Das Abendblatt beobachtete die Kandidaten Birgit Schnieber-Jastram (CDU) und Knut Fleckenstein (SPD) beim Werben um Stimmen.
Hamburg. "Wie schön, Sie hier zu treffen. Ich habe immer Ihre Frisur bewundert, Frau Schnieber-Jastram." Renate Hein (61) geht locker auf die CDU-Politikerin zu. "Danke für das Kompliment. Ich freue mich aber noch mehr, wenn Sie am 7. Juni zur Europawahl gehen", sagt Birgit Schnieber-Jastram und drückt der Passantin eine Broschüre in die Hand - Kampagnen-Alltag gut zwei Wochen vor dem Urnengang, der vielen Hamburgern wenig bedeutet. Die langjährige Bürgerschafts- und Bundestagsabgeordnete sowie frühere Hamburger Sozialsenatorin und Zweite Bürgermeisterin lässt sich davon nicht entmutigen. "Ich möchte das spannende Projekt Europa mitgestalten", sagt die 62 Jahre alte Politikerin aus Bergedorf. Deshalb ist sie in der Hansestadt Spitzenkandidatin ihrer Partei für das Europäische Parlament und will die Nachfolge von Georg Jarzembowski antreten. "Insbesondere in Zeiten wie diesen brauchen wir unsere europäischen Partner, damit wir mit aller Kraft gemeinsam die großen Herausforderungen erfolgreich meistern. Unser starkes Hamburg wird durch Europa noch stärker." Und weil sie dies nach eigener Auskunft am besten persönlich erklären kann, geht Birgit Schnieber-Jastram auf die Menschen zu, an diesem Vormittag im EKZ Jenfeld.
"Was bringt mir Europa denn? Wir müssen doch immer nur zahlen", empört sich eine ältere Passantin. "Hamburg ist Welthafen und Verkehrsknotenpunkt. Der freie Strom der Waren sichert hier Arbeitsplätze", sagt die CDU-Kandidatin. "Und da wir beide Nachkriegskinder sind, können wir uns über einen friedlichen Kontinent freuen. Das ist die größte Leistung Europas." Die Passantin gesteht, CDU-Mitglied zu sein und verspricht, ihre Einschätzung zu überdenken.
Dass Europa schwierig zu vermitteln ist, merkt auch Knut Fleckenstein. Der 55-Jährige steht auf Platz 18 der SPD-Bundesliste für die Europawahl und will als Nachfolger von Vural Öger ins Europäische Parlament einziehen. Infostand auf dem Wochenmarkt, Besuch im Seniorenklub, Diskussion in der Schule, öffentliche Gesprächsrunde - mehr als 130 Veranstaltungen stehen in Fleckensteins Terminkalender bis zum 7. Juni. "Wer zu den Veranstaltungen kommt, hat wirklich Interesse. Aber das sind leider nicht so viele und eben oft auch Parteimitglieder", resümiert der Kandidat. Dabei zeige doch die Krise, dass Europa mehr sei als Binnenmarkt und gemeinsame Währung. "Es geht auch um Soziales, zum Beispiel Mindestlöhne, starke europäische Betriebsräte, wirkliche europäische Mitbestimmung sowie schrittweise Angleichung von Arbeitsbedingungen." Als bisheriger Geschäftsführer des Hamburger Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) kennt er sich in diesem Feld aus.
"Ich will das Gesicht Europas in Hamburg sein und umgekehrt", sagt der Sozialdemokrat bei einer Diskussionsrunde in Bramfeld. Er setzt auf gute Zusammenarbeit mit dem Senat, der Handels- und Handwerkskammer, dem Hanse Office sowie Verbraucher- und Umwelt-Organisationen.
Sorgen machen sich beide Kandidaten um die Wahlbeteiligung. Vor fünf Jahren erreichte sie in Hamburg das historische Tief von 34,9 Prozent. "Das darf nicht wieder passieren", sagen Schnieber-Jastram und Fleckenstein. Während der SPD-Mann auf Listenplatz 18 ziemlich sicher den Sprung nach Straßburg und Brüssel schaffen wird, ist bei seiner CDU-Kollegin in der Tat die Wahlbeteiligung der Schlüssel zum Erfolg. Bei der Union werden in allen 15 Bundesländern - in Bayern tritt die CSU an und unterliegt der Fünf-Prozent-Hürde - die Stimmen der CDU zusammengezählt. Macht das zum Beispiel 40 Prozent aller abgegebenen Stimmen, bekommt die CDU 40 Prozent der 99 deutschen Mandate.
In Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen finden am 7. Juni auch Kommunalwahlen statt - eine Chance für eine gute Beteiligung an der Europawahl. Aus welchem Bundesland dann nämlich die Abgeordneten kommen, hängt davon ab, wie hoch die Wahlbeteiligung ist und wie viele Stimmen die CDU in dem jeweiligen Land bekommen hat. "Wir müssen in Europa kompetent und schlagkräftig vertreten sein", ist die Devise von Birgit Schnieber-Jastram und Knut Fleckenstein. Noch zwei Wochen Zeit, um für einen Urnengang zu werben, der vielen Menschen bisher wenig bedeutet.