Hamburg. Die Verleihung des Preises stand im Zeichen des bevorstehenden dritten Corona-Winters. Wer zum „Club des Jahres“ gekürt wurde.
„Am 1. September geht die Indoor-Saison wieder los. Und wir brauchen euch. Wir brauchen Menschen in den Räumen. Damit wir weiter Kultur machen können. Und die Künstlerinnen und Künstler brauchen euch vor allen Dingen. Wir bieten die Bühnen, aber wenn keine Menschen da sind, die Tickets kaufen, wird das nicht mehr lange funktionieren. Das wird eine schwere Zeit jetzt im Herbst“, appellierte Constantin von Twickel vom Kiez-Club Nochtspeicher vor einigen Tagen auf Instagram. Die Lage der über 100 Hamburger Musikspielstätten ist trotz der aktuellen Aufhebung aller Corona-Maßnahmen prekär.
„Clubs, Theater und sonstige Kultur- und Unterhaltungsbetriebe verzeichnen Gästerückgänge bei den täglichen Veranstaltungen von derzeit durchschnittlich 40 Prozent und mehr“, rechnete das Clubkombinat kürzlich vor. Deutlicher Publikumsschwund bei gleichzeitig exorbitant gestiegenen Preisen für Technikpersonal, Transport, Material und Energie. Abgesehen von den ganz großen Namen hat Hamburgs einzigartige Livemusik-Szene wenig zu feiern derzeit.
Preisverleihung: Hunderköpfige Fachjury hat entschieden
Dennoch oder gerade deshalb trafen sich Betreibende, Programm-Gestaltende, Künstlerinnen und Künstler, Agenturen und weitere Musik-Kulturschaffende zur zwölften Verleihung der jährlichen Hamburger Club-Awards im Schrödingers im Schanzenpark. So schwer es nämlich auch war, in den vergangenen zwölf Monaten, ja, zweieinhalb Jahren Konzerte und Festivals auf die Beine zu stellen, aufgegeben wurde nie und nicht selten das Letzte aus den Umständen herausgeholt. In fünf von den neun diesjährigen Kategorien reichten Hamburgs Konzertfans ihre Favoriten ein, die von einer hundertköpfigen Fachjury beurteilt wurden.
Zum „Club des Jahres“ wurde so dieses Mal das Knust gewürdigt. Schon seit Pandemiebeginn war der Club sofort dabei, auf die Gegebenheiten zu reagieren, sei es bei innovativen Livestream-Konzepten, oder mit einem vielseitigen, ausgeweiteten Konzertprogramm unter freiem Himmel auf dem Lattenplatz. Wobei die Konkurrenz in dieser Kategorie sich nicht verstecken musste, auch Hafenklang, Uebel & Gefährlich und Molotow haben ebenso überregional einen klangvollen Namen weiter mit Leben gefüllt.
Die Astra Stube sorgte für die „besten Open-Air-Events“
Die Auszeichnung für die besten Open-Air-Events teilten sich im Prinzip gleich zwei Spielorte, die gemeinsame Sache machten: Die Reihe „Astra Stube goes Schrödingers“ präsentierte im Sommer 2021 Konzerte von Joe Astray, Fluppe und weiteren Indie-Geheimtipps in dem idyllischen Biergarten im Schanzenpark. Synergieeffekte sagte das Geschäftsvolk, geile Abende sagten die Konzertfans.
Zwischen den von Daphne Sagner und Hinnerk Köhn moderierten Preisvergaben und Auftritten von King LX, Jolle und Max Scharff wurde natürlich viel über die derzeitige Situation diskutiert. Die auslaufenden Fördermaßnahmen bei einer im Raum stehenden neuen Maskenpflicht, sprich einem weiteren Kultur-Lockdown im Herbst, und das derzeitige Überangebot an seit 2020 verschobenen Konzerten großer Mainstream-Stars sowie Krieg und Inflation erfüllen mit Sorge.
Das „beste Live-Konzert“ rockte im Logo
Nicht wenige Clubs standen und stehen auf der Kippe, so wie das Logo, dass dieses Jahr den Preis für das „beste Live-Konzert (indoor)“ bekam: Die Düsseldorfer Band Rogers spielte im Juni (verlegt vom Mai, weil die Band da Corona hatte) an der Grindelallee und spendete alle Einnahmen dem Club, denkwürdig und angemessen für diese Auszeichnung. Im Laufe der Pandemie hatte Logo-Betreiber Eberhard Gugel aufgegeben, Karsten Schölermann, Chris August und Lea Goltz haben die Fackel übernommen.
Seit vielen Jahren und weiterhin engagiert in der Clubszene ist und bleibt Ute Daxl vom Fundbureau, die durch ihre „konstante Arbeit erheblich zur Nachwuchsförderung“ beiträgt und dafür den Ehrenpreis des Clubkombinats bekam. Und auch ein Stück einer weiteren Kategorie ist Daxl, Chris August, Lea Goltz, Constantin von Twickel und den Hunderten weiteren Hamburger Nachtaktiven zu verdanken: Der Sonderpreis „Krisenmanagement“ ging an alle Clubs und die Menschen dahinter, „die trotz der langen und beschwerlichen Pandemiezeit heute existieren“.
Preisverleihung: Südpol in Hammerbrook bekam Nachhaltigkeitspreis
Den Nachhaltigkeitspreis „Beste Initiative ,Zukunft feiern‘“ bekam der Elektro-Club Südpol in Hammerbrook, „Bester Livestream“ wurde „Plattenfroster Television“ auf der MS „Stubnitz“, und das beste Veranstaltungskollektiv wurde Rap for Refugees. Der diesjährige Negativpreis „Die zerbrochene Gitarre“ hingegen ging an das Bundesinnenministerium für die „Verweigerung des Anerkennungsstatus als Kulturstätten im Rahmen der Baunutzungsverordnung“.
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Musikclubs und Politik ist immer eine brisante Beziehung. Aber Kultursenator Carsten Brosda findet, dass die Hamburger Clubs „in den letzten Jahren Überragendes geleistet haben“ und zu Recht den Sonderpreis für ihr „kluges Krisenmanagement“ verdienen. Allerdings sind auch die am klügsten eingesetzten Ideen und Mittel in nicht enden wollenden Krisenzeiten ebenso erschöpft wie die Solidarität des Publikums. Wer bleibt übrig für die Club Awards im Jahr 2023?