Hamburg. Auf St. Pauli reihen sich zahlreiche Szeneläden aneinander. Doch das Molotow sticht mit seinem Konzept in Hamburg heraus.

Freitagabend auf dem Kiez: Es ist voll auf Hamburgs größter Partymeile, Menschen drängen sich trotz Regens und Sturmwarnung in die mit lauten Bässen lockenden Bars und Clubs auf St. Pauli. Auch vor dem Molotow direkt an der Reeperbahn, das zuletzt wegen der drohenden Schließung in die Schlagzeilen geriet, herrscht reger Betrieb.

Die Schlange vor dem Eingang des Indie-Rockclubs verläuft bis runter zur Straße, trotzdem warten die meisten Gäste entspannt und geduldig, bis sie es endlich vor den Eingang schaffen. Hier wird dann auch schnell klar, warum Feierwütige beim Molotow mit etwas Wartezeit rechnen müssen.

Reeperbahn: Molotow – Club mit besonderem Sicherheitskonzept

In vielen Hamburger Clubs schenkt ein Security-Mann den Besuchern am Eingang nur einen kurzen Blick und winkt dann herein. Im Molotow nicht. Hier trifft man auf einen freundlich lächelnden Türsteher. „Einen wunderschönen guten Abend. Seid ihr das erste Mal bei uns?“, fragt er. Wird diese Frage bejaht, folgt eine knapp 30-sekündige Einführung in die „Spielregeln“ des Clubs.

„Wir möchten, dass sich bei uns jeder Mensch wohlfühlt und ausgelassen feiern kann. Deshalb bitten wir euch darum, immer darauf zu achten, dass sich niemand unwohl fühlt. Solltet ihr das bemerken oder selbst ein ungutes Gefühl wegen einer Situation bekommen, sagt uns gerne sofort Bescheid oder scannt einen der QR-Codes, die im ganzen Haus verteilt sind. Wir können dann sehen, wo ihr gerade seid und zu euch kommen“, klärt der Mitarbeiter über die Clubpolitik des Molotows auf.

Molotow an der Reeperbahn setzt auf Awareness und QR-Codes

Doch was genau steckt hinter dem besonderen Konzept? Diese Frage kann Emil le Coutre, Chef des Security-Bereichs beantworten. „Unser Club soll ein Ort sein, an dem es keine Übergriffe, keinen Sexismus, Rassismus oder Ableismus (Anm. d. Red: Ungleichbehandlung eines Menschen aufgrund seiner Behinderung) gibt“, erklärt der 30-Jährige.

Seit August leitet er den Bereich, die Grundsteine für das aktuelle Awarenesskonzept habe aber schon seine Vorgängerin gelegt, sagt le Coutre. Seit fünf Jahren setze das Molotow nun auf die Ansprachen schon vor dem Einlass, seit knapp zwei Jahren auf die Zusammenarbeit mit „saferspaces“. Bei Letzterem handelt es sich um das Unternehmen, das für die QR-Codes zum Scannen und die Übermittlung der Daten an die Security zuständig ist.

Molotow: „Wir wollen auf dem Hamburger Kiez ein gutes Beispiel sein“

„Wir wollen auf dem Hamburger Kiez ein gutes Beispiel sein“, sagt le Coutre. Er betont: „Aware (Anm. d. Red.: bewusst) miteinander umzugehen, ist ein grundlegendes gesellschaftliches Bedürfnis. Wir sollten uns grundsätzlich in unserer Welt so verhalten.“ Da aber eben insbesondere Clubs ein Ort seien, der gezielt von Tätern aufgesucht werden könne, wolle man hier seiner Verantwortung als Veranstalter gerecht werden.

Dazu gehöre eben auch die Ansprache vor dem Club, selbst wenn das längere Wartezeiten zur Folge hat. „In diesem kurzen Gespräch können unsere Türsteher und Türsteherinnen auch schon einen kurzen, aber sehr wertvollen ersten Eindruck von dem Gast gewinnen. Oft merkt man dann schon, ob sich die Person mit unserer Clubpolicy identifizieren kann – oder auch einfach schon zu berauscht ist“, so der Sicherheitschef.

Molotow: Entspannte Atmosphäre trotz vieler Gäste auf der Tanzfläche

Das zehn Minuten längere Anstehen scheint sich zu lohnen: Innerhalb des Clubs herrscht eine ausgelassene, aber vollkommen friedliche und entspannte Atmosphäre. Auf dem Floor im Erdgeschoss bewegen sich Dutzende Menschen dicht an dicht zu Sounds von Oasis, den Red Hot Chilli Peppers und Green Day.

Aggressives Weggeschiebe? Fehlanzeige. Stattdessen gibt es bei jedem Anrempler oder einer versehentlichen Berührung eine ernst gemeinte Entschuldigung – und meist noch „einen schönen Abend!“ hinterher.

QR-Codes im Molotow werden jedes Wochenende genutzt

„Auch hinter der Bar versuchen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen immer ein Auge darauf zu haben, was um sie herum passiert. Im Zweifel scannt das Gastroteam selbst den QR-Code – zum Beispiel, wenn es eine grenzüberschreitende Situation beobachtet“, so le Coutre.

Er wünsche sich zwar, dass auch die Gäste noch viel mehr die Hemmungen verlieren, das „saferspace“-Angebot in Anspruch zu nehmen – aber schon jetzt „werden die Codes in der Regel jedes Wochenende genutzt“.

Reeperbahn: Molotow – Sicherheitschef will „friedliche Welt schaffen“

Das besondere Konzept des Molotows scheint bei Besuchern und Besucherinnen gut anzukommen. „Die Türsteher waren super freundlich und klären einen am Anfang kurz über die Awareness-Regeln auf, damit sich jeder in dem Club wohlfühlt“, schreibt ein User in den Google-Rezensionen des Clubs. „Das restliche Personal ist ebenfalls super freundlich und insgesamt fühlt man sich unglaublich wohl.“

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Das Awareness-Konzept trage zu einer positiven Cluberfahrung bei, bei der man sich einfach richtig wohlfühle, was in Clubs leider oft nicht selbstverständlich sei, betont auch eine andere Userin. Eine weitere Besucherin berichtet: „Ich habe noch nie einen Club erlebt mit so angenehmen Menschen. Die Tür ist freundlich, die kleine Ansprache, die man bekommt, und das Safe-Konzept tragen zu einer sicheren Atmosphäre bei.“

Es scheint, als würde Emil le Coutres Plan, im Molotow „eine friedliche Welt zu schaffen“, aufgehen. Bleiben würde diese besondere Atmosphäre wohl auch an einem anderen Moltow-Standort – fraglich ist nur, wo dieser sein könnte.