Der Streit um das Kohlekraftwerk Moorburg hat in der Hamburger Politik hohe Wellen geschlagen. Nun stehen fast alle Gebäude auf der Baustelle.

Hamburg. Riesige Kräne, Lastwagen und Bagger säumen den Weg über die Baustelle des umstrittenen Steinkohlekraftwerks Hamburg-Moorburg. Fast alle Gebäude auf dem 23 Hektar großen Gelände des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall stehen schon, Arbeiter werkeln noch an den Außenfassaden. Wie eine Achterbahn schlängeln sich die Kohle-Förderbänder von Bau zu Bau. Das Kraftwerk Moorburg hat Gestalt angenommen, nun werden innen die gigantischen Maschinen montiert.

Das Kraftwerk war während des schwarz-grünen Bündnisses in Hamburg genehmigt worden. Es soll nach Angaben von Vattenfall spätestens 2013 in Betrieb gehen. Umweltschützer kritisieren, dass es bis zu acht Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) pro Jahr in die Luft blasen wird.

Seit 2007 entsteht an der Süderelbe das Doppelblock-Kraftwerk in Sichtweite zweier großer Windenergieanlagen. Es hat eine elektrische Bruttoleistung von 1640 Megawatt und bis zu 650 Megawatt Fernwärmeauskoppelung. Das Projekt wird Vattenfall mindestens 2,6 Milliarden Euro kosten. Probleme an den Schweißnahtverbindungen der Kessel könnten die Kosten weiter in die Höhe treiben, Verzögerungen im Zeitplan gab es bereits.

2500 Bauarbeiter aus aller Welt sind derzeit auf der Baustelle im Einsatz. Es wurden schon mehr als 400.000 Kubikmeter Beton und rund 75.000 Tonnen sogenannter Bewehrungsstahl verbaut. „Hamburg braucht dieses Kohlekraftwerk, weil es rund 90 Prozent des Strombedarfs der Hansestadt decken kann“, sagt Kraftwerks-Sprecher Stefan Kleimeier. Es könne auch Ersatz sein für die stillgelegten Atommeiler Krümmel und Brunsbüttel und bis zu 50 Jahre am Netz bleiben.

Schiffe mit einer Länge bis zu 250 Metern werden in Moorburg anlegen. An Bord sind 60.000 Tonnen Kohle, die unter anderem aus Polen, Indonesien, Südafrika oder Australien importiert wird. Mit dieser Menge komme das Kraftwerk fünf bis sechs Tage aus, sagt Oberbauleiter Richard Warzawa. Ist das Gut entladen, gelangt es zur Zwischenlagerung in die beiden riesigen Kohlekreislager. Von da aus geht es über Förderbänder zu den Kesselanlagen. Die Kohle wird ganz fein gemahlen und verbrannt, Wasser dabei in überhitzten Dampf umgewandelt.

In diesem Moment kommen zwei riesige Turbinen der jüngsten Generation in Block A und B ins Spiel. Eine ist bereits fertig und mit einer Abdeckung geschlossen. Die Arbeiten an der Turbine B laufen noch bis Herbst, so ist noch ein Blick in das faszinierende Innere der komplexen Maschine möglich. Inklusive Generator ist jede Turbine knapp 60 Meter lang. Ihr Rotor sind Titan-Schaufeln, die sich mit unglaublicher Geschwindigkeit drehen werden.

„Der Dampf treibt die Turbine und diese den 400 Tonnen schweren Generator an. Der erzeugt dann den elektrischen Strom“, erklärt Ingenieur Warzawa, während an der Turbine B indische Monteure mit einem Trennschneider Abdeckbleche bearbeiten. Funken sprühen, ohrenbetäubender Lärm erfüllt die Halle. Die Einzelteile der Turbine wurden aus vielen verschiedenen Ländern geliefert. Ein Jahr dauert die Präzisionsarbeit an den Turbinen bereits. „Das hier ist die Königsklasse des Maschinenbaus“, sagt der 47-jährige Warzawa.

Das Kohlekraftwerk Moorburg hatte in Hamburg für großen politischen Streit gesorgt. Die Grünen hatten bei der Landtagswahl 2008 die Verhinderung des Vorhabens als ein zentrales Wahlziel genannt. Nach Bildung der schwarz-grünen Koalition hatte die damalige grüne Umweltsenatorin Anja Hajduk jedoch eine herbe Niederlage einstecken und das bei ihrer Partei verhasste Kraftwerk Moorburg genehmigen müssen. Es wurden rechtliche Gründe dafür angeführt, dass der Bau nicht mehr zu verhindern sei. Zugleich verhängten die Behörden harte Auflagen.


+++ Tausende Einwendungen gegen Fernwärmeleitung +++

Inzwischen stellt die SPD den Regierungschef: „Hamburg gehört zu den größten Industriestädten Europas. Auch im Interesse der Industrie wird es noch lange nötig sein, Kraftwerke zu betreiben, die fossile Brennstoffe zu Energie machen“, sagt Bürgermeister Olaf Scholz. „Ich bin froh über die sichere Energieversorgung, die das bald in Betrieb gehende Kraftwerk Moorburg bietet.“

Der Sprecher des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Hamburg, Paul Schmid, kritisiert das Steinkohlekraftwerk als „gigantische Fehlinvestition“, die nicht zur Energiewende passe. Der Betrieb sei vermutlich nicht mehr zu verhindern, sagte er. Doch die Naturschützer kämpften weiterhin dafür, zumindest Korrekturen zu erreichen.

Nach ihrem Willen soll ein nachträglich eingeplanter, 60 Meter hoher Hybridkühlturm immer und nicht nur zeitweise laufen müssen, um den Fluss zu schützen. Zudem wird gegen eine geplante, 12 Kilometer lange Fernwärmetrasse protestiert. Erst wenn Moorburg Fernwärme auskoppeln kann, soll nach Angaben von Vattenfall das in die Jahre gekommene Heizkraftwerk Wedel vom Netz gehen. Frühestens 2016 werde es soweit sein.

Vattenfall selbst lobt das neue Kraftwerk in Moorburg als „extrem effizient“ und „modern“. So würden Jahr für Jahr etwa 2,3 Millionen Tonnen CO2 eingespart. Für die Energieversorgung bleibe Steinkohle unverzichtbar, sie decke derzeit den deutschen Strombedarf bis zu 22 Prozent. Es brauche noch Zeit, bis man ausschließlich mit erneuerbaren Energien auskomme. Der Chef der halbstaatlichen Deutschen Energie-Agentur in Berlin, Stefan Kohler, erklärt: „Wir gehen davon aus, dass auch in Zukunft noch Kohlekraftwerke gebaut und benötigt werden.“