noch mal Konzentration. Alle waren eingeladen, allererste Gedichte und Weltschmerztexte Hamburger Autorinnen und Autoren zuzuordnen. Regula Venske, Benjamin Maack, Tamar Noort, Johanna Sebauer und Eva Lohmann trugen das frühe Zeug übrigens selbst vor, aber jeweils immer das der anderen Nominierten – wäre ja sonst kein Ratespiel mehr gewesen.