Hamburg. Frank Spilker hat seine Band runderneuert. „Hallo Euphoria“ ist ein Top-Titel für ein Album – das dazu noch großartig geworden ist.

Man hat mit Stücken wie „Spilker immer mittendrin“ und „Die Welt wird knusprig“ nicht mehr wirklich gerechnet. Seit mehr als drei Jahrzehnten gibt es die Hamburger Band Die Sterne jetzt schon. Irgendwie waren sie immer da, aber nicht mehr richtig präsent. Gitarren bringen es ja eh nicht mehr, behauptet der Zeitgeist. Man war fast gerührt, als neulich einer irgendwo „Was hat dich bloß so ruiniert?“ anstellte.

Die Platten der alten, rockenden Diskursdenker waren – nun ja, nicht egal, aber nicht mehr so essenziell wichtig. Jetzt erscheint „Hallo Euphoria“. Jetzt erscheint das 13. Album, das, große Worte, eines der besten in der langen Bandgeschichte ist. Jetzt sind Die Sterne vielleicht besser denn je.

Die Sterne: Neues Album „Hallo Euphoria“ ist eines der besten

Den Laden umgebaut hat Bandboss Spilker bereits vor ein paar Jahren. Alte Fahrensmänner gingen, neu dazu kamen Jan Philipp Janzen und Phillip Tielsch (beide Von Spar und Urlaub in Polen), Dyan Valdés (Mexican Radio, The Blood Arm) und Arrangeur und Gitarristen Max Knoth. Ach, eigentlich ist Spilker Die Sterne, das jetzige Line Up „mehr Kollaboration als Band“, so hat er es selbst gesagt. Nach „Die Sterne“ ist „Hallo Euphoria“ das zweite Album in der aktuellen Besetzung.

Und dieses Album macht richtig, richtig Spaß, da fluten Neurotransmitter und Hormone Körper und Geist mit Glücksempfinden. Funkrock, Krautrock, groovy Arrangements satt und schöne Melodien, Spilker hat sich fast noch einmal neu erfunden. Oder wieder erfunden als heller, leuchtender Hamburgsoundmann mit dem Gedanken-Rock’n’Roll im Poptornister.

Neues Album von Die Sterne: Funkrock und groovy Arrangements

„Spilker mittendrin“ also. Als Texter war Spilker sehr lange nicht mehr so konzis und luzide. Und wenn man das ist, auf den Punkt, dann wird auch Nabelschau zur Schau. Er brauche „Etwas, das meine Erscheinung aufwertet/Weil ich lang und dünn und unsichtbar bin“, singt er im Kokett-Song „Stellt mir einen Clown zur Seite“. Obwohl ja was dran ist, Spilker hatte als altmodischer Altrocker zwischenzeitlich den Faden verloren. Capital Bra ist längst der heiße Scheiß, wer war noch mal die Hamburger Schule? Spilker hält trotzig den Kopf oben: „Steckt mich in einen Elfenbeinturm/Dahin, wo alles begann/Baut mir ein Denkmal/Kniet nieder davor/Und sprecht mich vor allem nicht an.“

Dieses erste Stück einer formidablen Platte ist die Regierungserklärung des alten weisen Mannes als Ruder-herum-Reißer für die allzu narzisstische Gesellschaft: „Immer neue Dichterfürsten/Immer wieder Distinktion/Prätentiöse Pseudo-Lyrik/Bringt uns nicht die Revolution/Lasst uns alles neu organisieren/Etwas anderes probieren/Lasst uns Änderungen feiern/Und das Endliche erneuern/Wir stoßen Ich endlich vom Thron.“

Die Sterne: Tanzmusik von alten Leuten für junge Leute

Über den Bericht aus dem Leben eines Temperamentsbolzens („Alter, ich könnte mich/Immer so aufregen/Das mit dem ruhig bleiben/Muss man auch erst mal hinkriegen“) geht es zu „Die Welt wird knusprig“, und warum sollte genau das ab sofort nicht in der Indiedisse laufen, wo all die jungen Leute zu der Musik von alten tanzen? „Die Sterne haben ein Lied zu singen/Lieder, die dich dazu bringen/Huf und Arsch und Hirn zu schwingen/So, wie Sterne eben klingen“ – Hurra und so weiter, ein wirklich angenehmes Lied, noch angenehmer und schöner und strahlender als der Titeltrack „Hallo Euphoria“.

Der neue Spilker ist selbst dann gut und gerade wenn er sich in smarten Versen weltanschaulich verheddert (oder nicht, wer weiß das schon): „Marx und Engels sind veraltet/Pragmatisch wird die Welt gestaltet/Mit altem Geld, geborgter Macht/Wird aus Mensch Fabrik gemacht.“ Am 21. Oktober spielen die neuen Sterne im Uebel & Gefährlich, das wird gut.