Hamburg. 2024 will das Museum für Gestaltung sein Publikum noch mehr zum Handeln auffordern – das wird übrigens immer jünger.
Es waren gute Nachrichten, die am Donnerstagvormittag im Museum für Kunst und Gewerbe zu verkündet wurden. „Im Hinblick auf die Besucherzahlen war 2023 das erfolgreichste Jahr in der jüngeren Geschichte des Museums. Bis jetzt kamen 180.000 Gäste zu uns, bis Jahresende rechnen wir mit 200.000 Gästen“, berichtete Geschäftsführer Alexander Stockinger bei der Jahrespressekonferenz.
Der Oktober sei mit allein 35.000 Besucherinnen und Besuchern der beste Monat, der 31. Oktober mit dem #seeforfree-Angebot mit 12.000 der beste Tag – und das MK&G damit das an dem Tag am meisten frequentierte Museum Hamburgs. Ebenso erfreulich: „Unser Publikum wird immer jünger. Das Durchschnittsalter lag 2022 bei 41 Jahren, in diesem Jahr sogar bei 39 Jahren.“ Und auch die Willkommenskultur scheint Früchte zu tragen. So haben 20 Prozent der Gäste eine ausländische Herkunft oder einen Migrationshintergrund.
MK&G: „Dafür haben wir die großen Themen, die die Gesellschaft bewegen“
Wie schafft man das, wird sich jetzt so manch anderer Museumsmacher fragen. Und Tulga Beyerle weiß darauf eine Antwort: „Die Kunstmuseen haben oft große Namen wie Caspar David Friedrich, Max Beckmann oder Maria Lassnig, mit denen sie werben können. Bei den Designerinnen und Designern funktioniert das weniger. Aber dafür haben wir die großen Themen, die die Gesellschaft bewegen.
Globale Herausforderungen wie der Klimawandel und das soziale Miteinander können durch Gestaltung verbessert, vielleicht sogar gelöst werden. Im gesellschaftlichen Transformationsprozess sind aktuelle Projekte in Design, Architektur und Kunst enorm wichtige Kräfte“, so die Direktorin. „Wir fordern uns und euch heraus, die Gestaltung der Welt zu hinterfragen und neu zu denken.“
MK&G: Mit schlauen Toiletten gegen die globale Wasserkrise
2023 mischten die Guerilla Girls mit ihrem feministischen Grafikdesign die Szene auf, konnten die Gäste bei „Learning from Loheland“ eine neuartige, von Frauen initiierte Lebensform kennenlernen, regte „Who‘s Next“ die Diskussion um (un)bezahlbaren Wohnraum für alle und Obdachlosigkeit an. Doch ist Tulga Beyerle und ihrem Team ebenso wichtig, dass sich die Gäste im Haus nicht nur herausgefordert, sondern auch wohlfühlen.
So wurde das Foyer von dem Hamburger Designstudio Besau Marguerre neu und farbenfroh gestaltet, lockt die große Familienausstellung um 50 Jahre „Sesamstraße“ viele Menschen an (zu sehen noch bis zum 7. Januar 2024). Im Rahmen des museumsübergreifenden Nachhaltigkeitsprojekts „Elf zu null“ wurde die Klimatechnik im MK&G erneuert und die Lichtanlage auf LED umgestellt. Im kommenden Jahr sollen die klimafreundliche Produktion von Ausstellungen sowie das Abfallmanagement im Zentrum stehen.
Und inhaltlich? Da geht es erst mal fröhlich los, mit dem Thema „Feste Feiern!“ (ab 16. Februar). Ausgehend von Festen und Feierlichkeiten der griechischen und römischen Antike vom 6. Jahrhundert v. Chr. bis zum 3. Jahrhundert n. Chr. haben sich die Kuratoren Manuela van Rossem und Frank Hildebrandt heutige Veranstaltungen angesehen. Und kamen zu dem Schluss, dass das Oktoberfest und sogar das Metal-Festival in Wacken auf diese Wurzeln zurückzuführen sind, sich sogar Merchandising und Gestaltung einander ähneln. Außerdem: dass wir Feste, ob Trauerfeiern, Geburtstage oder Weihnachten, unbedingt als gemeinschaftlichen Kitt und als Auszeit vom Alltag brauchen.
MK&G: Auch 2024 stehen Frauen im Fokus des Ausstellungsprogramms
Die wichtigste Ausstellung des Jahres startet am 15. März: „Water Pressure. Gestaltung für die Zukunft“. „Dystopisch“ sei dabei nur die Ausgangslage, wie Kuratorin Erika Pinner betont. Im Wissen, dass 90 Prozent der weltweiten Katastrophen mit Wasser zu tun haben, will das Museum „Gestaltungsideen aufzeigen, die das Potenzial haben, unsere Zukunft radikal zu ändern“.
In fünf Kapiteln, darunter „Durstige Städte“ und „Unsichtbares Wasser“, werden innovative Ideen aus Design, Architektur, Kunst und Wissenschaft aufgezeigt, die häufig auf die Prinzipien der Natur zurückgehen und so neue Wege anbieten, um sich mit ihr wieder zu verbinden. Neben Wasserknappheit, Umweltverschmutzung und gestörten Wasserkreisläufen stehen Abwassersysteme im Fokus. Und so wird es, erst mal am MK&G, eine Ausstellung verschiedener Toiletten geben, darunter auch die Trockentoilette der Hamburger Firma Goldeimer.
Wie im Jahr zuvor werden auch 2024 Frauen im Zentrum des Ausstellungsprogramms stehen, etwa die Kommunikationsdesignerin Sandra Mawuto Dotou , Residentin im Förderprogramm Fonds für Junges Design. Indem sie Popkultur, politischen Aktivismus und Gestaltung miteinander verbindet, fragt sie, wie Design zur Aufklärung, Reflexion und Mobilisierung beitragen kann (ab 3. Mai). Mit Anna Haifisch präsentiert das Museum ab 6. Juni eine der bedeutendsten deutschen Comiczeichnerinnen.
Kurator Simon Klingler, der auch das Comicfestival Hamburg kuratiert, ist begeistert von dem Multitalent mit dem unverwechselbaren Zeichenstil: „Anna Haifisch findet ihre Stoffe selbst und blickt mit ihren menschenähnlichen Tierfiguren allegorisch auf die Absurditäten des Lebens.“ In der Ausstellungsreihe „Contemporary Craft“, die parallel zur MK&G messe am 27. November läuft, wird die norwegische Textildesignerin Hanne Friis präsentiert, die den Begriff der Bildhauerei mit Materialien wie Gummi, Gore-Tex, Samt und Seide völlig neu definiert.
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Mit insgesamt mehr als 14.000 Objekten gehört die Sammlung Ostasien im MK&G zu den bedeutendsten Sammlungen ostasiatischer Kunst in Europa. Kuratorin Wiebke Schaper präsentiert daraus gleich zwei besondere Ausstellungen: „Innere Strukturen – Äußere Rhythmen“ (ab 26. April) zeigt anhand von Plakaten, Videos, Animationen, Büchern und Wandmalereien zeitgenössisches arabisches und persisches Grafikdesign im Wandel der Zeit.
Anschließend an die Schwerpunktschau zu Prinzipien der Gestaltung in Japan folgt „Inspiration China“ ab dem 21. Juni mit Ritualbronzen, kaiserlichem Porzellan, Kalligrafie und Farbholzschnitten. Noch ein Superlativ: Auf 700.000 Objekte wird der Sammlungsbestand des Museums derzeit insgesamt geschätzt. Unmöglich, die alle auszustellen, aber einen großen Teil davon kann man jetzt in den NEO Collections digital betrachten. Und Kuratorin Esther Ruelfs lässt ausgewählte Objekte miteinander ins Gespräch kommen, ab 11. Oktober in der Ausstellung „Die Inszenierung der Dinge“.
Weitere Informationen: mkg-hamburg.de