Hamburg. Klara Geywitz (SPD) hält das Wohnungsbauziele des Hamburger Senats für erreichbar – und wiederspricht damit Experten aus der Branche.
Trotz explodierender Kosten hält Bundesbauministerin Klara Geywitz das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen im Jahr weiter für erreichbar. Die Situation im Baubereich sei extrem schwierig, räumte die SPD-Politikerin am Dienstag beim Genossenschaftstag in Hamburg ein. Um Kosten zu senken und das Bauen zu beschleunigen, müssten Planung und Bau komplett digitalisiert werden. Zudem sei es nötig, „dass wir auch die Produktivität in der Wohnungswirtschaft und in der Bauwirtschaft selber erhöhen, indem (...) wir mehr mit Robotern und anderer Technik arbeiten“. Große Chancen sehe sie auch im seriellen Holzbau.
Der Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), Andreas Breitner, schloss aus, dass die Neubauzahlen erreicht werden können. Er sprach von einer „angesichts der Rahmenbedingungen überraschend optimistischen Bundesbauministerin, die an ihren ehrgeizigen Zielen festhalten will“. Beim Genossenschaftstag berieten Wohnungsgenossenschaften aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern über Möglichkeiten, trotz stark gestiegener Baukosten, gestörter Lieferketten, hoher Grundstückspreise und teurer Klimaschutz-Anforderungen auch künftig bezahlbaren Wohnraum schaffen zu können.
Wohnungsbau: VNW widerspricht Bauministerin
Dem VNW gehören rund 170 Wohnungsgenossenschaften mit mehr als 120.000 Wohnungen an. Die große Mehrheit bewertet die Aussichten dem Verband zufolge als schlecht oder sehr schlecht. Viele Genossenschaften wollen Neubauprojekte verschieben. Deswegen gerät auch die Planung des rot-grünen Senats in Gefahr, dass jährlich mindestens 10.000 Wohnungen gebaut werden sollen. Diese Marke war zuletzt deutlich gerissen worden. Nur noch 7461 Wohnungen wurden im vergangenen Jahr fertiggestellt – 3808 oder 33,8 Prozent weniger als im Vorjahr. Und: Gut 2500 weniger, als sich der Senat selbst vorgenommen hat.
Die Bundesregierung hatte als Ziel die Schaffung von jährlich 400.000 Wohnungen im ganzen Land ausgegeben, davon 100.000 Sozialwohnungen. Der Bund wolle die Rahmenbedingungen dafür schaffen, könne jedoch nicht einzelne Baumaterialien subventionieren, sagte Geywitz. An dem Ziel werde aber weiter festgehalten.
Klimaschutz als große Herausforderung
Auch die Eigentumsbildung solle weiter gefördert werden. So seien im Bundeshaushalt Mittel für die Unterstützung von Menschen vorhanden, die Genossenschaftsanteile erwerben wöllten. „Das wollten die Genossenschaften schon seit vielen, vielen Jahren. (...) Mein Ziel ist es, es nach der Sommerpause an den Start zu bringen“, sagte Geywitz.
Beim Klimaschutz sei der Gebäudesektor derzeit das große Sorgenkind. Hier stehe eine ähnlich große Transformation wie in der Auto- oder Chemieindustrie an. „Aber wenn wir viel mit Holz bauen, wenn wir es schaffen, zum Beispiel Mieterstrom deutlich zu verbessern, wenn die Häuser der Zukunft mehr erneuerbare Energien produzieren als sie selber verbrauchen, dann kann der Gebäudesektor auch einen Beitrag dazu leisten, das Klima zu verbessern.“
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Branchenvertreter Breitner verwies darauf, dass 60 Prozent der Wohngebäude in Deutschland zwischen 1949 und 1979 entstanden und längst noch nicht energetisch saniert seien. „Die allermeisten sind es nicht. Dafür zeichnen sie sehr niedrige Mieten aus.“ Diese Wohnungen weiter günstig zu halten und so zu sanieren, dass sie den Klimazielen der Bundesregierung entsprächen, sei ein Spagat. „Und es wird sehr, sehr großen finanziellen Aufwand bedeuten, das hinzubekommen.“ Vermieter günstiger Wohnungen ohne großen Gewinnpuffer, wie die Genossenschaften, könnten das jedenfalls allein nicht schaffen.
Breitner äußerte die Befürchtung, dass von einem Rückgang der Bautätigkeit vor allem der Neubau von Wohnungen im mittleren Preissegment betroffen sein wird. Wenn man Baukosten, Zinsentwicklung und die Grundstückspreise berücksichtige, sei man als Genossenschaft beispielsweise in Hamburg ohne Subventionen bei einer Kaltmiete von 17 Euro pro Quadratmeter. „Und das baut keine Genossenschaft, weil die das unanständig finden, für 17 Euro zu vermieten und kaum einer sich das leisten kann.“