Werbefachleute, Wahlforscher und Politiker urteilen: lieblos und ein Höhepunkt der Langeweile.
Seit knapp einer Woche wirbt die Hamburger CDU in der Stadt mit Plakaten für die Europawahl am 7. Juni und für ihre Spitzenkandidatin Birgit Schnieber-Jastram. In etwa genauso lang dauert auch die Diskussion an, die um diese Plakate entbrannt ist - bei Werbefachleuten, Wahlforschern und der politischen Konkurrenz. Die Kritik reicht von "lieblos" und "hausgemacht" über "mangelndes Farbgefühl" und "Floskeln" bis hin zu "Desinteresse am Europawahlkampf". Die für die Kampagne verantwortliche Werbeagentur shipyard wollte sich nicht zum Thema äußern.
Hans-Jürgen Hoffmann, Geschäftsführer des Umfrageinstituts Psephos, hält dieses Plakat für ein "Indiz dafür, wie nachlässig die Europawahl von den Parteien behandelt wird". Es spreche nicht für das europäische Engagement der Partei. Schlechte Wahlkampagnen und ein zurückhaltender Wahlkampf würden das "Desinteresse" der Wahlbevölkerung an Politik noch fördern. Seiner Meinung nach trete in der öffentlichen politischen Diskussion in diesem Jahr alles hinter der Wirtschaftskrise und der bevorstehenden Bundestagswahl zurück. "Dieses Plakat macht einen lieblosen und hausgemachten Eindruck und spricht nicht für diejenigen, die die Werbemittel ausgewählt haben", sagt Hoffmann. Grundsätzlich schätzt der Wahlen-Experte die Bedeutung von Plakaten für die bewusste Wahlentscheidung aber als "eher gering" ein.
Kay Tangermann, Chef der gleichnamigen alteingesessenen Hamburger Werbeagentur, hat das Plakat für das Abendblatt aus professioneller Sicht unter die Lupe genommen. "Der Fotograf hat kein gutes Farbgefühl. Diese riesige, flächige, schwarze Jacke passt überhaupt nicht zum blauen Hintergrund", sagte der Kommunikationsfachmann und Wirtschaftspublizist. Ein "Sonnengelb hätte sehr viel besser zum Blau gepasst und hätte zudem Aktivität und Jugend" ausgestrahlt. Dass insgesamt fünf Farben für das Plakat verwendet wurden - "viel zu viel und zu unruhig" - missfällt Tangermann genauso wie der Werbetext: "Für ein starkes Hamburg in Europa". Darunter könne sich niemand etwas vorstellen. Tangermann bezeichnet dies als "Floskel" und "Allgemeinplatz". Was solle es dem Wähler sagen? Da kaum einer der Bürger etwas über die Funktion des Europaparlamentes wisse, hätte auf dem Plakat seiner Meinung nach eine "eindrucksvolle Botschaft stehen müssen, die besagt, was Frau Schnieber-Jastram und die CDU tatsächlich für Hamburg in Europa bewirken" können. Auf jeden Fall hätte aber der Termin der Europawahl sowie der Titel Spitzenkandidatin auf das Plakat gehört, betonte der Werbefachmann. Einzig das Gesicht von Birgit Schnieber-Jastram findet Tangermann "sehr gelungen" und gut getroffen. "Das wirkt mütterlich, sorgend und authentisch."
Gregor Jaecke, Wahlkampfleiter der CDU, kann die Kritik nicht verstehen. "Wir haben das Motiv mit Sorgfalt und Liebe ausgesucht. Das war nicht schnell-schnell", sagte Jaecke. Selbstverständlich sei Birgit Schnieber-Jastram an dem Auswahlprozess beteiligt gewesen. Den Spruch "Für ein starkes Hamburg in Europa" hält Jaecke für "sehr aussagekräftig".
Jaecke räumte allerdings ein, dass das Plakat auch in der CDU eine Diskussion ausgelöst habe. "Es hat Aufmerksamkeit hervorgerufen - positiv wie negativ", so der Wahlkampfmanager. "Das Motiv ist Geschmackssache. Den einen gefällt es, den anderen nicht." In der nächsten Woche soll noch ein Überkleber auf dem Plakat angebracht werden, das einen konkreten Wahlaufruf mit dem Termin der Europawahl enthält. Der Wahlkampfetat der Landes-CDU - rund 70 000 Euro - lasse keine zweite Plakatserie zu. Rund 10 000 Euro gibt die Union allein für Entwicklung und Druck der Plakate aus.
Die Reaktionen der politischen Mitbewerber fielen nicht sehr schmeichelhaft aus. "Das Plakat ist Höhepunkt der Langeweile und des Unwillens, den die CDU in diesem Wahlkampf ausgezeichnet hat", sagte SPD-Sprecher Bülent Ciftlik.
"Mich irritiert, dass auf dem Plakat nicht ersichtlich wird, wer Birgit Schnieber-Jastram ist, und dass der Anlass Europawahl nicht benannt wird", sagte die GAL-Landeschefin Katharina Fegebank. "Mit dem Plakat tut die CDU ihrer Spitzenkandidatin keinen Gefallen", setzte die GALierin noch hinzu.