Hamburg. Der CDU-Fraktionschef attackiert Peter Tschentscher und verrät, an welchen Stellen er im Senat personell nachbessern würde.

Hamburger Abendblatt: Herr Thering, wir sind ziemlich genau in der Mitte der Legislaturperiode. Was hat Rot-Grün Ihrer Ansicht nach bislang falsch gemacht?

Dennis Thering: Man merkt zunehmend, dass die Fehler sich häufen. Da ist zum einen der ständige Zwist zwischen den Koalitionspartnern, der Senat wirkt zerrissen. Was auch zunimmt, ist die Führungsschwäche des Bürgermeisters. Es scheint so, dass die Senatoren machen können, was sie wollen. Der Bürgermeister gibt keine Orientierung.

Sommerinterview: Thering kritisiert Tschentschers Zaudern

Beim Zwist zwischen Umweltsenator Jens Kerstan und Wirtschaftssenator Michael Westhagemann steht der Bürgermeister nur am Rand. Er greift nicht durch und sagt nicht, was die Linie des Senats ist. Ich würde mir gerade in diesen Krisenzeiten eine anpackende Persönlichkeit wie Helmut Schmidt wünschen statt eines Zauderers wie Peter Tschentscher.

Auch das Abendblatt schreibt immer wieder über die Nickeligkeiten und Meinungsverschiedenheiten in der Koalition. Aber ein Bruch des Bündnisses ist nicht wirklich absehbar, alle Senatsmitglieder sind nach wie vor im Amt. Haben Sie etwas falsch gemacht als Opposition?

Thering: Im Vergleich zu früheren Legislaturperioden lässt sich sagen, dass der Senat lange nicht so schwach performt hat wie jetzt. Die Stichworte sind die Corona-Party und das “Pimmelgate” des Innensenators und die Fehlbesetzung der Justizsenatorin, der die Qualifikation fehlt. Der Senat ist längst nicht mehr da, wo er sein sollte. Die strenge Kontrolle der Opposition zeigt das immer wieder auf. Um mit einem Bild aus dem Sport zu kommen, ich bin ja Fußballer: Der Senat liegt zur Halbzeit mit 0:2 hinten. Es ist an der Zeit, dass der Bürgermeister eine deutliche Veränderung in seiner Mannschaft vornimmt.

Thering fordert Umweltsenator Kerstans Entlassung

Sie fordern also die Entlassung von Andy Grote und Anna Gallina?

Thering: Ich erwarte, dass der Bürgermeister an diesen beiden Positionen jetzt schnell nachbessert. Mit der inneren Sicherheit ist nicht zu spielen. Mir würde aber noch ein weiterer Spieler einfallen, der ausgewechselt werden müsste. Das wird gerade jetzt in der Energiekrise sehr deutlich: Umweltsenator Jens Kerstan, der seine Ideologie über das Wohl der Stadt stellt. Das ist angesichts der Versorgungskrise, die auf uns zukommt, untragbar. Von Kerstans sonstigen ständigen Querschüssen gar nicht zu reden.

Die CDU hat in der Analyse der krachenden Wahlniederlage 2020 festgestellt, dass den Wählerinnen und Wählern nicht klar war, wofür die Partei steht. Wissen Sie schon, wofür die CDU bei der Wahl 2025 stehen wird?

Thering: Auf jeden Fall für ein klares Profil und eine klare Unterscheidbarkeit gegenüber dem rot-grünen Senat. Das ist uns 2020 nicht ausreichend gelungen, das muss man selbstkritisch sagen. Was die Themen 2025 genau sein werden, kann keiner heute sagen. Aber in der Verkehrs- und der Wirtschaftspolitik bietet der Senat immer mehr offene Flanken. Auch die innere Sicherheit wird ein wichtiges Thema sein. Aber Politik ist schnelllebig. Wir werden sehen, was gerade angesichts der Krisen noch kommt.

Männerdominierte CDU in der Kritik

Bei der Bürgerschaftswahl 2020 holte die CDU 11,2 Prozent, bei der Bundestagswahl 2021 in Hamburg 15,4 Prozent bei den Zweitstimmen. Das sieht nach einem sehr tiefsitzenden Problem aus. Was ist zu tun?

Thering: Das war 2020 ein katastrophales Ergebnis. Aber wir haben uns als CDU personell neu aufgestellt und sind inhaltlich deutlich wahrnehmbarer in der Stadt geworden bei gleichzeitiger Schwäche des Senats.

Der Parteienforscher Elmar Wiesendahl sagte jüngst: „Man nimmt dieser männerbündischen CDU in Hamburg nicht ab, dass sie Frauen fördert und deren Interessen vertritt.“ Unter den sieben Kreisvorsitzenden ist nur eine Frau, nur drei der 15 Bürgerschaftsabgeordneten sind weiblich. Schreckt dieses Image insbesondere Wählerinnen ab?

Thering: Ich teile diese Einschätzung von Herrn Wiesendahl ausdrücklich nicht. Wir haben in den letzten Jahren einiges geschafft. Frauenförderung ist bei uns aktuell kein Thema, bei dem wir ein großes Problem haben. Wir haben mit Franziska Hoppermann eine Bundestagsabgeordnete, wir haben eine Fraktionsvorsitzende in den Bezirken neu dazu bekommen. Wir haben verstanden, dass gute Politik nur mit Männern und Frauen zusammen gemacht werden kann.

Thering erklärt: Frauenförderung sei kein Problem für CDU

Wenn Sie sagen, Frauenförderung sei für Sie kein Thema mehr, finden wir das mehr als erstaunlich. Eine Frau im Bundestag ist doch noch kein Wechsel...

Thering:… ein Drittel Frauen.

Unter den sieben Kreisvorsitzenden, die in der CDU eine wichtige Rolle spielen, gibt es, wie gesagt, nur eine Frau. In der Bürgerschaftsfraktion sieht es ähnlich aus. Darüber kann man nicht einfach hinweggehen, und die Lage ist eindeutig anders als zum Beispiel bei Ihren Hauptmitbewerbern SPD und Grünen.

Thering: Wir haben in der Vergangenheit erkannt, dass wir ein Defizit hatten, und bei der vergangenen Bürgerschaftswahl unsere Liste auf den vorderen Plätzen paritätisch besetzt. Ich glaube, wir haben einen sehr guten Start gemacht. Künftig wollen wir noch mehr Frauen in der Fraktion haben, das ist kein Geheimnis. Dafür brauchen wir vor allem wieder bessere Wahlergebnisse.

Der CDU-Landesvorsitzende Ploß hat sich gegen eine Frauenquote ausgesprochen. Wie sehen Sie das?

Thering: Ich bin auch kein Quotenfreund. Für mich ist die Quote nicht die Lösung. Es muss aus einer inneren Überzeugung heraus kommen. Wir haben tolle Frauen in der Partei, und ich freue mich über jede engagierte Frau, die mitmacht. Andererseits muss der Parlamentsbetrieb weiter optimiert werden. Das ist ja zum Teil schon geschehen durch die Vorverlegung der Sitzungszeiten.

Nun hat sich sogar Ihr Parteichef Friedrich Merz für eine Frauenquote ausgesprochen.

Thering: Das ist richtig. Auf dem nächsten Bundesparteitag wird es einen entsprechenden Antrag geben. Ob der eine Mehrheit findet, kann ich heute nicht beurteilen. Ich glaube aber, wenn man den festen Willen hat – und das zeigen unsere Hamburger Beispiele –, ist es auch ohne Quote möglich, ein gutes Verhältnis von Frauen und Männern herzustellen.

Das zeigt das Hamburger Beispiel doch gerade nicht.

Thering: Ich habe Ihnen doch das Beispiel aus meinem Kreisverband Wandsbek mit einer Bundestagsabgeordneten und einer Fraktionschefin genannt. Zwei Spitzenpositionen sind weiblich besetzt. Wir haben auch weibliche Vorsitzende in den Ortsverbänden dazu bekommen.

Das ist ein Kreisverband von sieben.

Thering: Es ist eine stetige Entwicklung zu erkennen. Wir brauchen mehr gute Frauen, das ist keine Frage. Und genau das gelingt uns: Es werden mehr Frauen in Führungspositionen bei der CDU Hamburg und nicht weniger.

CDU will erster Ansprechpartner der Wirtschaft sein

Elmar Wiesendahl sagt auch, der CDU fehle die Anbindung an das Großbürgertum und die Wirtschaft – traditionell eine der Stärken der CDU. Haben Sie da Nachholbedarf?

Thering: Wir hatten ausdrücklich Nachholbedarf. Wir hatten den Anschluss zu wichtigen Teilen der Wirtschaft und der Stadtgesellschaft verloren. In den letzten zweieinhalb Jahren haben wir unser wirtschaftspolitisches Profil aber deutlich ausgebaut. Ich bin täglich viel in der Stadt unterwegs und spreche viel mit Unternehmerinnen und Unternehmern.

Alle attestieren uns, dass sie sehr begrüßen, dass die CDU wieder einen klaren wirtschaftspolitischen Kurs hat. Da spielt uns in die Karten, dass der Senat auch in der Wirtschaftspolitik derzeit ein trauriges Bild abgibt. Wir haben klar den Anspruch, wieder erster Ansprechpartner der Wirtschaft in der Stadt zu sein.

Wirtschaftssenator Michael Westhagemann haben Sie vorhin nicht auf Ihrer Liste der Rücktrittskandidaten gehabt.

Thering: Der Wirtschaftssenator hat sich in der Energiekrise sehr positiv hervorgetan und dem Bürgermeister deutlich aufgezeigt, dass sein Kurs nicht der richtige ist. Das haben wir wohlwollend zur Kenntnis genommen.

Aber Sie wollen doch, dass der Bürgermeister Führung zeigt.

Thering: Richtig, deshalb ist es schon verwunderlich, dass sich ein Wirtschaftssenator zweimal – beim Thema Moorburg und LNG-Terminal – so klar gegen den Bürgermeister positionieren kann. Aber als Opposition kann ich es nur loben, wenn der Senator in der Sache Recht hat und dem Bürgermeister widerspricht, vor allem, wenn er das fordert, was die CDU auch fordert.

Thering: CDU eher pragmatisch als konservativ

Viele Beobachterinnen und Beobachter attestieren der Hamburger CDU ein konservatives Profil. Sie widersprechen gern und bezeichnen sich selbst zum Beispiel auch als liberal. Aber müssen Sie die offensichtliche Wirkung Ihrer Partei nicht ernst nehmen?

Thering: Eine erfolgreiche Partei zeichnet sich immer dadurch aus, dass sie verschiedene Strömungen hat: Konservative, Liberale, Bürgerlich-Christliche und auch eher linke Liberale in einer Stadt wie Hamburg. Ich finde, dass wir da einen ausgewogenen Kurs fahren. In der Bürgerschaftsfraktion machen wir eine sehr pragmatische Politik, die nicht als streng konservativ eingeschätzt worden ist. Am Ende kommt es nicht darauf an, ob die Partei eher konservativ oder eher liberal ist. Die Menschen erwarten Lösungen von Herausforderungen wie jetzt in der Energiekrise von uns.

Was ist das Kennzeichen des liberalen Profils der Hamburger CDU, etwa in gesellschaftspolitischer Hinsicht?

Thering: Beispiel Sozialpolitik: Ich setze mich sehr für die Rechte Obdachloser ein, bin mit dem Kältebus letztes Jahr eine ganze Nacht mitgefahren. Im familien- und sozialpolitischen Bereich haben wir weniger konservative als eher bürgerliche Positionierungen.

Sie kritisieren den rot-grünen Senat für eine zu starke Versiegelung von Grünflächen, halten aber Umweltsenator Kerstans Vorschlag, keine Einfamilienhäuser mehr zu genehmigen, gleichzeitig für „Verbotspolitik“. Wie kann es Ihrer Meinung nach gelingen, Wohnraum zu schaffen und Grünflächen zu erhalten?

Thering: Das ist ein Herzensthema von uns und gerade auch von mir. Wir wollen den Charakter Hamburgs als grüne Stadt am Wasser erhalten. Dazu gehört, nicht immer mehr Grünflächen zu bebauen, wie SPD und Grüne es tun. Ich meine, wir sollten den Wohnungsbau komplett neu denken. Wir müssen deutlich mehr an den Magistralen bauen und teilweise auch mehr in die Höhe.

Thering attackiert: „Dieser Senat hat ein Vollzugsdefizit“

In bestimmten Bereichen müssen zwei, drei Stockwerke mehr möglich sein. Und: Wohnen und Gewerbe müssen stärker zusammen gedacht werden. Es geht nicht, dass einstöckige Gebäude für Supermärkte zum Beispiel noch genehmigt werden. Natürlich ist es einfacher, eine Grünfläche zu bebauen. Gegen ein Verbot neuer Einfamilienhäuser sind wir aber andererseits in der Tat.

Was sie an Vorschlägen aufgezählt haben, ist doch längst Senatspolitik.

Thering: Das Magistralenkonzept kommt noch aus CDU-Regierungszeit, der Senat verfolgt es aber mit sehr gedämpftem Schaum. Es ist viel einfacher, sich ein Feld zu nehmen und es als Wohngebiet auszuweisen wie zum Beispiel in Oberbillwerder. Das lehnen wir ab. Ich sehe nicht, dass der Senat auch mal höher baut oder Flachbauten überdeckelt. Dieser Senat hat ein Vollzugsdefizit.

Der Senat hat 2021 zwar sein Ziel erreicht, 10.000 Wohnungen zu genehmigen, die Zahl der fertig gestellten Wohnungen ist jedoch deutlich gesunken. Sollte die Zielmarke aufgegeben werden?

Thering: Es ist immer wichtig, sich ambitionierte Ziele zu setzen. Deswegen sollte es bei der Zahl 10.000 bleiben. Wir wollen uns da nicht aus der Verantwortung nehmen, aber ich erwarte dann, dass der Senat seine Wohnungsbaupolitik überdenkt und gemeinsam mit uns Lösungen erarbeitet.

Im Zuge ihrer Forderung nach einem Hitzeaktionsplan sagten Sie, dass SPD und Grüne „umweltpolitisch schon lange die falschen Prioritäten setzen“. Was sind die umweltpolitischen Prioritäten aus Sicht der CDU?

Thering: Wir müssen unsere wertvollen Grünflächen schützen, wie eben gesagt. Der Bürgermeister hat sogar die absurde Idee, Windräder in Naturschutzgebiete zu bauen. Dann haben wir ein extremes Baumdefizit. Es werden deutlich mehr Straßenbäume gefällt als nachgepflanzt. Und der Senat hat nur etwas mehr als 30 von über 1100 öffentlichen Gebäuden mit Photovoltaik ausgestattet. Insgesamt muss der Senat hier deutlich mehr auf die Tube drücken.

Thering kritisiert Hamburger Radverkehrspolitik

Die CDU wird mit dem Thema Klimaschutz nicht unbedingt primär in Verbindung gebracht. Hat Ihre Partei in der Vergangenheit versäumt, das Thema auf die Agenda zu setzen?

Thering: Ich glaube, dass wir im Bereich der Umweltpolitik nicht alles richtig gemacht haben. Hier in Hamburg haben wir aber ein klares umweltpolitisches Profil vor dem Hintergrund des Klimaschutzes. Für uns ist klar, Wirtschaft und Umwelt müssen immer zusammen gedacht werden.

Laut einer aktuellen Kleinen Anfrage hat der Radverkehr im ersten Halbjahr 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 20 Prozent zugenommen. Ein Erfolg für Verkehrssenator Anjes Tjarks von den Grünen?

Thering: Ich freue mich über jeden, der das Auto stehen lässt und mit dem Fahrrad fährt. Natürlich ist es gerade im Einjahresvergleich schwer, Aussagen zu treffen. Letztes Jahr hatten wir auch noch die Corona-Zeit, wo viele Leute im Homeoffice waren und gar nicht so viel rausgekommen sind, wie es heute der Fall ist, deshalb wäre ich mit solchen Vergleichen vorsichtig.

Ich bin aber nach wie vor der Meinung, dass die Radverkehrspolitik in Hamburg nicht gut gemanagt wird. Der Radverkehr in Hamburg ist monothematisch auf den Profi-Radler ausgelegt und nicht auf den Alltagsradler. Gerade Familien mit Kindern sowie Seniorinnen und Senioren möchten nicht auf einer Hauptverkehrsstraße neben einem 40-Tonner ohne Schutz fahren.

Thering plädiert für Zukunft für Autofahrende in Hamburg

Also eher Radwege unmittelbar neben dem Bürgersteig?

Thering: Für mich ist klar, dass ein Fahrrad auf einer Hauptverkehrsstraße nichts zu suchen hat. Weil der Verkehrsraum in Hamburg sehr begrenzt ist, haben wir vorgeschlagen, zunehmend unterirdisch Parkraum zu schaffen. Dadurch hätten wir die Möglichkeit, oberirdisch Parkraum wegzunehmen und dadurch mehr Platz für Fußgänger und Fahrradfahrer zu schaffen.

So könnten wir sichere Fahrradwege, geschützt von den Autofahrern, schaffen, die dann für alle attraktiv sind. Ich glaube, das ist die einzige Chance, das Problem Parken und Radverkehr zu lösen, ohne dass wir dem Auto immer mehr Raum wegnehmen, was zwangsläufig zu mehr Stau und damit auch mehr Umweltverschmutzung führt.

Die Zahl der in Hamburg zugelassenen Autos ist nach Jahren des Anstiegs zweimal hintereinander in einem Quartal gesunken. Erfreut Sie diese Tendenz oder ist das ein Beleg für die autofeindliche Politik von Rot-Grün?

Thering: Es bleibt dabei, ich freue mich über jeden, der erkennt, dass es auch gute Alternativen zum Auto gibt. Es muss ja nicht das Fahrrad sein, es kann auch der Bus oder die Bahn sein. Mit Sicherheit wird das 9-Euro-Ticket da auch seinen Beitrag zu geleistet haben, dass der eine oder andere das Auto abgemeldet hat. Ob das ein dauerhafter Effekt ist, wird sich zeigen.

Wir sehen aber ja schon sehr deutlich, dass der rot-grüne Senat und der Bürgermeister eine monothematische Politik gegen die Autofahrerinnen und Autofahrer führen. Das war bisher nicht erfolgreich. Die Zahlen waren immer steigend. Für uns ist klar, auch die Autofahrerin und der Autofahrer haben eine Zukunft in unserer Stadt. Im besten Fall mit E-Mobilität. Aber auch da muss der Senat deutlich nachlegen, weil die Ladeinfrastruktur in unserer Stadt für E-Autos einfach unterirdisch ist.

Fraktionschef rechtfertigt Anwohnerparken

Sind nur die Radwege das Kennzeichen für die Autofeindlichkeit des Senats?

Thering: Nein, die Baustellenkoordinierung ist auch ein riesiges Thema. Die Baustellen in Hamburg werden nicht koordiniert. Das sehen wir immer wieder an vielen neuralgischen Punkten, wo eine Baustelle aufgemacht wird und die Ausweichroute auch mit einer Baustelle bebaut wird. Das führt dazu, dass es zwangsläufig zu Staus kommt. Wir sehen zudem, dass die Ampeln bis heute nicht digitalisiert sind. Dadurch könnte man deutlich mehr Staus von den Straßen holen.

Sie haben das unterirdische Parken angesprochen und kritisieren das von Rot-Grün forcierte Anwohnerparken. Ist das ein Ansatz zur Verbesserung?

Thering: Anwohnerparken ist nicht per se schlecht. Es gibt Bereiche, zum Beispiel rund um den Flughafen, wo man Anwohnerparkzonen einrichten kann, das muss dann aber intelligent gemacht werden. Das darf am Ende nicht zu mehr Problemen führen, als es Probleme löst. Das ist aktuell der Fall, wenn Gewerbetreibende in Anwohnerparkzonen keine Ausnahmegenehmigung finden und ihr Auto nicht abstellen dürfen.

Ein Beispiel: Am Agaplesion-Klinikum in Eimsbüttel kommt es aufgrund der Anwohnerparkzone dazu, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krankenhauses, die häufig von weit herkommen, keine Parkplätze mehr finden und kündigen. Dadurch verschärft sich der Fachkräftemangel weiter.

CDU-Chef spricht sich für Moorburg und Atomkraft aus

Ist es aus Ihrer Sicht sinnvoll und technisch machbar, das Kohlekraftwerk Moorburg wieder in Betrieb zu nehmen?

Thering: Über allem muss jetzt die Frage stehen: Wie können wir unsere Unternehmen und die Hamburgerinnen und Hamburger gut durch den Winter bekommen, so dass sie am Ende nicht frieren müssen und auch weiterhin warm duschen können und unsere Unternehmen keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen müssen, weil sie ihren Betrieb nicht mehr aufrechterhalten können? Da braucht es jetzt pragmatische Lösungen und keine Ideologie.

Für uns als CDU ist klar, Moorburg sollte wieder ans Netz gebracht werden als eines der saubersten Kohlekraftwerke in Europa, das haben wir mit einem Antrag in der Bürgerschaft bereits im April gefordert. Darüber hinaus sollten auch die noch vorhandenen Atomkraftwerke für einen gewissen Zeitraum weiterlaufen, bis es uns mit unseren Anstrengungen gelungen ist, die regenerative Energie weiter nach vorne zu bringen.

Selbst Vattenfall sagt aber, das Wideranfahren sei nicht möglich.

Thering: Vattenfall sagt, das ist sehr teuer. Es ist möglich, Moorburg wieder hochzufahren, aber Vattenfall will natürlich nach dem teuren Rückbau, den sie gerade gezahlt haben, nicht wieder Geld ausgeben, um den teuren Wiederbetrieb zu finanzieren. Von daher sind jetzt auch die Bundesregierung und der Hamburger Senat gefragt, zu eruieren, wie Moorburg wieder schnell hochgefahren werden kann oder alternativ andere Lösungen zu finden. Aber überhaupt keine Lösungen zu präsentieren, wie es Bürgermeister Tschentscher und sein Senat macht, ist eben auch keine Lösung.

Sie sind als Fraktionsvorsitzender angetreten mit dem Vorsatz, wieder zuzuhören und ein Kümmerer für die Sorgen und Nöte der Menschen zu sein. War die Partei zu abgehoben?

Thering: Nein. Ich glaube nicht, dass wir zu abgehoben waren, aber dass wir uns in den vergangenen Jahren nicht immer die Zeit genommen haben, um mit den Menschen intensiv ins Gespräch zu kommen. Das ist eine Lehre aus den vergangenen Jahren. Und natürlich ist es sehr arbeitsintensiv. Mein Arbeitstag hat selten weniger als 14 Stunden.

Natürlich könnte ich mir das auch einfacher machen, aber ich glaube der Schlüssel zum Erfolg, um den Menschen auch wieder Vertrauen in die CDU zu geben, ist es, für sie da zu sein, zuzuhören und Lösungen zu entwickeln. Das mache ich jetzt unter anderem mit meiner Sommertour, meinen Stadtteil- und Wirtschaftstagen.

Was sind die wesentlichen Erkenntnisse aus Ihren Bürgergesprächen?

Thering: Grundsätzlich sind die Menschen erstmal sehr dankbar, dass wir ihnen zuhören. Es sind nicht immer die großen weltpolitischen Themen, die die Menschen interessieren, sondern es sind häufig vermeintlich ganz banale Themen im Stadtteil, wo die Menschen sagen, das stört mich, toll, dass Sie sich meiner Problematik hier annehmen. Ich glaube, das ist ganz wichtig, weil viele sich in der Politik gar nicht gehört und wahrgenommen fühlen.

Wie nehmen sie die Rolle der Union auf Bundesebene und die des Fraktionschefs Friedrich Merz in der Opposition wahr?

Thering: Ich finde, dass die CDU nach der verlorenen Bundestagswahl die neue Rolle der Opposition sehr schnell und sehr gut angenommen hat. Mit Friedrich Merz haben wir einen Fraktionsvorsitzenden, der sich seiner Verantwortung als Oppositionsführer auch bewusst ist - in Krisenzeiten zu sagen, wir haken uns unter und unterstützen auch. Gleichzeitig kritisieren wir da, wo es angebracht ist, wie zum Beispiel bei den Waffenlieferungen, die ja trotz aller Ankündigungen des Bundeskanzlers bis heute immer noch nicht vernünftig funktionieren. Wir haben wieder an Profil dazugewonnen.

Thering schließt Spitzenkandidatur in 2025 nicht aus

In der Rangliste der beliebtesten Politiker liegen die Grünen aber mit Robert Habeck und Annalena Baerbock vorn, Friedrich Merz ist abgeschlagen. Wie passt das zu Ihrer positiven Bewertung des Parteifreundes?

Thering: Krisenzeiten sind immer Regierungszeiten. Da steht die Regierung im Fokus. Annalena Baerbock und Robert Habeck haben in der Vergangenheit sicherlich einiges richtig gemacht. Jetzt, wo die Energiekrise mit voller Kraft auf uns zukommt, merkt man aber auch, dass Robert Habeck eben kein Zauberer ist und merklich an seine Grenzen stößt.

Solche Umfragen sind immer Momentaufnahmen, am Ende kommt es darauf an, dass wir dann zur Wahl genau da sind, wo wir sein möchten, und darauf arbeiten wir hart hin.

Stichwort Wahl - Haben Sie noch Lust, bei der Bürgerschaftswahl 2025 als Spitzenkandidat der CDU anzutreten?

Thering: Es bleibt dabei, was ich immer gesagt habe: Als Fraktionsvorsitzender und Oppositionsführer bin ich der erste Gegenspieler des Bürgermeisters. Und der Oppositionsführer muss immer die Bereitschaft mitbringen, dann auch Verantwortung zu übernehmen und als Spitzenkandidat für seine Partei, in dem Fall für die CDU, zu kandidieren.

Diese Bereitschaft bringe ich mit. Ich bekomme aus der ganzen Stadt viel Zuspruch für meine Arbeit, darüber freue ich mich, aber am Ende wird es die Partei entscheiden. Meine Lust ist ungebrochen. Ich mache sehr gerne Politik für unsere Stadt, für die Menschen und das kann ich mir künftig auch sehr gut als Spitzenkandidat vorstellen.

Dennis Thering: Partei hat ambitionierte Ziele für 2025

Was wären denn ihre beiden Hauptthemen für den nächsten Bürgerschaftswahlkampf?

Thering: Aus heutiger Sicht ist es mit Sicherheit die völlig verfehlte Verkehrspolitik des Senats. Gleiches gilt für die Wirtschaftspolitik, die sich in vielen Bereichen deutlich gegen die Wirtschaft und nicht für die Wirtschaft einsetzt. Ich bin aber auch als Familienvater immer ein großer Fan von Familien- und Bildungspolitik, wo die CDU ja auch immer eine Kompetenzzuschreibung hat.

Da, glaube ich, gibt es in Hamburg sehr viel zu tun. Neben der Bewältigung der aktuellen Krisen, von denen wir ja hoffen, dass wir sie irgendwann alle überstehen und zum Tagesgeschäft zurückkommen können, sind das derzeit die brennendsten Themen. Wir sind als CDU sehr gut aufgestellt, haben den Willen und kämpfen dafür, nach 14 Jahren auch wieder Regierungsverantwortung für unsere Stadt übernehmen zu können.

Muss man angesichts der 11 Prozent nicht ein bisschen realistischer sein was die eigenen Zielformulierungen angeht?

Thering: Regierungsverantwortung heißt nicht, dass wir dann auch automatisch den nächsten Bürgermeister stellen. Wir kommen von 11 Prozent. Wir wissen, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben. Für mich war auch von Tag eins an klar, dass es kein Sprint, sondern ein Marathonlauf ist.

Es braucht vielleicht auch zwei, drei Legislaturperioden, um die Union wieder dahin zu führen, wo wir gerne wären. Aber für uns ist klar, wir wollen 2025 wieder stärker werden und unser Anspruch ist es auch, nicht auf Dauer in der Opposition zu bleiben. Das kann man auch als Juniorpartner. Im ersten Schritt kämpfen wir für ein starkes CDU-Ergebnis.

Sommerinterview: Thering fokusiert auf Stärkung der CDU

An der Seite welchen größeren Partners sehen Sie sich denn als Juniorpartner – der SPD oder der Grünen?

Thering: Wenn wir in der komfortablen Situation sind, dass wir uns den Koalitionspartner aussuchen können, dann haben wir sehr viel richtig gemacht. Es ist jetzt viel zu früh, zu sagen, wen wir uns als Koalitionspartner wünschen. Wir wollen jetzt erstmal die CDU in Hamburg wieder stärker positionieren. Und dann besteht die Chance, dass die CDU wieder Regierungsverantwortung übernehmen kann.

Dann ist entscheidend, in welcher Koalition wir unsere Punkte am Ende besser umzusetzen können. Ich verstehe mich mit den Handelnden beider Parteien auf der persönlichen Ebene sehr gut, aber ich stehe hier als Oppositionsführer der CDU und deshalb geht es jetzt darum, unsere Themen nach vorne zu bringen.