Der Landesrechnungshof fordert den Senat zum strikten Sparen auf. Das strukturelle Defizit der Hansestadt betrage rund eine Milliarde Euro.

Hamburg. Mit einem eindringlichen Appell will der Hamburger Landesrechnungshof den künftigen Senat zum konsequenten Sparen bewegen. „An einer strikten Haushaltsdisziplin führt kein Weg vorbei“, sagte Rechnungshof-Präsident Jann Meyer-Abich am Freitag. Das strukturelle Defizit betrage rund eine Milliarde Euro pro Jahr. Um diese Summe langfristig einsparen zu können, sei auch ein Stellenabbau nötig. Nach Ansicht des Präsidenten hat besonders die Haushaltspolitik in den guten Jahren zur jetzigen Situation geführt: „Die Sparpolitik der Krisenjahre wurde nicht mehr konsequent umgesetzt.“ Stattdessen seien mit steigenden Einnahmen neue Ausgaben beschlossen worden. „Die Politik hat Geld verteilt, was ihr nicht gehört und das andere tragen müssen.“

Von der künftigen SPD-Regierung um Bürgermeister Olaf Scholz forderte Meyer-Abich einen langen Atem. „Die konsequente auf das Jahr 2020 orientierte Haushaltskonsolidierung muss jetzt beginnen und durchgehalten werden.“ Die sogenannte Schuldenbremse verbietet den Ländern von 2020 an eine Kreditaufnahme.

Die Herausforderungen seien enorm. „Die Finanzen der Stadt müssten strukturell zukunftsfähig gemacht werden, sagte Meyer-Abich. Dazu gebe es keine Alternative. Seiner Ansicht nach muss die Ausgabenbegrenzung über zwei Legislaturperioden andauern, um einen strukturell ausgeglichenen Haushalt zu erreichen.

Die gewohnte Praxis, Lasten möglichst unmerklich in die Zukunft auf Nachfolgende zu verschieben, sei am Ende. „Die Zukunft, auf die die Probleme verschoben wurden, ist unsere Gegenwart geworden“, erklärte der Präsident. Zudem sei die Infrastruktur massiv vernachlässigt worden. „Die Sanierung der Straßen ist unvermeidbar und die Schulen müssen in einem Kraftakt mit Milliardenaufwand saniert werden.“

Hamburg befinde sich in einer prekären Situation. „Das Vermögen der Stadt hat massiv abgenommen, die Verschuldung erreicht jährlich neue Höchststände“. Der Landesrechnungshof wies zudem auf anstehende Risiken hin: So würden die Zinsen wieder mittelfristig steigen und der „Pensionsberg rücke näher:„Im Jahr 2020 müssen 1,2 Milliarden Euro für Pensionen gezahlt werden.“

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Gut elf Milliarden Euro wird die Stadt Hamburg in diesem Jahr ausgeben. Einen Haushalt, also einen rechtskräftigen Plan, an welcher Stelle das Geld eingesetzt wird, gibt es aber noch nicht - und daran wird sich vermutlich bis zum Herbst nichts ändern.

Denn die SPD, die seit dieser Woche mit absoluter Mehrheit regiert, will den noch von Schwarz-Grün vorgelegten, von der alten Bürgerschaft aber nicht mehr verabschiedeten Haushaltsplanentwurf 2011/2012 zunächst grundlegend überarbeiten. Das sagte SPD-Finanzexperte Peter Tschentscher dem Abendblatt. Ziel sei es, bis zur Sommerpause einen neuen Entwurf ins Parlament einzubringen. Inklusive der dann folgenden Haushaltsberatungen in den Fachausschüssen und zwei Lesungen in der Bürgerschaft dürfte das Zahlenwerk also nicht vor September stehen.

Bis dahin gilt weiter die "vorläufige Haushaltsführung", die sichergestellt, dass die Stadt auch in Zeiten ohne gültigen Etat ihren Verpflichtungen nachkommt und zum Beispiel Gehälter und Sozialleistungen auszahlt. Für wichtige laufende oder jetzt beginnende Projekte wie den Neubau einer Kinderklinik am UKE oder die Einstellung von Steuerfahndern haben sich die Behörden vorab Ausgaben genehmigen lassen.

Die Alternative zur Aufstellung eines neuen Haushalts wäre, einfach den schwarz-grünen Etatentwurf erneut ins Parlament einzubringen, um ihn dann nach jedem Beschluss des SPD-Senats zu ändern. Tschentscher hält das für nicht sinnvoll. Das Werk enthalte viel zu viele unausgegorene Posten, die der alte Senat nach seiner Sparklausur im Herbst hastig eingearbeitet habe. "Unser Ehrgeiz ist es, einen neuen soliden Haushalt zu entwickeln", sagt Tschentscher, der auch als künftiger Finanzsenator gehandelt wird. "Darum sollen möglichst viele unserer neuen Beschlüsse eingearbeitet werden." Die SPD hatte unter anderem die Rücknahme der Kitagebührenerhöhung (wohl zum 1. August), die mittelfristige Abschaffung der Studiengebühren, mehr Sicherheitspersonal auf den Bahnhöfen und mehr Mittel für den Unterhalt der Straßen versprochen - all das soll im neuen Haushalt enthalten sein, inklusive der Gegenfinanzierung.

"Ausgaben zu beschließen ist einfach", sagt Tschentscher, "die Kunst ist es, die im Gegenzug nötigen Sparmaßnahmen auszuloten und einzuarbeiten." Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hatte im Wahlkampf das Ziel ausgegeben, jede neue Ausgabe durch Einsparungen auszugleichen. Die höheren Steuereinnahmen, die die Mai-Steuerschätzung vermutlich voraussagen wird, sollen nicht zur Finanzierung der Wahlversprechen genutzt werden, sondern um weniger Schulden zu machen. Tschentscher hofft, dass schon der Haushaltsentwurf im Sommer zur Sparsamkeit beitragen wird. Ab dann werden die Ansätze von 2010 mit den neuen verglichen - und im Zweifel gelten die niedrigeren.

Mit Material von dpa