Hamburg. Weisse Liste von Bertelsmann will Orientierung für Patienten geben. Hamburgs prominente Krankenhäuser sind teils seltsam einsortiert.

Es heißt nicht Rangliste, sondern „Weisse Liste“ – doch in Wirklichkeit ist diese neue Datenauswertung der Bertelsmann Stiftung ein Ranking für Krankenhäuser in Deutschland. Mit der neu aufgesetzten Internetsuchmaschine lassen sich ab sofort bundesweit Kliniken für bestimmte Operationen und Therapien finden und zudem Pflegeeinrichtungen. Dabei sind die in Hamburg und der Metropolregion bekannten großen und kleinen Krankenhäuser mithilfe der Orts- und Postleitzahlsuche gut auffindbar.

Doch dieses Ranking, das Patienten eine Orientierung über die Zahl der jährlich behandelten Fälle, über Behandlungsqualität und Weiterempfehlungen anderer Patienten geben soll, wirft zumindest für Hamburger Häuser einige Fragen auf. Das Abendblatt hat Ausgewählte dieser neuen Krankenhaus-Listen einem kleinen Check unterzogen und Experten zu ihrer Einschätzung befragt. Die Bertelsmann-Liste versteht sich als „Wegweiser“ und steht unter der Schirmherrschaft des Patientenbeauftragten der Bundesregierung, Stefan Schwartze.

Krankenhaus-Ranking: Weisse Liste und Krankenhausspiegel

Die Macher schreiben: „Die Weisse Liste ist vor mehr als zehn Jahren als gemeinsame Idee der Bertelsmann Stiftung und der größten Patienten- und Verbraucherorganisationen entstanden. Sie begleitet heute Menschen auf ihrem Weg zu einer bedarfs- und bedürfnisgerechten gesundheitlichen Versorgung und unterstützt, den eigenen Behandlungsprozess mitzugestalten.“ Man sei nur dem Gemeinwohl verpflichtet und nehme den Menschen in den Fokus. Die Grundlage dieser Listen sind die öffentlich verfügbaren Daten, wie es sie seit Jahren auch im Hamburger Krankenhausspiegel gibt.

Die Fallzahlen spielen bei einer bestimmten Operation eine große Rolle. So soll auch die viel diskutierte Krankenhausreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und den Bundesländern dafür sorgen, dass Operationen an sogenannten „Zentren“ gemacht werden, die diese Eingriffe häufig machen, also viel Erfahrung damit haben. Aus ärztlicher Sicht spielt das für die Ergebnisqualität einer OP eine große Rolle. Das sollten Patienten immer bedenken.

Bertelsmann-Ranking: Krankenhaus Jerusalem vergessen?

Hier finden sich im Bertelsmann-Ranking Auffälligkeiten für Hamburg. Beispiel Brustkrebs-Operationen: 20 Krankenhäuser wirft die Suche aus. Auf Platz eins steht das UKE mit drei von drei Sternen für „Weisse Liste Qualitätseinschätzung“, drei für Erfahrung, Weiterempfehlung und Behandlungsqualität. Dabei bedeutet Erfahrung, dass 289 Patientinnen behandelt wurden, das seien überdurchschnittlich viele. Dem UKE folgen auf der Liste die Regio Kliniken Pinneberg, das Städtische Klinikum Lüneburg, Stade, Buxtehude, Winsen (Luhe).

Nur wenn man innerhalb der Trefferliste auf „Weitere laden“ klickt, bekommt man die „Spitzenreiter“, die man erwartet hätte und die beispielsweise Ärzte sofort nennen würden: Das (kleine, aber spezialisierte) Krankenhaus Jerusalem am Moorkamp in Eimsbüttel und das nur zwei Steinwürfe entfernte Agaplesion Diakonieklinikum. Am Jerusalem wurden im Jahr 2021 insgesamt 1589 Eingriffe bei Brustkrebs gemacht, „nebenan“ an der Hohen Weide 478, bei Asklepios in Barmbek (Platz drei des Hamburger Krankenhausspiegels) waren es 352. Wenn in Hamburg Frauen bei einer ernsthaften Erkrankung zumindest mitwählen können, scheint es klare Präferenzen zu geben, die die Weisse Liste offenbar so nicht abbildet.

Was kann die Wahl eines Krankenhauses beeinflussen?

  • Zunächst einmal muss ein Haus die Operation oder Behandlung überhaupt anbieten
  • Viele Patienten eines Krankenhauses kommen mit dem Rettungswagen, haben also zumeist wenig Einfluss auf die Entscheidung
  • Bei „elektiven“ Operationen, also Eingriffen, die planbar sind, kommt es oft auf den Haus- oder Facharzt an, der einen Rat geben kann.
  • Es gibt zahlreiche Internet-Portale, auf denen sich Patienten austauschen, Foren und Selbsthilfegruppen. Hier kann man sich informieren – oder desinformiert werden, denn hier trifft man oft auf eine „gesteuerte“ Kommunikation. Der vom Algorithmus, nicht von Expertenwissen getriebene Dr. Google setzt hier die Standards.
  • Oft zählen Patienten nicht auf die (im Krankenhausspiegel nachprüfbare) Erfahrung eines Hauses mit bestimmten Eingriffen, sondern auf Empfehlungen von Freunden und Verwandten. Das dürfte ein beherrschender Faktor für die Wahl sein.

Geburtskliniken Hamburg: Patientinnen stimmen mit den Füßen ab

Die neue Weisse Liste hat dieselben verfügbaren Daten wie der Krankenhausspiegel und wirkt sehr aktuell. Bei den Listen zu den Geburtskliniken in Hamburg gibt es leichte Abweichungen bei den geborenen Babys. Noch mehr ins Auge springt allerdings, dass zwar „Platzhirsche“ unter den beliebten und nachgewiesen guten Häusern wie Marienkrankenhaus, Asklepios Barmbek und das Albertinen vorne stehen. Jedoch folgen dann weiter unten wieder Lüneburg und Buxtehude (die sicher gute Arbeit machen).

Das Haus von Asklepios in Altona muss erst wieder „nachgeladen“ werden. Ausgerechnet die Klinik, in der 2021 und auch wieder 2022 die meisten Babys in Hamburg auf die Welt kamen (3546). Das führt zu Stirnrunzeln unter Experten. Denn eine Geburt ist ja die Wahlleistung sensibler Patientinnen schlechthin.

Weisse Liste: „Befunddolmetscher“ erklärt Fachchinesisch

Für alle Geburtsstationen in Hamburg gibt es einen vorläufigen Trost: Von der Krankenhausreform werden sie möglicherweise nicht betroffen sein, Lauterbach hin, Weisse Liste her. Sämtliche Häuser im Krankenhausspiegel hatten erheblich mehr als 500 Geburten pro Jahr. Und da könnte in Zukunft der „Cut“ liegen, ob ein Haus die Station behalten darf oder nicht.

Was die neue Weisse Liste auszeichnet, liegt dort etwas verborgen: Sie ist ein Befunddolmetscher. Man könnte auch sagen, sie ist ein interaktives Wörterbuch à la Arzt–Deutsch und Deutsch–Arzt.