Eine Ausstellung im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe liefert tiefe Einblicke – und viel Mitmach-Spaß vor allem für Kinder.
- Die Sesamstraße wird in diesem Jahr 50 Jahre alt. Eine Ausstellung in Hamburg ist der beliebten TV-Kinderserie gewidmet.
- Für Kinder ist die Sesamstraße-Ausstellung ein Erlebnisraum. Erwachsene dürfen nostalgisch werden.
- Was die Besucher im Museum für Kunst und Gewerbe erwartet.
Hamburg. Jeder kennt sie. Alle lieben sie. Die Sesamstraße ist seit einem halben Jahrhundert ein Begleiter für Kinder und jung gebliebene Erwachsene. Das Museum für Kunst und Gewerbe gratuliert ab diesem Sonntag in einer Kooperation mit dem NDR mit einer besonderen Schau: „Sesamstraße. 50 Jahre Wer, Wie, Was!“ Wer sie betritt, fühlt sich von der farbenfrohen Architektur, die an 16 originalen Figuren und Filmsets auf 700 Quadratmetern vorbeileitet, sofort mitgenommen und eingeladen.
Sesamstraße: Ausstellung in Hamburg präsentiert Originalfiguren
Am Eingang haben die beiden Kuratoren Dennis Conrad und Simon Klingler ein Kapitel den frühen Jahren gewidmet, die bis zu dem Puppenspieler, Regisseur und Fernsehproduzent Jim Henson zurückreichen, der die Ursprungsidee der Sesamstraße 1969 in den USA entwickelte. Originalfiguren des Riesenkanarienvogels Bibo und des Krümelmonsters sind hier zu bestaunen.
Zu sehen ist auch die erste Folge, die im deutschen Fernsehen am 8. Januar 1973 ausgestrahlt wurde. Ab 1978 hat der NDR die Serie in Lizenz mit Sesame Street in Hamburg als eigene Version für Deutschland mit deutschen Schauspielern in den menschlichen Rollen produziert.
Sesamstraße: Museum für Kunst und Gewerbe blickt hinter die Kulissen
Weil das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg natürlich auf Gestaltung spezialisiert ist, geht es in der Ausstellung vor allem um Blicke hinter die Kulissen, um die Gewerke vom Storytelling über das Setdesign, die Kulissen, die Requisiten, die Kostüme, die Musik bis hin zum Puppenbau – und um die vielen Menschen dahinter.
Die teils prominenten Schauspielerinnen und Schauspieler, die sie zum Leben erweckt haben, sind hier in einer schönen bewegten Ahnengalerie verewigt. Auch Dirk Bach und Manfred Krug sind darunter zu finden. Und wer weiß schon, dass Anke Engelke 2003 und 2004 die Sesamstraße bewohnte?
Für Kinder ist die Sesamstraße-Schau ein Erlebnisraum
Es ist wirklich eine Ausstellung für alle Generationen – Erwachsene dürften an den Schaukästen, Medienstationen, originalen Puppen und Objekten schnell nostalgisch werden. Für Kinder ist die Schau ein magischer Erlebnisraum, der viele Mitmach-Möglichkeiten bereithält.
So können sie an einer Puppenbaustation eigene Figuren kreieren und sich mit diesen fotografieren. Ein Musikzelt lädt zum Mitsingen und Tanzen ein. Und am Ende der Schau gibt es noch mehr Gelegenheit zum kreativ werden.
In der Mitte der Ausstellung liegen zwei der beliebtesten Figuren, Ernie und Bert – zwei übrigens offen zusammenlebende Männer –, in ihren Betten beim Einschlafritual. Die Sesamstraße war auch immer ein Ort der pädagogischen Auseinandersetzung. Oscar, der Griesgram, der in einer Mülltonne wohnte, war für das deutsche Fernsehen zu sehr an amerikanischen Großstädten orientiert – weshalb er bald verschwand, später aber in dem in einem Fass lebenden Rumpel einen deutschen Vertreter fand.
Sesamstraße: Natürlich fehlen auch Samson und Tiffy bei dieser Ausstellung nicht
Für die deutsche Version von zentraler Bedeutung sind natürlich Samson und Tiffy. In voller Größe ragt die Bärenfigur inmitten der Ausstellung auf. Der Puppenbauer und -spieler Peter Röders, Jahrgang 1945, verkörperte von 1978 bis 1983 die Figur des Samson, jenes Bären, der in Turnschuhen gemütlich durch die Kulissen stapfte und auch gerne mal in der Hängematte lag. Die Arbeit war oft schweißtreibend bei bis zu 40 Grad im Innern des 25-Kilogramm schweren Kostüms.
Röders und seine damalige Frau haben seinerzeit das Fabula-Theater betrieben und Aufführungen mit Puppen, Figuren und Objekten überwiegend für Kinder gespielt. Eines Tages schauten NDR-Mitarbeiter bei einer Kasperletheater-Vorführung vorbei und engagierten das Paar.
Röders spielte Samson, seine Frau Kerstin Siebmann-Röders übernahm die Rolle der Tiffy. Eine aufregende Zeit begann. Zwei Tage ging es nach New York, wo sie auf Kermit Love, den Schöpfer der Samson-Figur trafen.
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Love war Ausstatter am Broadway, und Röders erinnert sich noch gut an dessen Zugang zum Puppenbau: „Er hasste Leute, die zu schnell bauen und hat sich immer viel Zeit genommen, um einen Charakter in der Tiefe zu entwickeln.“ Das tat Röders selbst auch später, als er die Figur des Uli von Bödefeld erfand, die die einzige rein deutsche Figur der Sesamstraße werden sollte.
Regisseur Norbert Schultze junior entdeckte einen Entwurf der Figur eher zufällig in Röders’ Werkstatt. Sie wurde für einen Trailer ausgearbeitet und überzeugte schließlich sogar die US-Verantwortlichen. Hinter der Figur habe keine bestimmte Idee gestanden. „Er ist eigentlich undefinierbar. Man weiß nicht, ob es ein Meerschweinchen ist oder eine Maus“, lacht Röders.
Ausstellung Hamburg: Deutsche Sesamstraße vermittelte eine (zu?) heile Welt
Der Puppenbauer und -spieler hat schöne Erinnerungen an diese Film-Jahre. Damals stand er auch mit Filmgrößen wie Lieselotte „Lilo“ Pulver und Henning Venske vor der Kamera. „Das war eine wunderschöne Zeit, weil wir damals viele Freiheiten hatten, sehr viel improvisieren und die Charaktere entwickeln konnten. Wir hatten zwei große Studios zur Verfügung mit rollenden Kameras und allem, was man sich wünschte.“
Die Sesamstraße habe damals eine heile Welt vermittelt, findet Röders. Mit einer liebevollen Familie, die sich um alles kümmert und jeden Konflikt löst. „Mir war das zu heil.“
Die US-Version sei schon damals sehr divers und inklusiv gewesen. „Das hätte ich mir für unsere Version auch gewünscht.“ Heute spielt Röders nicht mehr, aber Puppen baut er immer noch.
„Sesamstraße. 50 Jahre Wer, Wie, Was!“ 7.5.2023 bis 7.1.2024, Museum für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz, Di bis So 10 bis 18 Uhr, Do 10 bis 21 Uhr; www.mkg-hamburg.de