Hamburg. Zum 13. Mal zeichnet das Clubkombinat die besten Clubs, Partys und Initiativen aus. Doch der Abend hat auch etwas von einer Totenmesse.

„Waren das die letzten Hamburger Club Awards?“, fragte das Abendblatt im August 2022, als nach zwei Jahren Corona-Ausbremsung, Publikumsschwund und Kostenexplosion die besten Clubs und Konzepte in Schrödingers Biergarten gekürt wurden. Die Antwort lautet: Nein. Die Club Awards sind wieder da und auch nicht mehr im Sommer unter freiem Himmel, sondern am alten, angestammten Platz im Kalender im Januar: Am Donnerstag wurden die Auszeichnungen zum 13. Mal verliehen, zum ersten Mal im Kent Club neben der Neuen Flora.

Und doch war nicht alles beim Alten. Absolut nicht. Waagenbau, Astra Stube, Fundbureau und Beat Boutique mussten am Neujahrstag die Türen schließen, um dem Neubau der Sternbrücke zu weichen. Das PAL in der Karolinenstraße machte ebenfalls dicht, im Sommer 2025 geht auch in der Bar 227 und im Juni 2024 wohl auch im Molotow das Licht aus. Die Clubszene wurde einmal kräftig durchgefegt von Sanierern, Investoren, Mietspekulanten und Hoteliers. Zwar gibt es bald erste Ausweichquartiere für Fundbureau und Beat Boutique hinter den Deichtorhallen, und der Waagenbau überwintert mit Partys im Schrödingers, aber ist das schon ein Grund zum Feiern?

Club Awards: Nicht wenige Preise und Nominierungen waren postum

So hatten die 13. Hamburger Club Awards, ausgerichtet vom Clubkombinat Hamburg e.V. und gefördert von der Behörde für Kultur und Medien, auch etwas von einer Beat-Beerdigung oder eher vom mexikanischen Día de Muertos: Mit Musik und Galgenhumor und Jubel zog man über den Friedhof der Clubs. Im rappelvollen Kent war die aktuelle Lage Gesprächsthema Nummer eins in vielen Gesprächstrauben. Auch auf der Bühne wurde von Bands, Laudatorinnen und Laudatoren und vom Moderationsduo Chris Poelmann und Shafia Khawaja der geschlossenen und bald schließenden Schuppen gedacht, denn da die Club Awards immer das vorangegangene Jahr würdigen, waren nicht wenige der Nominierungen und Auszeichnungen postum zu verstehen.

So war der „Club des Jahres“ für die 90-köpfige Clubkombinat-Jury derselbe wie der vom Partyvolk im Internet gewählte „Lieblingsclub 2023“: das Molotow. Diese Preise waren nach der großen Demo gegen die geplante Schließung und einem Antrag von SPD, CDU und FDP in der Bezirksversammlung am Tag der Club Awards, „künftige Hotelentwicklungen auf St. Pauli und insbesondere an der Reeperbahn und am angrenzenden Nobistor zu verhindern“, weitere Zeichen der Solidarität. „Ich bedanke mich bei meinem Team, ich bedanke mich bei allen, die auf der Demo waren, und ich kann nur sagen: Erhaltet uns“, sagte Molotow-Chef Andi Schmidt unter großem Jubel. Für den Zuspruch in- und außerhalb der Clubszene für bedrohte Kulturorte sprach auch der zweite Platz bei der Internet-Abstimmung für den Waagenbau und die Nominierung als „Club des Jahres“ für den Subkultur-Dampfer MS „Stubnitz“, der vor wenigen Monaten nach Lärmbeschwerden der Zugezogenen in der HafenCity an die Elbbrücken verlegt wurde.

Progressive Konzepte, Achtsamkeit für Mensch und Umwelt: Das Uebel & Gefährlich bekam bei den Club Awards den Preis für Nachhaltigkeit.
Progressive Konzepte, Achtsamkeit für Mensch und Umwelt: Das Uebel & Gefährlich bekam bei den Club Awards den Preis für Nachhaltigkeit. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Club Awards: Zwei Preise für die Millerntor Gallery

Das Molotow war auch für die beste „Newcomerförderung des Jahres 2023“ nominiert, aber dieser ging nicht minder verdient und seit 1999 hart erarbeitet an die Astra Stube, die am 30. Dezember mit einem Konzert von Herrenmagazin das letzte Mal aus allen Nähten platzte. „Sauft uns bitte leer“, war die Devise beim Finale vor vier Wochen, die 1000 Euro Preisgeld (und 20 Kisten Astra vom Sponsoren) sind für das Stuben-Team um Daniel Höötmann („gefühlt haben wir den Preis zum 15. Mal gewonnen“) noch einen Trosttrunk wert, aber ein Umzug und Neuaufbau des Clubs braucht jeden Cent. Der Jazzclub Birdland, der vor wenigen Tagen für immer Abschied vom gestorbenen Gründer Dieter Reichert nehmen musste, veranstaltete 2023 mit „Hamburg liest verbrannte Bücher und singt verbrannte Lieder” das „Konzert des Jahres“, während der Golden Pudel Club mit Jamie XX und DJ Koze für die „Clubnacht des Jahres“ sorgte. Nicht nur das Molotow, auch die Millerntor Gallery ging mit zwei Auszeichnungen nach Hause: Für den besten „Fremdveranstalter“ und für „Festival – klein aber fein des Jahres 2023”.

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Und die Zukunft? Mehr denn je müssen sich Hamburgs Clubs Herausforderungen stellen, aber ebenso ambitioniert werden progressive Konzepte entworfen und gelebt. Mehr Frauen und Diverse müssen auf und hinter die Bühne, so wie die Livegäste bei den Club Awards, Drum&Bass-Springinsfeld Hanna Noir und Elektro-Wave-Sängerin Selena Hamers alias Modular. Inklusion, Nachhaltigkeit und Awareness rücken immer mehr in den Vordergrund. So bekam das Uebel & Gefährlich den Nachhaltigkeits-Preis „Beste Initiative ,Zukunft feiern’“, die Aktion „Oll Inklusiv“ den „Sonderpreis für soziales Engagement“ für die „Integrationsleistung im Club-Kontext für Senioren und Senioritas” und die „CrewCrew“ den Ehrenpreis für „ihr wegweisendes Unternehmen einer feministisch geprägten Sicherheits- und Türpolitik.“

Rapperin Hanna Noir war Livegast bei den Club Awards im Kent.
Rapperin Hanna Noir war Livegast bei den Club Awards im Kent. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Club Awards: Negativpreis an die „Verdrängung von kulturellen Orten“

Die aktuellen Entwicklungen waren auch maßgeblich für den traditionellen Negativpreis der Club Awards, die „Zerbrochene Gitarre“: In den vergangenen Jahren ging die zersplitterte Klampfe an die Kioskflut in den Hamburger Ausgehvierteln, an die Bayerische Hausbau (Stichwort: Esso-Hochhäuser) oder an das Tanzverbot in den Corona-Verordnungen. Dieses Mal zerschmetterte Anna Lafrentz, Personalorganisatorin im Techno-Club Südpol und 1. Vorsitzende des Clubkombinats, die Gitarre als Zeichen des Protests gegen die „Verdrängung von kulturellen Orten“: „Wir brauchen Clubs, Festivals und Livemusik als demokratiefördernde Orte und Lernfelder für unsere Gesellschaft“, sagte sie und betonte die Wichtigkeit von Clubs als Freiräume gegen Diskriminierung und Gewalt, als Orte von Austausch und Diversität. „Dafür brauchen wir auch dringend Kulturraumschutz und langfristige Förderung.“

Der Wunsch nach Kulturraumschutz und Förderung war natürlich auch an den Kultursenator Carsten Brosda adressiert, der im Vorfeld der Award-Show mitteilte: „Die diesjährigen Preise für das Molotow als bester Club und für die Astra Stube für die beste Newcomerförderung machen deutlich, was auf dem Spiel steht, wenn es nicht gelingt, die Clublandschaft in Hamburg zu erhalten. Insofern sollte der Negativpreis für die Verdrängung von kulturellen Orten für uns alle Ansporn sein. Wir werden daher weiter mit aller Kraft nach neuen Orten für die Clubs suchen.“ Die Clubszene wird ihn beim Wort nehmen.