Hamburg. Kassenärztliche Vereinigung plant Praxis in Eigenregie im Hamburger Osten. Warum die Verteilung der Ärzte in der Stadt kompliziert ist.

Um den Mangel an Kinderärzten in Hamburg zu beheben und mehr Termine möglich zu machen, wird die Kassenärztliche Vereinigung (KV) noch in diesem Jahr eine Praxis in Eigenregie eröffnen. Das sagte KV-Vorstandschef John Afful dem Abendblatt.

Man plane, in einer bestehenden Praxis im Hamburger Osten Kinderärztinnen und Kinderärzte anzustellen. Das Geld dafür kommt aus dem sogenannten Strukturfonds, in den Kassenärzte sowie Krankenkassen einzahlen. Mit diesen Finanzmitteln dürfen neue Niederlassungen oder Zweigstellen gefördert werden.

Kinderärzte in Hamburg: Statistik führt in die Irre

Kurioserweise gilt Hamburg in der sogenannten „Bedarfsplanung“ (Ärzte pro Einwohner) als überversorgt mit Ärzten, auch Haus- und Kinderärzten. Das ist jedoch eine statistische Irreführung. Denn erstens sind gerade die Kinderärzte ungleich über die Stadt verteilt.

Zweitens machen viele eine „Spezialversorgung“, also zum Beispiel Kinderkardiologie, und fallen dadurch für die Grundversorgung, das sogenannte „Brot-und-Butter-Geschäft“ mit Vorsorgeuntersuchungen, akuter Infektbehandlung und anderem weg.

Und drittens kommt in Hamburger Praxen je nach Quelle mindestens jedes zehnte Kind aus einem anderen Bundesland. All das verengt den Flaschenhals in eine Kinderarztpraxis noch weiter.

Gründe für den Mangel bei Kinderärzten in Hamburg

Die Vorsitzende des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte in Hamburg, Dr. Claudia Haupt, hatte davon gesprochen, dass Mütter und Väter aus purer Not sogar „tricksen“, um überhaupt in einer Praxis aufgenommen zu werden.

Nach Zahlen der KV sind Hausärzte und Kinderärzte in Hamburg im Mittel deutlich älter als ihre Kollegen aus anderen Fachdisziplinen. Ärztinnen arbeiten häufiger in Teilzeit, und die Neigung, sich als Selbstständige niederzulassen, ist wegen der unsicheren wirtschaftlichen Lage noch geringer.

Die KV-Praxis im Osten der Stadt soll nun dazu beitragen, dass auch junge Mediziner sich zu diesem Schritt entscheiden, und damit die Versorgung verbessern.

Hamburg: Zahl der Kinderärzte sinkt von 273 auf 204

CDU-Fraktionschef Dennis Thering hatte unter Berufung auf Daten aus einer Schriftlichen Anfrage an den Senat gesagt, die Zahlen bei Haus- und Kinderärzten seien in den vergangenen Jahren eingebrochen. Es werde immer schwieriger, Termine zu bekommen, in einigen Stadtteilen gebe es kaum noch Ärzte: „Die ärztliche Unterversorgung in einigen Stadtteilen und der kontinuierliche Einbruch bei der ärztlichen Versorgung in Hamburg machen mir große Sorgen. Schlecht erreichbare Arztpraxen und Termine oftmals erst Monate später, sind nicht länger hinnehmbar.“ Die Zahl der Kinderärzte verringerte sich von 273 (Anfang 2019) auf 204 (Anfang 2022). Allerdings war der stärkste Rückgang von 2019 auf 2020 (minus 63 Kinderärzte).

Nach der aktuellen Statistik der Ärztekammer sinkt jedoch nicht generell die Zahl der Ärzte. Nur: Nicht alle arbeiten auch als Arzt oder sind in einer Praxis selbstständig niedergelassen. Viele ziehen eine Anstellung in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) oder andere Jobs vor.

In Hamburg sind 20 Hausarzt-Sitze unbesetzt

Bei einer Veranstaltung der SPD-Fraktion am Montag („Mehr Gerechtigkeit bei der ärztlichen Versorgung“) wies KV-Chef Afful darauf hin, dass man nicht einfach mehr Haus- oder Kinderärzte zulassen könne.

Zum einen gebe es diese nicht sofort in erforderlicher Anzahl. Zum anderen sinke dann das Honorar der gesamten Fachgruppe, weil das Budget insgesamt ja nicht steige, sondern starr bleibe – dasselbe Geld, verteilt auf mehr Köpfe.

Wie das Abendblatt zuletzt berichtete, sind aktuell 20 Arztsitze von Hausärzten nicht besetzt. Rund 30.000 Patientinnen und Patienten können rechnerisch also nicht versorgt werden.

Neue Kinderarztpraxis: „Mehr Zeit für ärztliche Themen“

SPD- und Grünen-Fraktion hatten bereits im vergangenen Jahr den Senat aufgefordert, die KV in die Lage zu versetzen, Arztsitze selbst zu betreiben. Wie Afful sagte auch AOK-Vorstand Matthias Mohrmann: „Wir können die Ärzte nicht einfach generieren.“ Die Krankenkasse hält am Projekt des viel diskutierten Gesundheitskiosk fest, der in Billstedt Menschen vor allem in sozial herausfordernden Situationen, die sich im „System“ nicht auskennen, erfolgreich anspreche.

KV-Chef Afful sagte, gerade Eltern seien oft ratlos und kämen auch mit Problemen in die Praxen, deren Lösung eigentlich auf anderen Feldern der Sozialpolitik liege. Die neue Kinderarztpraxis solle „mehr Zeit für ärztliche Themen“ zur Verfügung stellen.