Hamburgs neues Wahlrecht ist nicht so schlecht wie sein Ruf
Abschreckend kompliziert, zu zeitaufwendig, kaum durchschaubar - der Ruf des neuen Hamburger Wahlrechts ist nicht der beste. Und angesichts der historisch niedrigen Wahlbeteiligung lässt sich Kritik auch nicht ganz von der Hand weisen. Dennoch: Das System mit den insgesamt 20 Stimmen hat eine zweite Chance verdient. Denn viele Wähler haben von den neuen Möglichkeiten regen Gebrauch gemacht und die früher unveränderbaren Landeslisten der Parteien kräftig durcheinandergewirbelt.
Da wurde sogar der biblische Spruch "Die Letzten werden die Ersten sein" umgesetzt - mit Isabella Vértes-Schütter. Die (natürlich nicht ganz unprominente) Theater-Intendantin stand auf dem 60. und letzten Platz der SPD-Liste, bekam aber so viele direkte Stimmen, dass sie 50 Genossen hinter sich ließ. Ein krasser, aber kein Einzelfall.
Derlei Erfahrungen zwingen die Politiker zum Umdenken. Das innerparteiliche Wirken allein genügt nicht mehr. Wer wiedergewählt werden will, muss in seinem Wahlkreis präsent sein und sich einen Namen machen.
Eine Pflicht, sich zu informieren, haben die Wähler nicht. Schön wäre es trotzdem, wenn sich mehr Bürger im Vorfeld über die Kandidaten informieren würden, statt sich erst in der Wahlkabine an Alter, Geschlecht und Beruf zu orientieren. Aber das wird wohl ein frommer Wunsch bleiben.