Die 49-Jährige wollte auf Platz 60 ihrer Partei eigentlich gar nicht gewählt werden. Jetzt geht auch für ihren politischen Auftritt der Vorhang auf.
Hamburg. Die Entscheidung für den Listenplatz 60 war eigentlich nur eine Spielerei. Ein Akt alter Verbundenheit zur SPD, der auf der politischen Bühne offiziell keine Rolle spielen sollte. Mit der 60, so dachte sich Isabella Vértes-Schütter, sei sie auf der sicheren Seite. Einerseits auf der Landesliste ihrer Partei dabei, andererseits beim Einzug in die Bürgerschaft außen vor. Die 60 war schließlich eine verlässliche Nummer. Jahrzehntelang hatte ihr verstorbener Mann Friedrich Schütter den Platz besetzt. Er war immer gelistet - und doch nie dabei. Für die Intendantin des Ernst-Deutsch-Theaters wird das nun anders. Mit dem Wahlerfolg der SPD geht nun auch für ihren politischen Auftritt der Vorhang auf.
Möglich wird das durch das neue Wahlrecht. War es bislang so, dass die Parteien mit der Platzierung ihrer Kandidaten auf der Landesliste vorgaben, so entschied diesmal der Wähler. Ganz direkt. Und die wollten ganz offensichtlich, dass die Intendantin im Rathaus Platz nimmt.
Künftig wird sich die 49 Jahre alte Kulturexpertin also den Anforderungen von Theaterarbeit und Bürgerschaft stellen müssen. Isabella Vértes-Schütter sieht das optimistisch. "Das ist alles eine Frage der Organisation", sagt sie. "Ich bin darin geübt, vielfältige Aufgaben unter einen Hut zu bringen." Für den Posten der Kultursenatorin stehe sie jedoch auf keinen Fall zur Verfügung. "Ich werde ganz sicher im Theater gebraucht und möchte es auf keinen Fall im Stich lassen", sagt sie. Schließlich gebe es in diesem Jahr hier viel zu tun. Das Haus feiere seinen 60. Geburtstag. Und dem Theater sei sie mehr verbunden als der Politik. Nach dem Tod ihres Ehemannes übernahm sie im September 1995 die Intendanz des Ernst-Deutsch-Theaters.
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Trotz ihrer Erfolge ließ sie sich 2004 für einen Abstecher auf die Hamburger Politikbühne locken. Als Mitglied des "Kompetenzteams" von SPD-Spitzenkandidat Thomas Mirow brachte Vértes-Schütter ihre Erfahrungen im Kulturbereich ein. Ein Posten als künftige Kultursenatorin stand in Aussicht. Doch die Wahl ging verloren und die Intendantin zurück an ihr Theater. Der SPD blieb sie treu. Wie all die Jahre zuvor auf dem allerletzten Listenplatz. Eine bessere Platzierung lehnte sie ab. Sie wollte dabei sein, aber nicht vorneweg.
Ganz im Gegensatz zu Farid Müller. Der GAL-Bürgerschaftsabgeordnete wollte im Wahlkreis 01 - Hamburg-Mitte - eigentlich nach ganz vorne, um sicher wieder in die Bürgerschaft einzuziehen. Seine Partei wollte es anders und setzte Michael Osterburg auf Listenplatz eins, Farid Müller nur auf Platz zwei. Doch die Partei hat wohl nicht mit dem Wähler gerechnet.
14.059 Hamburger in Mitte stimmten für Farid Müller, 8363 für Michael Osterburg. Damit gewinnt Müller mit 6,9 Prozent das einzige Wahlkreismandat für die Grünen in Mitte. Osterburg landet trotz des vorderen Listenplatzes mit 3,9 Prozent der Stimmen deutlich hinter ihm. Müller, der Profiteur.
Eindeutiger Verlierer des neuen Wahlmodus ist der langjährige SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Thomas Böwer. Der war im Wahlkreis 7 - Lokstedt, Niendorf, Schnelsen - nach Monika Schaal auf Platz zwei der Wahlkreisliste gesetzt. Er bekam 10 348 Stimmen (5 Prozent). Zu wenig. Von Listenplatz vier aus zog die in der Bürgerschaft bisher völlig unbekannte Abgeordnete Sabine Steppat an ihm vorbei. 13 187 Stimmen (6,4 Prozent) reichten, um das zweite Wahlkreismandat zu ergattern. Nach 14 Jahren heißt es für Böwer Abschied nehmen von der Bürgerschaft.
Die Gründe, warum einige Kandidaten trotz hinterer Listenplätze mehr Stimmen bekommen als andere, sind wohl so vielschichtig wie die Kandidatenlisten selbst. Der eine machte besonders guten Wahlkampf, der andere ist sehr präsent im Wahlkreis, beim Dritten kommt ein bisschen Glück dazu.
Mit Glück hatte der Wahlerfolg von Kandidaten auf Listenplatz 31 allerdings nichts zu tun. Über die Fraktionsgrenzen hinaus haben Kandidaten auf diesem Platz der Landesliste besonders viele Stimmen erhalten. Der Grund dafür liegt weniger an der außergewöhnlichen Kompetenz oder dem Bekanntheitsgrad der Kandidaten, sondern daran, dass Listenplatz 31 in den Wahlheften jeweils ganz oben auf der zweiten DIN-A4-Seite zu finden war. Ein Hingucker sozusagen.
Zum ersten Mal war es den Hamburgern möglich, auch auf der Landesliste einzelne Kandidaten zu wählen. Eine Möglichkeit, die der CDU-Abgeordnete Nikolaus Haufler für sich zu nutzen wusste. Obwohl nur auf Listenplatz 50, wird er einen der wenigen Unionsplätze im Parlament einnehmen dürfen. Der Deutsche russischer Herkunft konnte beim Besuch in einem Verein für Russlanddeutsche überzeugen. Sie stimmten für ihn und machten ihn zu einem Gewinner des Wahlrechts.