Bürgermeister verhandelt angeblich mit Vattenfall über Gaskraftwerk für Fernwärme und verzichtet dafür auf die umstrittene Fernwärmetrasse.
Hamburg. Wie sieht Hamburgs Energieversorgung der Zukunft aus? Über diese Frage verhandelt Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) mit den Energiekonzernen Vattenfall und E.on hinter verschlossenen Türen.
Dem Vernehmen nach erwägt der schwedische Energiekonzern Vattenfall für die Fernwärmeversorgung den Bau eines Gaskraftwerks in Hamburg und verzichtet dafür auf die umstrittene Fernwärmetrasse zum Kohlekraftwerk Moorburg. Entsprechende Verhandlungen mit dem Senat liefen, berichtet die Tageszeitung "Die Welt".
Senatssprecher Christoph Holstein sagte dazu nur: "Wir sagen nichts dazu."
Vattenfall jedoch schickte unaufgefordert ein Dementi herum. Darin heißt es: "Vattenfall beabsichtigt nicht, seine Pläne für die Fernwärmeauskopplung aus dem Kraftwerk Moorburg aufzugeben", betonte Pieter Wasmuth, Generalbevollmächtigter Vattenfalls für Hamburg und Norddeutschland in Reaktion auf Medienberichte. Das Planfeststellungsverfahren für die Fernwärmeleitung laufe weiter. Vattenfall habe derzeit keine Pläne für ein Gaskraftwerk in Hamburg. Inoffiziell bestätigen beide Seiten Verhandlungen.
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+++ Tausende Einwendungen gegen Fernwärmeleitung +++
+++ Kohlekraftwerk Moorburg: Baustelle mit Tücken +++
Der Senat hat Probleme, die mit einem solchen Gaskraftwerk gelöst werden könnten. Das Planfeststellungsverfahren für die Fernwärmetrasse nach Moorburg ist komplizierter, langwieriger und teurer als geplant. Eine Bürgerinitiative "Moorburgtrasse stoppen" hat sich gegründet. Wegen eines Verfahrensfehlers stoppten Gerichte Anfang 2010 den Bau der Trasse. Vattenfall musste ein Planfestestellungsverfahren beginnen und beantragte nun eine geänderte Trassenführung unter der Holstenstraße und nicht mehr durch den angrenzenden Gählerpark. Zudem werden Varianten - etwa durch den Schellfischtunnel in Altona - geprüft.
Nach Auslegung der neuen Unterlagen sind mehr als 3500 Einwendungen von Anwohnern, Initiativen und Verbänden eingegangen. Diese werden nun von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) geprüft. Ein Erörterungstermin steht noch nicht fest. Der Ausgang des Verfahrens ist ungewiss. Würde nun ein Gas- und Dampfturbinenkraftwerk bei der Müllverbrennungsanlage in Stellingen entstehen und an das Fernwärmenetz angeschlossen werden, wäre Scholz den Konflikt im Genehmigungsverfahren los.
Auch für Vattenfall könnte - trotz Dementi - ein solches Gaskraftwerk sinnvoll sein. Schon jetzt ist die Fernwärmetrasse sehr viel teurer als geplant. Die alte, vom Gericht gestoppte Trasse, hätte etwa 240 Millionen Euro gekostet. Experten gehen für eine neue Trasse von mindestens 300 Millionen Euro aus. Der Bau eines Gaskraftwerks würde etwa 400 Millionen Euro kosten, aber zusätzlich zum Fernwärmeverkauf weitere Einnahmen über die Stromproduktion garantieren. Außerdem müssen für ein Gaskraftwerk weniger kostspielige Emissionszertifikate gekauft werden als für ein Kohlekraftwerk.
Würde die Fernwärme stattdessen wie bisher vorgesehen aus dem Kohlekraftwerk Moorburg ausgekoppelt, müsste Vattenfall trotzdem so viel Kohle einsetzen, dass dies für den Konzern mehr Kosten und weniger Effizienz bedeutet. Und für die Stadt zusätzliche CO2 -Emissionen.
Schon jetzt hat Scholz aber Probleme, die selbst gesteckten Ziele zur CO2-Senkung zu erreichen. Fernwärme ohne den Einsatz von Kohle könnte dieses Problem zwar nicht lösen, wäre aber ein Schritt in die richtige Richtung.
Ein drittes Problem für Olaf Scholz ist der bevorstehende Volksentscheid zum Rückkauf der Versorgungsnetze, für den sich die Volksinitiative Unser Hamburg - Unser Netz starkmacht. Scholz lehnt den vollständigen Rückkauf durch die Stadt ab. Er will sich mit 25,1 Prozent an den Netzen beteiligen. Noch gehören die Netze Vattenfall. Die Konzessionsverträge laufen aber zum Jahr 2014 aus. Mit einem "Deal" zwischen Stadt und Vattenfall in der Form, dass Vattenfall auf die Fernwärmetrasse verzichtet, dafür aber die Netzkonzession behält und mit dem Bau des Gaskraftwerks weiter das Monopol für die Fernwärme bekommt, könnte Scholz seinen Wunsch nach Beteiligung an den Netzen durchsetzen. Denn er hätte bei einem Volksentscheid zum Netzrückkauf eine konkrete Alternative entgegenzusetzen und könnte den Volksentscheid so eventuell scheitern lassen.
Wie zu hören ist, will Scholz die gesamte Problematik zügig vom Tisch haben. Er soll sich für die Verhandlungen eine Frist bis Dezember gesetzt haben. Die Volksinitiative Unser Hamburg - Unser Netz forderte den Senat auf, die "Geheimverhandlungen zur zukünftigen Energieversorgung Hamburgs zu beenden und für ein transparentes Verfahren zu sorgen".
Auch die GAL bläst in dieses Horn. Vattenfall benutze die Fernwärmetrasse nur noch als "Faustpfand in den Verhandlungen", um zu verhindern, dass die Stadt die Netze zurückkaufe, sagte Fraktionschef Jens Kerstan. Der Senat müsse jetzt seine Hinterzimmer-Verhandlungen mit Vattenfall beenden.